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CAMPATILLE.

In der Gudrun wird einmal (St. 235) Hetels Burg Campatille genannt. Ettmüller gedenkt dabei (Gûdrûnlieder IX.) an Campodunum und an die ПTaquaxáμnot des Ptolemäus und hält es für keltisch;,,auch tille scheint keltisch, vgl. Carduel, Carduil." - Müllenhoff bemerkt, der Name Campatille sei ganz welschfranzösisch und erinnere an Campodunum; seiner Endung nach an Carduil. Die echte Sage kann Hetels Burg nicht so genannt haben, wohl aber ein halbgelehrter Dichter (Kudrun S. 78). San-Marte glaubt, das Wort habe eine nicht geographische Bedeutung, und Ploennies (S. 312) berichtet einfach die Ansichten der Genannten. Mit Recht haben Ettmüller und Müllenhoff auf das verwandte Campodunum verwiesen. In Südtirol gibt es aber auch mehrere Ortsnamen, die mit Campatille und Campodunum entschiedene Verwandtschaft zeigen, z. B. Campenn bei Bozen (Stafflers Tirol 2, 891), Kampil bei Bozen (ebd.) und Kampill in Enneberg (ebd. 2, 291). Kampill lautet dem Campatille noch ähnlicher als Campodunum; es klingt wie eine Kürzung von Campatille. Aber nicht genug! Tirol weist uns einen noch ähnlicher klingenden Namen auf. In der Gemeinde Abtei in Enneberg führt ein Gehöfde den Namen Kampidell (Staffler 2, 298), in Fassa heißt eine Ortschaft Campidello (Webers Tirol 3, 31), eine Gemeinde auf dem höchsten Rücken des Jenesierberges heißt Kampedell (Staffler 2, 943) oder Kampidell (Webers Bozen S. 293). Aus diesen Benennungen klingt uns geradezu das Campatille der Gudrun entgegen. Es ist somit ein Ortsname, der bis auf den heutigen Tag sich gerade in jenem Lande fortgeerbt hat, aus dem die einzige Handschrift der Gudrun stammt. Ja noch mehr; das letztgenannte Kampidell liegt wenige Stunden von dem Flusse, nach dem das Heldenbuch an der Etsch genannt wurde, und in dessen Thal die Abschrift davon genommen wurde (Erek S. IV.). Kampatille braucht desshalb nicht einem halbgelehrten Dichter zugeschrieben zu werden, er rührt entweder vom Schreiber des Heldenbuches an der Etsch oder dem des Ambraser Codex her. Anstatt des ihm unbekannten Matelâne schrieb er den ihm geläufigen Ortsnamen Campatille.

I. V. ZINGERLE.

ÜBER JOHANNES ROTHE.

VON

FEDOR BECH.

Daß der in diesen Blättern öfter genannte Johannes Rothe aus Kreuzburg in Düringen es liebte, in den gereimten Vorreden zu seinen Schriften mit Akrostichen zu spielen, theils um seinen Namen auf einem sichern Wege der Nachwelt zu überliefern und seine Autorschaft sich zu wahren, theils um Denen, welchen er seine Werke widmete, sich angenehm zu machen, ist bekannt. Gleichwohl ist seit langer Zeit gerade dasjenige Akrostichon, welches über Rothes Person und Lebensstellung die wichtigsten und sichersten Aufschlüsse zu geben geeignet war, das nämlich, welches derselbe in seiner Düringer Landeschronik in die Anfangsbuchstaben der aufeinanderfolgenden Capitel gelegt hat, fast so gut wie unbekannt geblieben. Erst vor Kurzem hat der Verfasser dieser Zeilen. das Glück gehabt, dasselbe wieder aufzufinden und in dem für das Jahr 1861 bestimmten Osterprogramm des Stiftsgymnasium zu Zeitz ausführlicher darüber gehandelt.*) Daß Rothe die Chronik verfasst hat, kann fortan nicht mehr bezweifelt werden.

I.

