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1399 und 1403. Angenommen nun, daß die genannten Personen zu den besondern Freunden*) gehörten, denen Rothe sein Gedicht gewidmet hatte, und daß sie wirklich gleichzeitig in dem Rathe gesessen hätten, so wäre dieß nur unter der Voraussetzung haltbar, daß die Fasten auch hier einen Irrthum enthielten. Im günstigsten Falle hätten wir hier einen sichern Anhalt um die Zeit zu bestim men, in welcher unser Gedicht entstand. Auf halbem Wege käme dieser Annahme entgegen eine andere Mittheilung, welche ich Herrn Hofrath Funkhänel in Eisenach verdanke. Diesem zufolge befindet sich in einem auf der Bibliothek des Karl - Friedrichsgymnasium aufbewahrten Miscellancodex beim Jahre 1393 folgende Angabe: Joh. Kirchheim

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Auch hiernach wird es wahrscheinlich, daß die ratis zcucht von Rothe im letzten Jahrzehend des 14. Jahrhunderts verfasst worden ist, ein Ergebniss, welches die in dieser Zeitschrift 6, 76 aufgestellte Vermuthung über ein seinem Inhalte nach verwandtes Werk unterstützt. Zuverläßigere Resultate können sich freilich erst ergeben, wenn ein besserer Text sowohl des Gedichtes als der Rathsfasten ermittelt worden ist; und in Bezug darauf ist wohl noch nicht alle Hoffnung aufgegeben.

Hiernach wenden wir uns, auf das gewonnene Resultat gestützt, noch einmal der Handschrift zu, welche Vilmar hat abdrucken las sen. Sie enthält noch manche Wortformen, welche erst entfernt werden müssen, bevor Rothe wieder in sein Recht eingesetzt werden kann. Der Schreiber derselben war vermuthlich kein Landsmann des Dichters, denn an nicht wenigen Stellen hat er die dialektischen Formen getilgt, wie dieß schon der Reim hinlänglich bekundet. Seinen Standpunkt bezeichnen unter andern die unrotheschen Formen ampte fursten auch glaube ubel uber selden fryde site gelide vil wirt hylit stylit u. s. w. statt amchte forstin ouch gloube obil obir sáldin frede sede gelede vel (vele) werdit (wert) helit stelit u. s. w.

*) Außer ihnen und dem inzwischen bekannt gewordenen Bruno von Toiteleibin gehörte wohl auch der um diese Zeit von den Fasten öfter genannte Hans von Frimar dahin, dessen Vorfahren Rothe in der Chronik 678 ein ehrendes Denkmal gesetzt hat.

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ganz abgesehen von dem ihm unbequemen apokopierten Infinitiv. Außerdem sind noch folgende Stellen verderbt: Vilm. 215 ist Sô statt Sy zu schreiben. 345 ist wohl die alden zu streichen. 402-403 sind mit Tilgung der Interpunktion als eine Zeile zu lesen: frome und getrûwe ein kemerer sal gerne bûwe d. h. frome u. getruwe das soll sich ein K. angelegen sein lassen, vergl. 124 und Ritt. Sp. 2786. V. 430-31 frunthuld geregen, den dînern gerne czulegen, dem Sinne nach deutlicher wäre hier gerugen (wie 587): czûlûgen, frunthuld(e) st. f. ist dann so viel als Begünstigung seiner Verwandten (Vetternliebe"), Bevorzugung seiner Standesgenossen (d. i. frunde), Umgehung des Gesetzes zu Gunsten derselben. So heißt friuntholt = seinen Verwandten oder Genossen zugethan, ergeben, gefällig, dienstfertig, im Lanzelet 2126, nicht wie im mhd. Wörterb. 1, 704 steht, durch Freundschaft verbunden," ferner beim Stricker in der Frauenehre 1017 er ist vr. und state, H. v. Trimberg im Renner 13289 vr. diensthaft u. hovebære, 2375 vr. milte unde fro; dem völlig gleichbedeutend findet sich wineholt, ebenfalls im mhd. Wörterb. 1, 705 mangelhaft erklärt, und winehulde oder wenholt st. f. bei Forstem. Gesetzsam. Nordh. 62, 19 di buecze sal der rât fordere unde nemen âne wenholt deme richen als deme armen, Ilmsches Diplomatar. bei Walch 6, 47 richten dem armen als dem richen ône wenhald unde arglist, Schlorffsche Chron. 186o (29) rechte urteil finden glich deme armen also deme richen âne wenehalt; und winhaldunge st. f. Mühlh. Rechtsb. ed. Forstem. 8 (= ed. Stephan 30 und 31) daz si uz nicht bikenni inwoldin durch svilchir hande w. iz wêri; endlich wenholden sw. v. bei Michelsen Rechtsdenkm. 2, 195 (35) wolde ein richter wenholde (statt wen holde) dorch fruntschaft edder dorch haz; Ilmer Statuten bei Walch 6, 29 ouch sal nymant doran (sc. an der bûcze) wenholde. Vilm. 440 lies

