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aus frühster Jugend. Sie war eine wenn nicht schöne, doch elegante und interessante Dame, ihr Geist und Charakter eben so anmuthig, als gebildet. Sie war sehr jung mit dem Grafen Windischgräg verheirathet worden und man glaubte immer, es sei eine Verbindung aus gegenseitiger Zuneigung gewesen.“

,,Durch häusliches Unglück getrieben, Trost und Unterhaltung außerhalb des Hauses zu finden, bezeigte der Kaiser mehrere Jahre vor und nach dem Tode seiner zweiten Gemahlin der Gräfin Windischgrät die beständigste und ausgezeichnetste Aufmerksamkeit. In einer auserwählten Gesellschaft mit ihr, ihrer Schwester, der Gräfin Esterhazy und einigen wenigen andern Damen und Herren, hatte er sich ge= wöhnt die meisten seiner Abende zuzubringen. Unter den gewöhnlich zugelassenen Personen war Graf Cho= teck, für den, wie man glaubte, die Gräfin eine weit größere Zuneigung als für Joseph fühlte. Da fle aber stets die kaiserliche Majestät mit Merkmalen der Achtung und Vorliebe behandelte, so scheint es, habe er in dieser Beziehung Eifersucht weder gefühlt, noch sehen lassen. Seine Leidenschaft, wenn sie so ei= gentlich genannt werden kann, war ohne Frage nicht von der Beschaffenheit, daß sie Opfer verlangt hätte, die mit der weiblichen Ehre unverträglich gewesen wären. Ob nun die Mäßigung seiner Wünsche oder die Tugend der Gräfin ihre beste Sicherheit gemacht habe, gewiß ist, daß ihr Charakter niemals eine ge= rechte Verdunkelung wegen der Bemühungen des Kaisers zu erdulden hatte. Es war ihnen in ihrem Ver=

hältniß hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich um ihre Unterhaltung und Gesellschaft zu thun. Zufrieden mit diesem Verkehr, trachtete er wahrscheinlich nachh nichts über denselben hinaus und konnte cher als ihr Freund und Gefährte, als als ihr Liebhaber angesehen werden.” ,,Da die Gesundheitsumstände der Gräfin Windischgrät, die von Natur sehr zart waren, so sehr von der strengen Clima Oestreichs gelitten hatten, daß sie mit der Auszehrung bedroht war, wurden die Bäder und die Luft von Pisa ihr empfohlen. Sie reiste daher, von ihrem Gemahl begleitet, dahin ab. Nachdem sie etwa ein Jahr in Italien zugebracht hatte, kam sie nach Wien zurück, anscheinend in voll= kommener Gesundheit und völlig hergestellt.. Die Zuneigung und die Aufmerksamkeiten des Kaisers, weit entfernt davon, daß die Abwesenheit eine Verminderung derselben herbeigeführt hatte, verdoppelten sich im Gegentheil gegen ste. Aber mit dem herrannahenden Winter kamen ihre Leiden, die einige Monate hindurch ausgeblieben waren, mit Heftigkeit wieder, nahmen bald eine gefährliche Gestalt an und es zeigten sich alle Symptome einer ausgesprochenen Lungenkrankheit. In dieser Lage gab ihr Joseph Beweise einer Anhänglichfeit, die, indem sie seinem guten Herzen Ehre machten, hinreichend bezeugten, daß diese Zuneigung sich hauptsächlich auf Eigenschaften bezog, die mit ihrer persön= lichen Schönheit nicht in Verbindung standen; da sie unfähig ward, an öffentlichen Luftbarkeiten Theil zu nehmen, ja sogar in Gesellschaft zu erscheinen, pflegte er fast alle Abende in ihrem Hause zuzubringen. In

den Monaten Februar und März 1777, als ihr Husten sie so abgeschwächt hatte, daß sie nicht mehr sich zu unterhalten im Stande war, sezte Joseph nicht nur seine Besuche fort, sondern las ihr auch mehrere Stunden hinter einander vor, um sie zu unterhalten und zu beleben. Anfang April reiste Joseph nach. Paris, nachdem er in der größten Rührung von der Gräfin, die er überzeugt war, nicht beim Leben wiederzufinden, Abschied genommen hatte: die Nachricht von ihrem Tode, der in Mai erfolgte, traf ihn in Paris. Er war darauf gefaßt und zeigte daher keine außerordentliche Bewegung."

