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in der That „die darin gewährten Wortformen einen sicheren Anhalt für den Kritiker bei Herstellung des Textes." Um gleich bei diesem letzteren Punkte stehen zu bleiben, so würde mein Verfahren allerdings dadurch bestimmt worden sein, wenn mir vor der Herausgabe das ganze Akrostichon zu Gebote gestanden hätte. Der vollständigen Lösung zu Liebe wollte ich aber nicht mit der Veröffentlichung zurückhalten. Das Endungs-t in der 3. Pers. Plur. Præs. (irkennint) habe ich also mit Recht inmitten des Verses eingeführt, obwohl viele Reime die nieder- und mitteld. Form auf n beweisen und außer irhugint: mugint (2. Pers. Plur.) nur die Reime tuont: stuont maßgebend waren (Einl. S. XIII und XXVI). Das n in der 1. Pers. Sing. Præs. (heizin) wird da, wo es der Vers ge stattet, gesetzt werden müssen. Das in den mitteld. Denkmalen stereotype tonlose Endungs-i war schon durch keisir belegt (Einl. S. XI.); ich wagte nicht, dasselbe auf diese eine Form hin durchzuführen, würde es aber gethan haben, wenn mir außerdem noch keisirinn, heizin und irkennint entziffert vorgelegen hätten. Indess ist hierauf hinsichtlich der Grammatik kein allzugroßes Gewicht zu legen, da dieses i in Mitteldeutschland in der Schrift schon früh bis zu Ende des 15. Jahrhunderts Mode ist und wahrscheinlich in seiner ganzen Ausdehnung keine phonetische Bedeutung besitzt; immerhin aber muß die Orthographie eines Schriftstellers respektiert werden. Das i in der Vorsilbe ir (irkennint), zum Theil alterthümlich, zum Theil durch orthographische Analogie unorganisch, würde nun ebenfalls dem er vorzuziehen sein. Schwerlich aber wird man nach der im Akrostichon hervortretenden Rechtschreibung für ch immer kh verlangen (IKH, MIKH), da noch dazu auf k in beiden Fällen ein folgt (V. 1163. 2895.) und darum auch c ganz gut möglich ist.

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Jahre 1217 über den Kauf des Georgenthaler Hofes unter den Zeugen qui conciliarii vocantur ein Ebernandus iuvenis aufgeführt wird. Ferner wird Mencken S. 584 unter den Zeugen bei einem Verkaufe von Grundstücken an das Kloster Kapellendorf im Jahre 1262 ein Ebernandus genannt. Hier fehlt der Beiname iuvenis, weil inzwischen ein Ebernandus senior gestorben sein wird, welcher 1212 und 1217 noch gelebt haben muß." Letztere Annahme ist möglicherweise richtig. Wenn wir auch durch diese historischen Nachweise noch kein eigentliches Resultat erlangt haben, so sind wir doch wenigstens auf einer Spur, denn unser Dichter Ebernand würde hinsichtlich der zeitlichen und örtlichen Verhältnisse mit dem als Zeugen auftretenden Ebernand zusammenstimmen.

Ungleich wichtiger als die kritische Herstellung des Textes scheint mir in Heinrich und Kunegunde des Dichters Sprache, seine Mundart, auf die er selbst so großes Gewicht legt. Dieser Theil der Arbeit lag mir bei der Herausgabe am meisten am Herzen, und ich bedauere, daß die linguistische Seite meines Verfahrens nicht von einem Grammatiker eingehend und streng nachgeprüft worden ist, um so mehr als ich mir von vorneherein bewusst war, daß dasselbe im Ganzen wie im Einzelnen auf Widerspruch stoßen würde. Diesen Widerspruch habe ich auch gefunden. Bech, das Grammatische im Eingange verhältnissmäßig nur kurz berührend und von den dialektischen Eigenthümlichkeiten der thüringischen Mundart späterer Zeit ausgehend, wünscht, daß ich der Handschrift mehr gefolgt wäre; ich hätte außer dem schon erwähnten i in ir und in den Endungen û statt uo, i statt ie, die Brechung o statt u in orloge, Doringh etc. und was solcher Einzelheiten mehr sind, schreiben und einführen sollen. Bartsch bemerkt in einer kurzen Anzeige meines Buches im liter. Centralblatt Nr. 20 d. J.: Auch die sprachliche Darstellung des Textes lässt viel zu wünschen übrig; der Herausgeber gibt ein sonderbares Gemisch ober- und mitteldeutscher Vocale, während er z. B. richtig schreibt: ê statt æ, setzt er doch immer uo, wo û stehen müßte, und dies uo auch für mhd. üe." Man sieht, beide Recensenten sind nicht ganz einig. Bech tadelt consequent, methodisch, Bartsch aber nicht. Der letztere führt das richtig gesetzte ê für mhd. œ nur als Beispiel und als Vertreter des Mitteldeutschen an, von der Brechung o und e aus u und i schweigt er, ausdrücklich verwirft er aber als oberdeutsch uo statt mhd. . Warum aber nicht auch das parallel laufende ie statt ê? denn ie ist ebenfalls oberdeutsch, î mitteldeutsch. Daß er dies nicht thut, ist um so mehr zu verwundern, als in der Besprechung der beiden Diphthongen (Einl. S. XIX) deutlich gesagt ist, daß sich im Gedichte Reime finden, die für statt ie sprechen, solche aber, die für û statt uo beweisen würden, durchaus mangeln.

