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§. 1308. Wenn ich das Sonnenspectrum durch einen Stab befühlen ließ, der quer durch dasselbe durchging und auf den somit alle Farben der Reihe nach zu gleicher Zeit fielen, hoffte ich die Wirkung des freien Sonnenlichtes als Resultante aller farbigen und farblosen Odstrahlen wieder zu bekommen. In dieser Erwartung ward ich aber getäuscht. Hr. Fichtner (118) fand an beiden Händen die Stäbe mehr und minder kühl, wenn er damit von oben durch Veilblau und Blau nach Roth fortging, so daß seine Hände zunächst bei Violet sich befanden; mehr oder minder warm aber, wenn mit seinen Händen die Stäbe von unten auf durch Roth nach Blau geführt wurden. Derselbe Versuch mit Frl. Beyer (90) lieferte die nämlichen Ergebnisse. Es herrschte in der Empfindung also jedesmal diejenige odische Temperatur vor, welche der den Händen nächstliegenden Farbe entsprach, kühl oben von Blau, warm unten von Roth.

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§. 1309. Von den Frl. Reichel, Nowotny, Sturmann und Maix hatte ich, wenn ich sie auf verschiedene Weise den Sonnenschein prüfen ließ, oftmals gehört, daß sie neben der Kühle oder Läue häufig noch die entgegengesetzten Empfindungen, sowie im Angenehmen auch seine Züge von Widrigfeiten mit unterlaufen, sich mit hineinschleichen fühlten. Frl. Nather (65) erkannte dieß mit besonderer Deutlichkeit an mehrern ellenlangen Drähten, deren eines Ende in ihrer Hand war, das andere in den Sonnenschein gerückt wurde. Erst empfand sie reines Kühl; nach einigen Sekunden Intervall kam Lau nach; sie gewahrte nun beide Empfindungen fortdauernd neben einander und sie wogten in ihrem Gefühle; als ob sie einander wechselsweise verdrängen wollten. Aehnliches kam bei manchen Gelegenheiten vor. Ich verstand das damals noch nicht zu deuten, wie jezt, wo ich herausgefunden, wie jeder Farbe im Sonnenlichte eine eigene Reaction aufs Gefühl entspricht. Nachdem nun auch Frl. Azmannsdorfer (137) dieß kennen gelernt, ließ ich sie eigene Versuche hierauf richten, indem ich sie Glas- und Metallstäbe in den freien Sonnenstrahl halten und abwechslungsweise in den Schatten zurückziehen ließ. In der That, sie wußte längst, daß das Sonnenlicht ihr ein Gemenge von angenehmen und widrigen Empfindungen erzeuge; jeßt aber, ausgerüstet mit der nähern Kenntniß der Wirksamkeit der einzelnen Farben, versicherte sie ganz deutlich, dieselben an ihnen unterscheiden zu können und ganz genau das Warm der unteren Farben aus dem Kühl der oberen, die Widrigkeiten des Grün u. s. w. im Gemenge einzeln herauszufühlen. Sie war dabei ganz erfreut über die Klarheit, mit der sie nun über diese Erscheinungen fich Rechenschaft geben konnte. Ueber die Vertheilung befragt, welche diese verschiedenen Empfindungen möglichen Falls im Körper haben könnten, da es möglich und wahrscheinlich war, daß einzelne Sensationen auf bestimmte Organe vorzugsweise oder doch stärker reagiren konnten, gab Frl. Azmannsdorfer (138) an, daß fie die Wirkung der odpofitiven Wärme

vorzugsweise oben im Kopfe, im Nacken und den halben Rückgrat hinab, dann vorwärts über den Leib und sofort die Knie hinab fühle; daß sie dagegen die Kühle mehr im Gesichte, vorn über den Hals, die Brust hinab bis zum Herz, dann die Arme und Hände, sofort unten die Füße hinab bis zu den Zehen empfinde. Die dem Kopf zugehende Positivität verläuft sonach durch die Medulla nach den Intercostalen; die Negativität macht sich geltend durch den Trigeminus, die Armnervengeflechte und den Ischiadicus. Frl. Jos. Geraldini (166) fügte hier noch die Bemerkung hinzu, daß, wenn sie den Holzstab mit der linken Hand in das blaue Licht des Sonnenspectrums führe, sie auf der rechten Schläfe Kopforücken bekomme; wenn sie aber mit der rechten Hand den Stab in das rothe Licht bringe, so erhalte sie denselben Schmerz in der linken Schläfe. Hier ist der Einfluß der Kreuzungen in der Medulla klar ausgesprochen und die odische Fortleitung durch sie außer Zweifel gesett. Nähere und vervielfältigte Versuche müssen hier zu schätzenswerthen Aufschlüssen von praktischer Bedeutung führen.

