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Stauffen rittermäßig gewordenes Geschlecht, das, wie Rumppelherr und Schümel, seinen Kriegsnamen Kesseler trägt, dessen Angehöriger Ulrich Keßler, von Uri stammend, in Schwyz vor Werner (genannt) Weibel und Heinrich von Ibach, den Mitmandataren für Schwyz, auftritt.

Konnte sich in Unterwalden der Name des Vogtes auf Roßberg, als eines von Wolfenschießen, in der Sage bis zur Zeit der ersten chronikalen Aufzeichnung in's Ende des fünfzehnten Jahrhunderts erhalten, so mochte auch in Uri der Name des Vogtes vor 1231 sich im Volksmunde lange richtig als Kesseler førterben, bis später eine Verwechselung in Geßler stattfand.

Die Sage meldet, dieser habsburgische Vogt habe dem Stauffacher in Steinen verboten, ein Haus zu bauen. Wohnungen nach damaliger Sitte der Landleute in Holz aufzuführen, durfte natürlicherweise Niemand wehren; aber der Stauffacher war ein Her, d. i. eines Ritters Sohn, oder selbst ein Ritter, der nach der Sitte damaliger Zeit sich einen festen Bau, d. i. eine kleine Burg angelegt hatte *), und dazu bedurfte er allerdings der Erlaubniß des Grafen, wenn das Haus auf dessen Vogtei stand. Daß die Stauffacher ein ritterliches Geschlecht waren, zeigt schon das Faktum, daß Wernher von Stauffach 1241 Abt zu Engelberg geworden, so auch daß 1291 Rudolf von Stauffach im Bunde mit Zürich Her genannt wird. Auch der bei Schwyz wohnende

*) Das jezige Landesarchiv in Schwyz, abgebildet bei Faßbind als kleine Burg, ist eine Baute der Art.

„Her Wernher“, der jährlich 11 Käse nach Einsiedeln gab, wie dessen Urbar, abgefaßt um 1226 (Geschfrnd. XIX), meldet, dürfte ein Stauffacher sein.

Ruß erzählt, wie wir auf Seite 8 gesehen, der Vogt habe den Tell „gon swig in das schloss im See“ führen wollen; diese feste Herrenburg bei Lowerts, die ein Lenzburger erbaut haben mag, war also, der ältern Fassung der Tellsage nach, die Wohnung des Vogtes über Uri und Schwyz. Wir glauben eine gleichzeitige und daher um so glaubwürdigere Bestätigung dieser Angabe in dem bereits angeführten Einsiedler Urbar zu finden, in welchem uns mehrere bekannte geschichtliche Männer vorkommen.

Nicht blos dieser im ersten Viertheile des dreizehnten Jahrhunderts urkundlich erscheinenden Personen halber, sondern auch der Schrift und Ausdrucksweise zufolge, möchte ich diese unserm verdienstvollen P. Gall Morel zu verdankende neueste Geschichtsquelle aus der Urschweiz bald nach dem Einsiedler Klosterbrande des Jahres 1226 entstanden erachten *).

Dieser Steuerrottel ist in Beziehung auf das Ländchen Schwyz so geordnet, daß ihn ein von Einsiedeln kommender Einsammler benügen konnte. Er beginnt in Steinen auf dem herrschaftlichen Schweighofe bei dem Aufseher der Heerden armentarius; sofort geht er von da auf den Herrenhof curia, wo ihm Her Ulrich zwei süße und einen gewöhnlichen Käs gab. Daß ein Einsammler zuerst auf der Burg beim Hern, Vogte, zu

*) Jedenfalls erinnerte ein Brand an die Nothwendigkeit mehrerer Abschriften eines Rottels.

sprach, ist um so natürlicher, als im ganzen Ländchen Schwyz kein zweiter Herrenhof sich befand. Wir glauben daraus entnehmen zu müssen, der im Einsiedler Urbar genannte Her Ulrich sei kein Anderer, als der habsburgische Vogt zu Schwyz - Ulrich Kesseler. Her wird damals nur ein Vogt, ein Ritter oder dessen Sohn genannt, kein freier Landsafse, wie z. B. Ulrich von Kerns. Beil. 3.