Schon diese auseinandergehende Auffassung über Ebernards Sprache würde es gerechtfertigt erscheinen lassen, sich hierüber eingehender zu äußern, als es in der Ausgabe in den Capiteln der Einleitung „Handschrift und Ausgabe“ und „Sprache" geschehen konnte, um eine Verständigung wenigstens anzubahnen. Denn es kann nicht fehlen, daß ein so wichtiger Schriftsteller wie Ebernand, ganz abgesehen von seiner Bedeutsamkeit als Dichter, citiert werden wird

und muß. Bech würde also in seinen Anführungen û (uo) und î (ie), Bartsch ú (uo) und ie (= mhd. ie) analog der modernen Orthographie schreiben, wie er es ja auch in höchst räthselhafter Weise in seinem Albrecht von Halberstadt thut; ein dritter endlich würde wieder meiner Ausgabe folgen, und so hätten wir in grammatischer Beziehung in einem und demselben Schriftdenkmale eine bunte Manigfaltigkeit, die unter keinen Umständen wünschenswerth ist. Aber es handelt sich hier nicht allein um Ebernand, sondern wir haben es nach verschiedener Richtung hin mit einer principiellen Frage zu thun.

Bei der Herausgabe eines Schriftwerkes, dessen einzige Handschrift einer viel späteren Epoche angehört, kann man bekanntlich zwei Wege einschlagen. Entweder entscheidet man sich für urkundlichen Abdruck oder man schreibt den Text um und stellt ihn kritisch her. Diesen letzteren Weg habe ich aus Gründen gewählt und scheine Billigung gefunden zu haben. Bei einem echt mhd. Gedichte aus der guten Zeit wird dieser Weg gerade auf das Ziel führen; ist aber die Schrift, wie es bei Heinrich und Kunegunde der Fall, dem oberdeutschen Gebiete entrückt, gibt der Verfasser, auch ohne sein heimatliches Idiom als Richtschnur offen zu bekennen, in seinen Reimen die mitteldeutsche Sprache kund, so wird jener Weg nach zwei Richtungen auseinanderlaufen. Abgesehen von einzelnen grammatischen Formen, die unbedingt die ältere Gestalt erhalten müssen, wird die eine Richtschnur das Mittelhochdeutsche sein, denn das Mitteldeutsche gehört trotz seiner Abweichungen immer demselben Sprachgebiete an, nämlich dem hochdeutschen, es wird seiner Eigenthümlichkeit nur so viel eingeräumt werden, als es die Reime, dieser sicherste Maßstab für Sprache und Kritik, erfordern. Überdies bietet sich in der mitteldeutschen Litteratur keineswegs eine Fülle von Denkmalen dar, und diese selbst sind trotz einer gemeinsamen Gestaltung im Einzelnen vielfach untereinander verschieden. Wir sind überhaupt mit unseren mitteldeutschen Studien eben in Folge des Mangels an Quellen noch nicht über den Anfang hinaus, und deshalb gebietet es meiner Ansicht nach schon die Vorsicht, sich dem Mittelhochdeutschen, so weit es möglich ist, anzuschließen. Das zweite System würde auf ein Denkmal des 13. Jahrhunderts die Eigenthümlichkeiten, wie sie die älteren, mehr noch wie sie die späteren Schrifterzeugnisse gewähren, übertragen und von der Voraussetzung ausgehen, daß außer dem Reime ein Schriftsteller, weil