§. 1310. Bei allen diesen Prüfungen des Spectrums darf man das Material, das man anwendet und den Stoff, auf den man das Spectrum fallen läßt, nicht ganz aus dem Auge verlieren. Ein Kaliglas, ein Bleiglas, ein Borarglas, ein Terpentinölprisma werden immer Spectern von einiger odischer Abweichung liefern, denn die odische Radiation dieser Stoffe selbst mengt sich hinein und beugt die Ergebnisse in ihrem Sinne um Einiges, wie ich dieß bei Frl. Aßmannsdorfer (9) unverkennbar erprobte. In höherem Grade findet dieß noch statt, bei reflektirten Spectern, je nachdem sie von einfachem Glase, von Spiegel mit Quecksilberbelegung oder von Metallspiegeln zurückgeworfen werden. Ia selbst das Material, auf welches sie projicirt werden, muß man in Betracht ziehen. Ein Schild wird sogleich von allen Farben geladen. Den Unterschied, ob die Farben mit dem Stabe in der Luft, frei von allen Gegenständen, aufgefangen werden, oder ob der Stab an eine Wand nahe gebracht oder gar an sie angelegt werde, empfand Frl. Krüger (34) sehr deutlich, da sie einem Kasten zu nahe kam und dann unerwartet kühle Ergebnisse empfing, die nicht brauchbar waren. So wie sie sich mit ihrem Fühlstabe davon entfernte, war Alles gleich wieder in der gefeßlichen Ordnung.

§. 1311. Die Frl. Beyer (351) beklagte sich, daß der Sonnenschein sie häufig schläfrig mache, und daß sie besonders im Frühjahre, wenn sie in etwas kühlen Sonnenschein gerathe, sich des Einschlafens oft kaum erwehren könne. Wir haben schon oben gesehen, wie Frl. Azmannsdorfer öfters auf meinen Feldern am hellen Tage eingeschlafen. Auch mit Frau Kienesberger, während sie bei mir wohnte, war es einmal so gegangen, die im Walde am Sonnenschein einschlief. Hr. Sartorius (7) erfuhr immer einschläfernde Wirkung von ihm. Mehr noch als der Sonnenschein aber thaten

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die einzelnen Farben desselben solche Wirkung; die Frl. Beyer (495) wurde, wenn sie einige Zeit einen Stab in die blaue oder veilblaue Zone des Spectrums hielt, so von Schläfrigkeit ergriffen, daß sie sich deren kaum zu erwehren vermochte. Hielt sie dagegen den Stab in die rothe Zone, so verscheuchte dieß sogleich allen Schlaf, erweckte und ermunterte sie, reizte sie völlig auf. Das negative Blau wirkte wie ein Fortstrich über ihren Leib herab, das positive Roth genau wie ein Rückstrich und trieb nach dem Kopfe zu.

§. 1312. Fassen wir das über die Iris entwickelte hier schlußzweise zusammen, so haben wir: die Odstrahlen, die mit den Sonnenstrahlen zu uns kommen, gehen durch durchsichtige Körper hindurch; erleiden Brechung darin und treten mit dem Farbenspectrum auf, in ähnlicher Weise, wie Wärmestrahlen und chemische Strahlen dieß thun. Ihre Brechbarkeit ist ungleich und es findet im Spectrum eine Trennung positiver und negativer Odstrahlen statt. Sie sind in der blauen Hälfte des Spectrums odnegativ, in. der gelben Hälfte odpositiv und ragen auf beiden Seiten weit über das Farbenbild hinaus.

d) Die Farben.

§. 1313. Die heftigen Wirkungen, welche die Farben im Spectrum des Sonnenstrahls auf sensitive Personen hatten, führten mich darauf zu prüfen, ob nicht die Farben auch im zerstreuten Tageslichte von einigem Einflusse auf sie seyn möchten, vielleicht von so geringem, daß er bisher nicht beachtet worden, aber durch eigens darauf gerichtete Versuche doch möglichen Falls zur Deutlichkeit erhoben werden könnte.

