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Dienstleute seiner Söhne, der Herzoge von Dester= reich, mochte sie die Ritterwürde zieren oder nicht; weder einen Landenberg als Ritter, noch einen Gesfeler ohne diese Würde."

Daß übrigens kein Albrecht Geßler, so wenig als ein Hermann Geßler, im Jahre 1307 Vogt zu Uri war, noch auch ein Jahrhundert nach obigem Datum ein Geßler sich von Brunegg nannte, weiß bei uns jeder Dorfschulmeister, welcher sich nur Etwas in der neuern ge= schichtlichen Literatur umgesehen hat.

Es ist überhaupt ein bedeutender Fortschritt historischen Bewußtseins seit zwanzig Jahren in unserem Vaterlande nicht zu verkennen; wenn auch einzelne heterogene Leute zurückgeblieben, so dürfen wir mit Göthe sagen: „Es muß auch solche Käuze geben."

In unsern Tagen blickt Deutschland mit Bewunderung auf das glückliche Ländchen zwischen Rhone und Rhein, das in Mitte hoher Wogen der Politik im Süden, drohender Grundwellen im Westen, und der Gährungen im Nord und Often, die ruhmvolle Erbschaft seiner Vorfahren in stillem Frieden zu genießen das Glück hat, gerade heute von Frankfurt aus.

Wenn, wie in allen menschlichen Dingen, auch bei uns Wünsche unerfüllt bleiben, so hat doch des kleinen Völkleins altschweizerische Einmuth vor wenig Jahren die Drohungen einer Großmacht in Wind aufgelöst und sich durch seine Haltung der Nachbarn Achtung erhalten. Der innere Friede kam nur durch Erkenntniß und Bewahrung der Tugenden der Vorfahren zu Stande, eben so durch Schonung historischer Verhältnisse. Es hat bei

uns die Geschichte goldene Früchte gebracht, ihre Reflere haben die Herzen erwärmt mit Bruderliebe, zur Versöhnung gestimmt, die zürnenden Städte erinnert, daß die Grundsteine unseres politischen Baues auf der Tellenplatte, zu Morgarten und Sempach gebrochen wurden.

Diese Betrachtung muß jeden freien Mannes Brust zur Hochachtung für den Spiegel der Vorzeit stimmen und die Enkel begeistern zur Fortseßung gründlicher Forschungen der werdenden Eidgenossenschaft der Centralalpen.

Nicht plöglich, wie ein goldener Regen, fiel die schweizerische Freiheit vom Himmel, sie hatte ihre Entwickelungszeit schon im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte, an des legtern Ende erst die frühern ghibellinischen Verkommnisse aus mündlichen Vereinbarungen sich den 1. August 1291 zu einem geschriebenen und besiegelten ewigen Bunde der drei Waldstätte zu kristallisiren vermochten, welcher den Kern aller unserer staatlichen Vereinigung bildet. Ob der erste mündliche Bund (Kopp König Albrecht 258, 7) nicht eher 1226 als 1206, wie Tschudi annahm, im Grütli beschworen wurde, überlasse ich dem Leser dieser Abhandlung zu entscheiden.

Mit allem Rechte tragen die Enkel der Urschweizer, die Biderben in Uri, Schwyz und Unterwalden, die ältesten Erinnerungen an ihre Ahnen, selbst bloße Traditionen, als Kleinodien auf ihren tapfern Herzen. Wie kostbaren Edelsteinen entströmt diesen alten Sagen ein Feuer edler Art.

Wenn auch in trüben Tagen der Unwissenheit ungeschickte Hände ohne Kenntniß der Vorzeit die alten Edel

steine der Sage mit Schnörkeleien der Zopfzeit so überdeckten, daß das ächte Juwel kaum sichtbar blieb, so hat unsere Zeit des wahren Fortschrittes in historischer Kunst die alten Kleinodien zu prüfen, wenn solche als ächt erfunden werden, von den Entstellungen zu befreien und zu reinigen und ihnen, so viel möglich, ihre ursprüngliche, einfache alte Fassung wiederzugeben *).

Einen solchen Versuch wagte ich mit der Tellsage, welche, in ihre rechte Zeit zurückgeführt, keineswegs unhistorisch, sondern eine ihren Tagen ganz natürlich anpassende Begebenheit erscheint. Die erste Kundgebung meiner Ansicht über eine andere Zeit für die Tellsage, welche ich mir zu Macerata, ferne den Geschichtsquellen unserer Heimat, in dem ersten Neujahrsblatte der Urschweiz zu äußern erlaubte, fand, vorab bei kritischen Kennern der Geschichte, allgemein Anklang.