Was auch immer die Beschaffenheit der Zuneigung des Kaisers war, ob dabei mehr Achtung oder Zärtlichkeit war, sein Herz scheint keineswegs, selbst noch bei ihren Lebzeiten, gegen andere Eindrücke verschlossen gewesen zu sein. Noch vor ihrem Tode hatte er eine starke Vorliebe für die Fürstin Carl Liechtenstein gezeigt, die, wenn sie auch nicht die Gräfin Windischgrät in der Neigung des Kaisers ersezte, doch einen sehr ausgezeichneten Plah in dieser Beziehung einnahm. Als die leztere nicht mehr war, trug Joseph alle seine Aufmerksamkeiten auf die Fürstin über und sie dauern gegenwärtig (1779) noch in aller Stärke fort. Sie ist die Tochter des Grafen (späteren Fürsten Johann Aloys) von Dettingen-Spielberg und jest vierunddreißig Jahre alt. 1761 heirathete sle (sechszehnjährig) den Fürsten Carl Liechtenstein (Stifter der jüngeren Carl'schen Linie des Hauses), einen der galantesten, liebenswür

digsten und schönsten Edelleute des kaiserlichen Hofes. Ihre Person ist anmuthig, und obgleich ihre Züge nicht regelmäßig genannt werden können, ist doch ihr Ausdruck bewundernswürdig. Vorzüglich schön ist ihr Mund und über ihre ganze Gestalt ist eine Beschei= denheit, eine Intelligenz und eine Würde ausgegossen, die man selten zusammen bei einer Frau findet. Sie bestßt › außerdem eine weit ausgedehnte Bildung, die Gabe der gefälligsten Conversation und ein Vermögen der Unterhaltung und Mittheilung, das weit über das gewöhnliche bei der großen Menge ihres Geschlechts in Wien hinausgeht."

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,,So sehr sie ohne Frage von der Zuneigung und den Aufmerksamkeiten des ersten gekrönten Haupts in Europa geschmeichelt und eingenommen ist, ist sie doch unveränderlich mit einer solchen Vorsicht und Rückficht für ihre eigene Ehre zu Werke gegangen, daß es ihr, die Reinheit ihres Charakters unbefleckt zu erhalten, gelungen ist. Kein Mensch hier wagt anzunehmen oder noch weniger zu behaupten, daß sie dem Kaiser irgend etwas zugestanden habe, was mit der strengsten Tugend nicht bestehen könne. Sie ist der Gegenstand seiner Neigung und Freundschaft, aber nicht seine Maitreffe. Die, die sie kennen, halten die festeste Ueber= zeugung, daß, selbst wenn die Bemühungen des Kaisers noch so ungestüm wären, doch ihr Gefühl von dem, was sie ihrer Familie und sich selbst schuldig ist, verbunden mit einer religiösen und ernsten Richtung ihres Geistes, fie erhaben über die Verführung machen würde. Aber Joseph's Anhänglichkeit ist nicht Deftreich. IX.

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auf ihre Person, in dem gewöhnlichen Verstand dieses Worts gerichtet, obgleich es schwer sein möchte zu fagen, was für genaue Grenzen seine Mäßigung oder ihre Tugend ihrem Verhältnisse sehen. Sie empfängt ihn selten oder niemals allein, obgleich sie ihn fort= während sowohl in ihrem eignen Hause als in Privatgesellschaft fteht. Selbst im Theater bleibt immer eine Dame in ihrer Loge, wenn der Kaiser sich da befindet. Im Umgang mit der Fürstin Carl Liechtenstein findet Joseph die angenehmste Erholung von den öffentlichen Geschäften und Privatsorgen und diese Vertraulichkeit bildet wahrscheinlich das Hauptband ihrer Verbindung. Sie lehnt auch den geringften politischen Einfluß oder Credit bei ihm ab. Ich habe das selbst von ihr gehört, da ste oftmals in sei= ner Gegenwart als eine Marime, von der kein Souverain jemals sich entfernen sollte, anführte, daß „Fürften nie einer Frau, wenn auch ihre Verdienste und Talente noch so groß wären, erlauben sollten, eine Gewalt über ihre Neigungen zu erlangen, wegen der politischen Folgen, die meist immer aus so einer Leidenschaft sich ergeben."

,,Gegenwärtig bringt der Kaiser gewöhnlich vier Abende in der Woche mit der Fürstin Carl Liechtenstein und einem kleinen, hauptsächlich aus Frauen gebildeten Zirkel zu. Die Damen find, nächst der Fürstin selbst ihre Schwester die Gräfin Ernst Kaunis, ihre Schwägerin die Fürstin Franz Liechtenstein und die beiden Fürstinnen Clary und Kinsky. Marschall Lasch, der fast zwan=

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