§. 1314. 3ch erinnerte mich, oft in meinem Leben von den verschie densten Leuten gehört zu haben, daß sie einen ausgesprochenen Abscheu gegen Alles hatten, was gelb war. Ich konnte dem niemals einigen Sinn abgewinnen; ein schönes reines Gelb war mir stets sehr angenehm; ich für meinen Theil empfand fast eine Art von Vorliebe für lichte Tinten in Gelb; es ist die lebendigste von allen Farben und stärkeres Gelb, wie Gold, wird von den Malern als Rahmen zu Gemälden den andern Farben vorgezogen und verträgt sich vortrefflich mit einer jeden. Was sollte also dieser fast systematische Abscheu gegen Gelb heißen, auf den man nicht eben selten in der Gesellschaft stößt? es schien mir nichts anderes, als eine Einbildung, wo nicht ein kleines übelgezogenes Vorurtheil zu Grunde zu liegen, und wenn Jemand sagte, daß er Gelb nicht leiden möge, so sank meine Achtung für seine Wohlgezogenheit.

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§. 1315. Ich wollte der Frl. Nowotny (35) einiges Vergnügen mit einer Kleinigkeit von Seidenstoff bereiten, und erkundigte mich nach den

v. Reichenbach, der sensitive Mensch. 1.

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Farben, die ihr angenehm sehen. Blau, nur blau, und nichts anderes liebe sie, vernahm ich. Nun fiel mir bei, daß es Leute gebe, die eine so starke Abneigung gegen Gelb haben, Blau und Gelb aber als Complementärfarben in einer physischen Beziehung zu einander stünden. Ich erkundigte mich sofert weiter, wie sich das Mädchen denn zu Gelb verhalte? ich vernahm, daß sie einen wahren Haß gegen alles hege, was nur irgend gelb sey. Die Frl. Nowotny kannte ich aber als ein sehr ruhiges, besonnenes, wohlgeordnetes Mädchen ohne alle anstößige Eigenheiten.

§. 1316. Ich faßte nun den Faden auf und fragte weiter nach bei Frau Kienesberger (215), Frau Josephine Fenzl (8), Baronin von Natorp (52), Frl. Dorfer (83), Nather (101), Zinkel (87), den Herren Delhez (1), Hütter (21), Kotschy (53.76), Hochstetter (13) überall stieß ich auf die nämliche Erklärung: blau vor allem beliebt, gelb vor allem verhaßt. Einige schwankten zwischen gelb und roth; brandgelb war aber vorzugsweise der Gegenstand allgemeinen Abscheues. Wenn ich dann die Frage so stellte: zwischen zwei Zimmern gebe ich Euch die Wahl und Ihr müßt gefangen siten Jahr und Tag in einem gelb oder in einem roth ausgemalten Zimmer, welches werdet Ihr wählen? dann war die Antwort immer: eher das rothe als das gelbe. Ich sette meine Nachfragen weiter fort. Die Frauen Baronin von Augustin und von Tessedik (33), Frau von Vivenot (2), von Peichich (5), Frau Sylvia von Baraty (30), Fräulein Sophie Pauer (50), Glaser (19), dann zwei Herren aus den allerhöchsten Ständen ("), die ich zu nennen Bedenken trage, ferner die Herren Dr. Diefing (23), Elger (15), Bollmann (62), Professor Dr. Huß (a1), Preinreich (7), Kollar (16), Prof. Ragsky (19), Superintendent Pauer (19), Dr. Mielichhofer (21), Kratochwila (1), Fichtner (19), Prof. Rösner (12), Dr. Köller (25), Sturm (2), Dr. Eccard (2), Dr. Nied (42), Mauch (36), Dr. Pfretschner (25) waren alle einstimmig im Lobe der blauen und im mehr oder minder großen Abscheu gegen die gelbe Farbe. Endlich schloß sich daran eine Gruppe mehr neuerlich geprüfter Sensitiver, namentlich die Grafen Ernst und Karl von Coronini (), Hr. Eduard von Vivenot (6), Ritter von Perger (3. 40), Professor Unger (49), Alexander Baumann (24), Ritter L. ven Neuwall (21), von Siemianovski (27), der schweizerische Gesandte Hr. Steiger (37), Klein ("), Dr. Mannross (6), Ritter von Sidorowicz (27), von Offenheim (36), Hr. Ingenieurmajor Philippi ("), Dr. Tillich (2), Schuler (40), Med. Dr. Löw (55), Dr. Natterer (32), Prof. Schrötter (1), Enter ("), Weiner (2), Sartorius (70), Müller (46), Dr. Machold (*), Leopolder (*1), Ranftl (5), Schiller (122), Dr. Fröhlich (36), Prof. Schabus (15), Czabek (12), die Frauen von Littrow (35), von Rivo (7), von Offenheim (16), Preinreich (56), Hek (6), Kowats (7), Müller (25), Heintl ("), Tschik (25) und Ebermann (5), Frau von Neuwall (1), Freifräulein Caroline von Oberländer (7), Fräulein Poppe (7), Fräulein Armida () und Josephine Geraldini, Karhan (7.24), Kath. Rupp ("), Schwarz (26), Caroline Ebermann (9), Frl.