de, m.,

torme tore (statt kore) mûren. Vilm. 444-45 czu allin rechtin byder, sîne schepphin nicht vechtin, zu ändern in wider sîne s. n. v. Vilm. 452-53 di gireheid haze, di unschult heffticlich fasze scheint verdorben; entweder hieß es wohl wenhuld statt unschuld oder senffticlich. Vilm. 473 den witwen weisen gestehin, in der Handschr. steht bie bestehen. Vilm. 510-511 mit ganczem flize saltú sache czu ende slize wohl mit Bezug auf die dingslete im Sächs. Landrecht 1, 59, 2, vergl. Homeyer daselbst und dessen Register. Vilm. 520-21 susze unbetwungin sin, nicht vorkoifen di czungen din, hier hat der Abschreiber dem von ihm falsch abgetheilten Hexameter

-

durch Hinzufügung von din nachhelfen wollen, außerdem ist susze in laz si (sc. di hende) zu ändern. Vilm. 526 dye da han gebrochin, mehr düringisch dî de oder dî di h. g., vergl. Ortl. 1, 708 (17) der di

is qui, quicunque, ebenso 709 (22), 711 (32), 739. - Vilm. 537 besser gewerbe und wole statt geworben wol. - Vilm. 560 wohl nock kein lipnisse, deme volge daz laster gewisse; in der Handschr. ist die Wortstellung geändert und kein fehlt. V. 587 vielleicht (ubil) obil gerûge statt vvil g. Vilm. 625 schreib lant und lûte statt lant lûte. Vilm. 677 lies waz er hantwerg muge bescheldin, in der Handschr. fehlt muge. V. 680-81 und haldin solche dînêre, den lip si czu den êren, vielleicht: den lip czû den êren wêre. – Vilm. 974-75 adir mochte yn unmût enthalden | daz unmut (?) brechte unsalden, hier ist wohl îmant statt unmût zu lesen. V. 1024 obir statt aber: begeristû obir lûte walde. Vilm. 1037 scheint gôbit (gabit): lobit statt gibit das Richtige. enschatte (Handschr. enstate.)

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Vilm. 1134 und tet daz eme nicht

Schließlich sei noch auf das Verhältniss hingewiesen, in welches das dem J. Rothe zugesprochene Gedicht zu den übrigen bisher bekannt gewordenen Schriften desselben tritt. Weit ab von der Chronik, die im Jahre 1421 zur Vollendung gedieh, und sicher um einige Jahrzehende früher kommen die Arbeiten über die Verfassung und die Rechte Eisenachs zu stehen sowie unser Gedicht von des rátis czucht, beide wohl noch dem 14. Jahrhundert angehörig. Dagegen nähert sich der Chronik wieder der Sprache und der Zeit nach das Leben der H. Elisabet, während der Ritterspiegel den früheren Arbeiten beigezählt werden muß. Eine breite, kaum durch etwas rhetorische Färbung, selten durch Wärme und Frische des Gefühls gehobene meist sehr matte Darstellung ist der Hauptcharacterzug der spätern Gruppe; ihr fühlt man deutlich an das was der Dichter selber in dem gereimten Vorwort zu seiner Chronik sagt: daz mir vor járin was ein lust, ist nú eine arbeid wordin. Die aus dieser letzten Periode seines Lebens hervorgegangenen Erzeugnisse waren das Einzige, was man bisher von Rothe kannte; man würdigte sie um ihres stofflichen Werthes willen, während man der Sprache lange Zeit kein Interesse abgewinnen konnte. Einen sprechenden Beleg dafür geben noch die kritischen Leistungen des jüngsten Herausgebers der Chronik ab, welcher all seinen Scharfsinn auf die Analyse der Quellen verwandte, während er es vermied der ursprüng lichen echten Redeweise nachzuspüren und sich mit dem Abdruck