[Obwohl über die Person und Lebenszeit des Johannes Rothe aus Kreuzburg durch die von Michelsen in der Zeitschr. d. Ver. für Thüring. Gesch. u. Alterth. 3, 23 folg. aus den Archiven von Eisenach und Weimar mitgetheilten Urkunden einigermaßen Licht verbreitet worden war, hat man doch bisher sich vergeblich umgesehen nach einem beglaubigten sichern Zeugnisse für die alte

*) Da Programme gerade für Viele, die sich am lebhaftesten dafür interessieren, häufig so gut wie nicht vorhanden sind, und da es auch sonst erwünscht sein muß, das Zusammengehörige an einem Orte vereinigt zu sehen, so erlaube ich mir, auf eigene Verantwortung den ursprünglich ebenfalls der Germania zugedachten ersten Artikel, der durch seine überraschenden Ergebnisse für die Geschichte der düringischen Sprache und Litteratur von so großem Belang ist, aus dem gedachten Programme hier wieder abzudrucken und den beiden andern Abschnitten vorzusetzen, von denen ich ihn durch Beifügung eckiger Klammern unterscheide. Pfeiffer.

„Eisenacher Tradition," nach welcher derselbe Johannes Rothe der Verfasser der in der letzten Zeit viel besprochenen düringischen Chronik sein soll. Es fehlte sogar nicht an Solchen, welche die Urheberschaft Rothes bestreiten zu müssen glaubten, vergl. Rückert, das Leben des Heiligen Ludwig, Einleit. S. 17. Erst v. Liliencron hat in der Einleitung zu seiner Ausgabe S. 25-29 den Nachweis zu liefern gesucht, daß der Verfasser des gereimten Lebens der Heil. Elisabet bei Mencken mit dem der Düringer Chronik ein und dieselbe Person sei, und somit aus innern Gründen einen Beweis geliefert für die Autorschaft Rothes. Die Quelle jener Eisenacher Tradition war aber damit noch nicht gefunden, sie muß eine andere gewesen sein. Noch hat es Niemand recht gewagt, diese Quelle aufzusuchen; ja es ist zu verwundern, wie von allen Denen, welche seit Mencken sich näher mit diesem Werke beschäftigt haben, keiner das Allernächste zu sehen und zu greifen vermocht hat. Und doch hat Rothe in seiner Vorrede zur Chronik S. 7-8 nicht gerade undeutliche Fingerzeige gegeben, indem er selbst sagt:

in disseme bûche werdit nú

geêwigit er*) name,

weme is zcu lesin komet zcû,

der kan er nicht vorgrame.

Aber eben weil man diese Worte lediglich auf die Vorrede und das dort angebrachte Akrostichon zu beziehen sich begnügte, dachte Niemand weiter daran, nachzusehen, ob nicht vielmehr die Chronik selbst gemeint sein könnte. Selbst die höchst auffällige Wortstellung im Anfange der meisten Capitel, zu welcher der Verfasser wie nun ersichtlich nur um seines Akrostichon willen veranlasst wurde, hat Niemand auf die Spur geleitet. Verfolgt man nun aber von dem ersten Capitel an nach der neuesten Ausgabe die einzelnen Anfangsbuchstaben (houbitbûchstabe) und fügt sie gehörig an einander, so treten folgende Worte zu Tage:

1. Johannes Rothe von Cruzceborg (cap. 1–24).
ein prister vnde etzwanne ein (25—49).
szadschriber zcv Jsenache unde (50—76)

darnache [ein cappellan des bischofis (77—108)

5. und darnach ein vicarius und] (109—132)

*) Gemeint ist die Landgräfin Anna, welcher Rothe sein Werk gewidmet hat.

Vergl. Rothe Chr. c. 758 u. c. 781.

in tumeherre unde darczv ouch (133-155)
schulmeistir des stiftis unsir liebjn (156—188)
frowin kerchin in der vor genantjn (189-217)
stad der sammente vnde schreib (218-243)
10. desse rronikin von deme lande (244-268)
vnde der herschaft zcv Doringin (269—295)
zcv dinste und behegelichkeid der (296-324)
dirl [von den keisern bebistin (325—349)
vnd] vchtin forstinnen frowin (350—374)
15. Annen landgrauinnen daselbis (375—400)
und marggrafinnen des landis (401—424a)
icv Missin ouch etiwanne des (424—446)
ediln grafin Gunthers von Swarczborg (447-478)
tochtir seligis gedechtenissis dit (479–509)
20. ist also vollinbracht noch*) unsirs (510-538)
herwin Jhesv Kristi gebort tvsint (539–567)
feir **) hundirt ein unde zwenzcig (568-594)
iar rr noch deme heiligin ostirlichin (595—626)
tage der in deme selbin iare an (627–651)
25. deme ein vnde zcwenzcigistin tage (652-680)
des brachmandis der ist an der (681-705)
zcehin tvsint ridter abunt (706–728)

unde der ouch ist an sente Albans (729–755)
tag des hei git aemnnad (756–773).