Die Annahme, daß der vom Jahre 1217 uns bekannte Ulrich Kesseler oder dessen Sohn bis über das Jahr 1226 hinaus als habsburgischer Vogt auf der Burg Schwyz (Lowerts) gewaltet habe, beweiset allerdings nicht, daß im Jahre 1230, als Graf Rudolf der Aeltere von Habsburg einen Vogt über Uri und Schwyz wirthschaften ließ, der frühere Vogt in Schwyz als Untervogt über beide Länder herrschte. Die spätern Ueberlieferungen, welche einen Geßler als Vogt in Uri und Schwyz nennen, schließen die Möglichkeit einer Verwechselung dieses Namens um so weniger aus, als die Kesseler im vierzehnten Jahrhundert schon ganz verschollen find *), die Geßler aber erst als Vögte zu Mayenberg, später zu Grüningen u. s. w. aufkommen. Auf dem Hofe zu Lowerts saß, laut dem Urbar, ein Vatersbruder dieses Hern Ulrich in der Burg, und des Lehentragers im Schweighofe zu Steinen **). Daraus ist unumstößlich erwiesen, daß die Kesseler im Thale zu Schwyz an herrschaftlichen

*) Keßler kommen am Hofe in Rußland und Portugal vor. „Patruus eorum in loewinun" folgt unmittelbar nach „dominus Vlricus in curia" und dem „armentarius" in Steinen, kann fich also nur auf diese Beiden beziehen.

Lehen mächtiger geworden, als es andern Schwyzern, besonders der Familie von Stauffach, lieb sein mochte.

Daß man den Vogt aus dem Thale nahm, erforderte des Einwohners Kenntniß der Sitten und Gebräuche des Thals. Keine Familie eignete sich für die Untervogtei über Uri und Schwyz besser, als die der in Uri und Schwyz so reich begüterten Kesseler. Ob nun Her Ulrich der Kesseler oder einer seiner Söhne oder Verwandten Heinrich 1230 den Tell zum Apfelschusse zwang, wer kann dies errathen?

Die That paßt ganz in diese Zeit, die sich, wie die Ermordung König Philipp's durch Otto von Wittelsbach, der Brudermord Graf Friedrich's I. von Toggenburg 1226 *) und die Verfolgungen der Grafen Wernher und Hartmann von Kyburg gegen wehrlose Chorherren **) beweisen, auch bei uns durch Rohheiten auszeichnete, jenseits der Alpen aber, wo unsere jungen Hern sich auszubilden pflegten, nur Mord, Brand, Raub und Schrecken ***) zeigte. In Italien, vorab diesseits des

*) Vögeli in den Mittheil. d. antiq. Gesellsch. in Zürich XIV, 2. Heft. Rüthi.

**) Kaiser Friedrich's Bannbrief (Herrg. G. H. II, 129) fagt: „Dietricus prepositus monstravit, qualiter W. et H. comites de Kyburg, eidem ecclesie damna enormia irrogantes, eum et alios canonicos suos de gremio turpiter ejecerint, quod nec ipse nec alius canonicorum suorum, sex jam annis elapsis, ad serviendum Deo ibidem audeat aparere.“

***) „Omnia cedibus, rapinis, incendiis et terrore plena." Ricciard. vita 128. Niemand konnte dieser Verwirrung Schranken seßen, als ein ungelehrter Mönch Johann Schio, dessen Beredtsamkeit die wilde Fluth der Partheiung bändigte, doch nur auf kurze Zeit, wie immer in Italien.

Po, war die Kirche so machtlos als der Kaiser; in Deutschland blieb König Heinrich lange ein Knabe. „Es waren böse Zeiten für Deutschland: der König verließ nach allen Richtungen den Boden des Rechts, das ganze Land gährte durch Unruhen, welche die blutige Kezerwuth der neuen Orden und die gleich blutige Reaction dagegen veranlaßt hatte," sagt E. Winkelmann über Heinrich VII. p. 931 der Forschungen zur deutsch. Gesch. I, 1. 1860.

Wenn große Herren sich solche Thaten erlaubten, was konnte man von einem Untervogte erwarten, der als Kriegsknecht etwa im Welschlande sich ausgebildet hatte? Ganz eigener Art wurden dazumal die Vogteien ange= sehen und unter deren Mantel begangene Verbrechen behandelt. Kaiser Friedrich II., ein Rechtsgelehrter, entfernte die Kyburger keineswegs von ihrer Vogtei Beromünster; er zwang sie blos durch die Reichsacht zu einer Entgeltung. Die stürmischen Auftritte in Uri gegen die gräfliche Vogtei wußten die Räthe König Heinrich's nicht besser zu beschwichtigen, als durch einen Loskauf der Reichsvogtei in Uri zu Handen des stauffischen Kaiserhauses.

Daß diese durch Tell's kühne That in Uri angefachte Bewegung auch in das nachbarliche Ländchen Schwyz fich ausbreitete, lag in der Natur der Verhältnisse, denn alle Fehden des Mittelalters tragen einen persönlichen Charakter. Ruß erzählt nach dem Tode des Vogts: „Tell habe sich in die Länder (Uri und Schwyz) be= geben, um seine Klagen zu erneuern.“

Im Archive zu Schwyz sind, laut gefälligen Mittheilungen Herrn Kothing's, keine historischen Weisthü

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