eines jüngeren Textes begnügte, in dem man den Autor kaum wiedererkennt. Anders wird sich das Urtheil von jetzt ab gestalten, seitdem die dem früheren Lebensalter Rothes angehörigen Schriften theilweise *) ermittelt worden sind. Hier ist die Kraft des Geistes wie die Schärfe der Sinne noch ungeschwächt, Auge und Hand versagen ihm noch nicht ihren Dienst. Statt des alten abgelebten Greises, der nur noch von seinen und früherer Menschen Thaten zu erzählen vermag, haben wir hier noch vor uns den energisch handelnden Mann, der unter Begeisterung und Hingebung sich abmüht seine Mitwelt für die Ideale seiner Weisheit und Tugend zu gewinnen und mit Muth und Unerschrockenheit gegen die Gebrechen und Laster seines Jahrhunderts ankämpft. In den Schriften aus dieser Epoche ist darum auch die Darstellung weit lebendiger und frischer, man spürt noch die warme Theilnahme für den der Behandlung unterliegenden Gegenstand und nimmt nicht ohne Interesse wahr, wie der Verf. mit Geschick sich seiner rhetorischen Mittel bedient, um den Leser für seine Zwecke einzunehmen. Unter den düringischen Schriftstellern des Alterthums nimmt somit Rothe gewiss cine der ersten Stellen ein; aber auch in der allgemeinen deutschen Litteraturgeschichte wird er, obwohl nicht frei von den Mängeln seiner Zeit und fast schon außer allem Connex mit den Mustern unserer klassischen Periode, doch als lebendiger Zeuge eines ablaufenden wie eines beginnenden Jahrhunderts immer eine interessante Erscheinung abgeben.

ZEITZ im Mai 1861.

VON THORS MÜTTERN UND FRAUEN.

Über diese hat man noch wenig nachgedacht. Er hat ihrer

zwei, nämlich dem Raum und der Zeit nach!

Nach der jüngeren Edda 9 u. 36 ist Jörd (die Erde) die in der Voluspa 57 und im Harbard'sliede 54 auch Fiörgun heißt, Mut

ter des Thor.

Den letzten Namen finden wir in Fergunna, wie nach der Chron. Moissiac. und 805 bei Pertz Mon. Germ. 1, 308 das Erzgebirge heißt und in Virgunnia oder Virgunda wieder, einem großen Wald

*) In Betreff anderer ebenfalls dem Joh. Rothe angehörender Schriften hofft der Verf. so Gott will später Auskunft geben zu können.

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zwischen Ansbach und Ellwangen, vergl. Chronic. Gottwicense 834. Zeuß, die Deutschen 10. Grimm d. M. 156. Wolfram von Eschenbach sagt in Willehalm 390: „Der Schwarzwald und Virgunt müssten davon öde liegen." Wackernagel im Schweiz. Museum 1, bezieht den Namen auch auf den aus Tacitus bekannten großen Wald Hercynia. Als neue Notiz sei hier (nach mündlicher Mittheilung des Herrn Oberbaurath v. Bühler in Stuttgart) hinzugefügt, daß seit unvordenklicher Zeit die Haller in Schwäbisch Hall den Holzbedarf für ihre Salzwerke ausschließlich aus dem großen (vielleicht dereinst heiligen) Walde Virgunda beziehen. Sollte man bei dem Namen an Gund, Krieg, Streit und Vnor, einen Beinamen des Thor nach Voluspa 56 und Hymsquida 11. 17. 22. denken dürfen? Daß ein weitgedehnter Wald als Mutter des Donnerers gelten konnte, war natürlich, denn Wälder dampfen die Materie der Gewitter aus und erst wenn die Wälder wieder grünen, beginnen die Gewitter. Übrigens kennt Plinius Naturgsch. III, 20 die Vergunni als ein Volk in den Alpen.

Jörd bezeichnet demnach also nicht den ganzen Erdkörper oder das der Riesenwelt angehörige Gestein, sondern den Boden der Pflanzenwelt, wie wir auch jetzt noch alle Erde im engern Sinne nennen. Ich werde dieselbe Bedeutung auch von Njörd nachweisen, dem Vater der beiden Vanengötter Freyr und Freya, die dem Sommer und der Fruchtbarkeit vorstehen. Insofern nehme ich auch keinen Anstand, in der berühmten Nertha des Tacitus Germ. 40, die ausdrücklich Terra mater übersetzt wird, die Jörd wiederzuerkennen, um so weniger, als auch sie nicht die unfruchtbare Erdtiefe, sondern das bebaute Land regiert, dem durch den Umzug mit ihrem Wagen Segen gebracht wird.

Nach der jüngeren Edda 9 ist Frigg, Odins Gemahlin, die Tochter eines männlichen Fiörggän, der dem Njördr entsprechen würde. Frigg, obgleich durch Odin zu den Asen erhoben, und Freya, obgleich noch der Gemeinschaft den Vanen (Naturgeister) angehörig, sind doch ursprünglich im Wesen eins.

Im Vorkommen dieser doppelten Namen erkennt man nur das Übergewicht, welches allmählich der vornehme Geistescultus der Asenverehrer über den gemeinen Naturcultus der Vanenverehrer erlangte. Auch Thor selbst, seinem ganzen Wesen nach ein Naturgott, daher unstreitig zu den Vanen gehörig, wurde asificiert und zu einem Sohn Odins gemacht.

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