er eine landschaftliche Sprache vertritt, die mundartlichen Besonderheiten anderer, demselben Sprachgebiete angehöriger Quellen ebenfalls aufzuweisen habe. Diese Richtschnur kann unter Umständen am geeignetsten zum Ziele führen, sie führt aber auf Abwege, sobald nur eine einzige und späte Handschrift zu Gebote steht. Dennoch scheinen viele sie gegenwärtig vorzuziehen, was noch vor 20 Jahren gar nicht denkbar war. Sind es doch gerade erst 10 Jahre, daß Grimm seinen Aufsatz über den sogenannten mitteldeutschen Vocalismus schrieb! Wenn man damals noch von den idealen Forderungen der Grammatik befangen war, geht man umgekehrt heut zu Tage nicht zu weit, wenn man ein mitteldeutsches Sprachdenkmal durchaus nach dem idealen mitteldeutschen Systeme, das in seiner Reinheit erst im 14. Jahrhundert nachgewiesen werden kann, bemessen will? Darf die Vorliebe für die wichtigen mundartlichen Verhältnisse zu einer Nichtachtung der Lautgeschichte führen? Irrthum ist auf beiden Seiten möglich, er ist bei „Versuchen“ nie zu vermeiden; es fragt sich nur, welche Methode, selbst wenn sie dem Irrthum mit Bewusstsein entgegentritt, philologischer ist: diejenige, welche die ältere oder diejenige, welche die jüngere Sprachperiode zur Richtschnur wählt. Ich meines Theiles bin gerade den mundartlichen Studien sehr zugethan (s. meine kleinen Aufsätze in der Germania 3, 385 u. 4, 472), und gerne hätte ich meinem Ebernand vollständig dasjenige Lautsystem zugewiesen, wie es im Ganzen die Handschrift, wie es Jeroschin und andere mitteldeutsche Denkmale gewähren, wenn ich nur ein erlaubtes Muster vor mir gehabt hätte, wenn ich mich hätte überzeugen können, daß es, dessen Reime mit. Ausschluß der wenigen wirklich mundartlichen so rein, dessen Verse und Ausdruck den mittelhochdeutschen Dichtern so nahe stehend, der Mundart eine so große Ausdehnung hätte geben können, wie sie die spätere Zeit erkennen lässt. Abgesehen vom Reime habe ich im Innern des Verses mit aller Absicht „ein gut Theil der dialektischen Färbung des Ganzen verwischt," selbst auf die Gefahr eines Irrthums hin. Ich schrieb nicht vor, ir, i in den Endungen, sondern ver, er, e. Jetzt nach vollständiger Lösung des Akrostichons würde ich, wie bemerkt, ir und i schreiben. Ich würde aber auch nicht oz statt ez gesetzt haben, selbst wenn das Akrostichon, welches ez beweist, nicht vorhanden wäre. So habe ich im Einzelnen systemgemäß noch manches andere ändern müssen, was Bech im Einzelnen getadelt hat, was aber nur im Zusammenhange aufgefasst

werden durfte. Doch dies sind Einzelheiten, die zum Theil wirklich nur orthographischer Natur sind. Die Hauptsache betrifft aber den Vocalismus, wie er in den Reimen hervortritt; über ihn möge mir gestattet sein, mich zu äußern.

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In jeder Sprache, in jeder Mundart gibt es dem Allgemeinen und dem Einzelnen gegenüber Neuerungen und Alterthümlichkeiten; die Schriftsprache bleibt oft hinter der Mundart zurück, indem sie der Verflüchtigung durch die Aufzeichnung Halt gebietet, andererseits wurzelt in den Mundarten ein conservatives Element, welches einen Sprachzustand noch lange bewahrt, wenn die Schrift schon ganz andere Bahnen eingeschlagen hat. So stellen auch beide Vocalismen, der mittelhochd. und der mitteld., sprachgeschichtlich Altes und Neues dar. Ein Fortschritt des ersteren gegen den zweiten besteht in der vollständigen und entschiedenen Durchführung der Vocaltrübung, des Umlautes; das ist ein ganz bedeutender Unterschied gegen die reinen Vocale des Mitteldeutschen, das dadurch den Charakter des Alterthümlichen bis in das 15. Jahrhundert hinein bewahrt. Umgekehrt ist im Mitteldeutschen ein Zeichen der Einbuße am Sprachvermögen folgendes: êæ ( dem. organ. ê), û organ. iu (= d. organ. û), î = diphtong. ie (= d. organ. î) und û diphthong. uo und üe (= d. organ. û u. d. unorgan. ). Ferner ist die nach mhd. Weise weit ausgedehnte Brechung von u und i zu o und e als ein Weiterschritt, wenn auch kein günstiger, in der Sprachentwickelung zu betrachten. Das Dialektische, welches wir in irgend einem Ländergebiete gewahren, muß, wenn es im Vergleiche mit der älteren Periode eine neuere Sprachform zeigt, in einer bestimmten Zeit entstanden sein, es müssen sich Übergangsstufen auffinden lassen, in welchen verschiedene Redeweisen gleichberechtigt neben einander hergehen. Nun sind die von uns ange nommenen Neuerungen des Mitteld. vollständig erst für das 14. Jahrhundert belegt, noch nicht durchgängig für das 13. Darf da der Beweis der Analogie gelten? Selbst die gleichzeitige Schrift ist für sich allein noch lange nicht ausreichend. In einer Zeit, in der uns Reime, noch dazu reine Reime, zu Gebote stehen, da sind die Reime maßgebend. Wenn Bech verlangt, ich hätte û statt uo schreiben sollen, da sich in den „ältesten" thüring. Schriftstücken u finde, so frage ich in welchen? sind sie so alt, sind sie älter als Ebernand? und gebe zu bedenken, daß sehr oft auch süddeutsche Hss. für & bloß u schreiben und daß mitteld. auch & setzen. Und wenn be

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