So sprach Dr. A. Huber in seiner Schrift: „Die Waltstätte und geschichtliche Bedeutung des Wilhelm Tell" darüber Seite 21 und 122, 3.

Dr. Karl Heinrich Freiherr Roth von Schrekenstein's Geschichte der freien Reichsritter I, 339 sagt: „Wir können es nur billigen, wenn Dr. v. Liebenau die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit der (Tell-) Sage 1212 bis 1231 nahe zu legen sucht."

Unser Schöpfer der neuern Schweizergeschichtsforschung,

*) Selbst die Tradition, daß die drei Länder feit uralten Zeiten unmittelbar an das Reich gehört haben, hat so weit etwas Wahres in fich, als sie als Wildniß Regal waren und ursprünglich Reichslehen bildeten, wie wir zu Grindelwald dies 1302 noch urkundlich sehen. Kopp G. III, 11, 277.

die nun als Reichsgeschichte behandelt, in dem von ihm gewählten Zeitraume, in einem bände- und inhaltsreichen Werke von König Rudolf bis zum Tode König Friedrichys des Schönen vollendet vor uns liegt, äußerte sich kurz nachdem ich meine Ansicht veröffentlicht, im zweiten Bande der von ihm herausgegebenen Geschichtsblätter Seite 334:,,Gab es, wie schon in den Urkunden II, 25 gezeigt wurde, ein Twing Uri *) „unter Stege“ im historischen, nicht aber in Tschudi's Sinne, so muß es unter dem alten Grafen Rudolf von Habsburg Statt gefunden haben, in dessen Besiße sich das Thal Uri bis zum 26. Mai 1231 befand."

"Hinter dieses Datum will nun auch die neueste Schrift eines andern Forschers wohl schon darum, weil die Zeit von der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts an urkundlich genug erhellt ist, um keinerlei Sagen darin unterbringen zu können, die Geschichte von W. Tell verseßen; weder darüber, noch ob das einsame Gemäuer auf dem kleinen Lauerz-Inselchen neben Lenzburg genannt werden dürfe, wollen wir mit ihm rechten. Immerhin müßten, wenn man die Tellsage in das erste Viertel des dreizehnten Jahrhunderts versehen will, für diese neue Ausschmückungen gesucht werden; wer verbürgt z. B., daß damals bereits die Burg Küssenach am Lucerner See gestanden und daß sich nach ihr ein Ritterhaus genannt

*) Die Stelle zur Erbauung seiner Burg in Uri wählte Graf Rudolf von Habsburg wahrscheinlich außer dem immunen Gebiete der Abtei, weil er laut Reichsgeseß König Friedrich's II. vom Jahre 1220 in dem Lande einer geistlichen Fürstin weder für sich noch für das Reich Zoll erheben durfte.

habe? In jedem Falle fehlt dann der Zusammenhang Tell's mit dem Zerwürfnisse zwischen Oesterreich (nicht aber Habsburg) und den Waldstätten, und das ist die Hauptsache."

Man sieht, der Altmeister sieht schon damals, im Jahre 1856, ein, daß gegen eine Tellsage unter Graf Rudolf dem Aelteren von Habsburg vor 1231 keine historischen Bedenken walten; er hängt aber noch die Burg Küßnach an die Tellsage, obwohl das habsburg-öfterreichische Urbarbuch wohl das Amt Urseron und den Hof Gersowe, keineswegs aber die Vogtei zu Küßnach als Besigung der Herrschaft aufführt.

Daß Hr. Prof. Kopp in s. G. III, 1, 261, 2 seinen Zweifel über „Tell und Vögte“ nun wieder bringt, kann sich nur auf die Annahme Tell's zum eingehenden vierzehnten Jahrhunderte, nimmer auf Tell in dem Anfange des dreizehnten beziehen; denn damals fehlte zu Urí und Schwyz, um so mehr zu Unterwalden der Landammann, welcher der Vogtei Stellvertreter geworden. Wenn auch nicht die landgräfliche Justiz, so hatte der Vogt zu Uri Schwyz und Unterwalden für den ferne wohnenden, oft Jahre lang abwesenden Herrn die Gefälle, Zölle, Zinsen, Steuern der Grafschafts- und Grundrechte damals zu beziehen.

Das beginnende dreizehnte Jahrhundert ist das Zeitalter gewaltthätiger Vögte *), bei uns wie überall

*) Unter vielen nur ein Beispiel aus Sol. Wochenbl. 1828, 502. „Dom. Chono mil. de Phatt per man. nobilis Ducis Berchtoldi pro ablatis XXV bobus ac II equis et pro damno universo“ im Jahre 1216.

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