Dieses Akrostichon scheint jedoch in der Zeit vor Mencken bereits Petrus Albinus gekannt zu haben; denn in seinem Historiæ Turingorum novæ specimen, herausgegeben von Sagittarius S. 339 sagt derselbe: Jsenacense (sc. chronicon) Germanicum a Johanne Roth Luceburgensi (?) sacerdote et scriba Jsenacensi etc. paratum narrat u. s. w. ***) Daß Rothe Stadtschreiber zu Eisenach gewesen, ist, so

*) Wie in nôch so findet sich ô statt & gebraucht: Ritter Sp. 987 getôn: von; 1172 bôtin (= rogaverunt): vorbotin; 1975 nôch mime wôn: darvon; 2139 lôze (= mhd. lâze): di sloze (= acres); andere Beispiele aus der Elisabet führt R. Bechstein an in der Germania 4, 479.

**) Die Schreibung feir mhd. vier hat sich noch erhalten in dem Eisenacher Rechtsbuche bei Ortloff 1, S. 667; 684; 698; 701; 743; 744; 743 feirvalt.

***) Den Fehler Luceburgensi statt Cruceburgensi hat schon Michelsen verbessert in der Zeitschrift f. Thür. G. u. Alt. 3, 25.

viel ich mich erinnere, bis jetzt nirgendwo bezeugt und scheint dem Albinus nur aus dem Akrostichon bekannt gewesen zu sein. Auch die neuesten Forscher, welche die Johannes Rothe betreffenden Urkunden veröffentlichten (in der genannten Zeitschr. 3, 27 folg.), haben diese Notiz unbeachtet gelassen.

Das bloßgelegte Akrostichon gewährt nun außer den historischen Angaben, welche Rothe über seinen Namen *), seine Stellung und sein Werk zu „verewigen" gewusst hat, besonders nach zwei Seiten hin wichtige Aufschlüsse. Ein nur oberflächlicher Überblick zeigt nämlich, daß 1) die von dem jüngsten Herausgeber angenommene Reihenfolge der Capitel nicht die ursprüngliche echte ist, und 2) daß die im Text belassene, hauptsächlich dem Schreiber der Sondershäuser Handschrift (hs) eigene Sprache himmelweit verschieden ist von der Rothes. Über den zweiten Punkt wurde bereits im vorigen Jahrgange der Germania S. 228-234 gehandelt. Was dort über Rothes Schreibweise und seine Wortformen gesagt ist, wird durch obiges Akrostichon vollkommen bestätigt; für v. Liliencron selbst aber hätte schon die in der Zeitschr. des V. f. Thür. G. u. A. 3, 35-36 veröffentlichte von Rothe selbst verfasste Urkunde aus dem Jahre 1402 maßgebend sein sollen. Daß der aus unzureichenden Gründen bevorzugte Text hier durchaus nicht am Orte war, lehrt nun zum Überfluß noch der Umstand, daß die in demselben befindlichen Wortformen den Wortlaut des Akrostichon zerstören. So verlangt in der 3. Zeile das Wort szadschriber an Stelle des zweiten Buchstaben ein t, d. h. zu Anfang des Cap. 51 muß es statt zwingen heißen twingen. Um Z. 10 das Wort cronikin zu erhalten, muß im Anfang von Cap. 249 höchst wahrscheinlich gelesen werden Corbecke statt Rollocke; v. Liliencron hat an dieser Stelle nur die Lesart von hs. gekannt und sich um die andern Handschr. nicht weiter gekümmert. Z. 17 fordert der Zusammenhang zcv statt icv; dazu ist nöthig, daß Cap. 424b geschrieben werde zcu den gezîten statt in den gezeiten. In derselben Zeile muß auch statt etiwanne stehen etzwanne wie in Zeile 2, und Dr. hat hier richtig zcu einen geczîtin (Mencken S. 1710) im Anfange von Cap. 438, hs. dagegen in einen gezeiten. Z. 21 ist für herwin entweder herrin oder hêrin

*Noch Michelsen schwankt mit Mencken, ob er Rohte oder Rothe schreiben soll, in der erwähnten Zeitschr. 1, 235.

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