von Unchrechtsberg ("), Martha Leopolder (1), Reichel (22), Bernazke (40), Fleischer (*), Zinkel-Baier (56), · von 83 Sensitiven überall nur Eine Stimme der ganz entschiedenen Vorliebe für alles Blaue und eines ebenso laut ausgesprochenen Widerwillens gegen alles Gelbe. Viele andere habe ich nicht befragt. Hierin machen höhere und niedere Sensitive in solchem Einklange Chorus, daß es in der That ans Unbegreifliche gränzt, wie ein solches ge= meinsames Band nicht längst als das Merkmal tieferen Zusammenhanges unter solchen Menschen wahrgenommen und herausgefunden worden seyn konnte. Es geht dieß in manchen Fällen so weit, daß gelbblühende Felder, 3. B. Repsfelder ein Gegenstand des Abscheues für Sensitive sind; feuchte, fette Wiesen in Thälern, an Flüssen hin gelegen, sind im Frühling öfters ganz hochgelb von tausenden blühenden Hahnensußes (Ranunc. acris); davon erzählten mir Frl. Zinkel (1452), Bernazke ("), Zinkel-Baier (57), Ritter von Siemianovski (29), Herr von Offenheim (37), Weiner (29), Klein (119), Frau von Littrow (36), Jos. Schwarz (29), Hr. Schiller ("), daß sie, wo sie in ihre Nähe gerathen, den Blick davon abwenden müssen. Erstere weiß dieß schon seit ihrer Kindheit; sie ging täglich zur Schule an einer solchen Wiese vorbei; wenn sie im Blühen war, und sie wagte es, den Blick darauf auch nur furz weilen zu lassen, so wurde Brechreiz bei ihr rege und drehte ihr übel zu werden; ja von einem gelbreifen Getreidefelde muß sie (1453) den Blick abwenden. Herr Klein (1) kam in ein Zimmer zu wohnen, das man ihm gelb ausgemalt hatte; er war nicht im Stande darin zu wohnen und mußte es sich blau übermalen lassen. Frl. Karhan (24) bekam ein schönes gelbes Trinkglas zu Geschenke, das sie dem Geber zuliebe in täglichem Gebrauche zu halten wünschte. Sie war aber nicht im Stande, dieß fortzusehen, und zwar bloß darum, weil seine gelbe Farbe es ihr allzu unleidlich machte. Ich hatte einmal die Frl. Zinkel (1668) bei mir im Wagen, als ich durch ein Dorf mit vielen weiß angestrichenen Häusern fuhr. In diesem Augenblicke ging die Sonne mit so gelbem Scheine hinter uns unter, daß die Häuser alle wie grellgelb bemalt aussahen. Der Anblick war schön und machte mir Vergnügen, meine Gefährtin aber sah ich die Hand vor die Augen halten. Der gelbe Schein hatte so stark auf sie gewirkt, daß sie sich in Gefahr fühlte, sich erbrechen zu müssen, und um dieß abzuwehren, verdeckte sie sich die Augen. Ich habe auch die Frage umgekehrt und andere Personen, die ich über die mögliche Sensitivität ihres Naturelles nicht geradezu befragen mochte, auf das Gespräche des Geschmackes in Farben gelenkt; so wie ich dabei auf Vorliebe für Blau gerieth, stieß ich unmittelbar auf Abneigung gegen Gelb. Und wenn ich dieser Merkmale habhaft war, so war ich dann auch allemal gewiß, daß ich eine sensitive Person vor mir hatte. Die blane Fahne ist das Feldzeichen der Sensitivität. Wenn ich ein Frauenzimmer sehe, die gelbe Bänder, gelbes Umhängtuch, gelbes Kleid trägt, so kann ich

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