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nur, seine Räder bedeuten die vier Cardinaltugenden, vom kleinen aber, auf ihm führen die Kinderseelen zum Himmel.

Bei den Angelsachsen hieß die Milchstraße aber auch Earmingstrete, Irmingstraet, Grimm D. M. 330. In Westphalen und Thüringen Irings- oder Euringsstrasse, das. 332. Dazu heißt das Sternbild des großen Bären oder Wagen der Irminswagen, das. 329. Grimm identificiert Iring und Irmin mit dem nordischen Rigr. Nach dem Rigsmal ist Rigr zugleich Stammvater der drei Stände oder der Menschen überhaupt, was mit der Idee eines Herabkommens der noch ungeborenen Keime und Seelen in der Milchstraße übereinstimmen würde.

Aber auf demselben Wege kehrten auch die Todten von der Erde zurück. Deshalb hieß die Milchstraße auch der Helweg, d. h. der Weg der Todesgöttin Hel mit ihrem Helwagen; ferner Wodansweg und Karlsweg. Grimm D. M, 138, d. h. der Weg, auf dem Wodan mit dem wilden Heere der Todten auszieht. Karl ist wohl nur Beiname desselben Gottes. Nach ihm heißt das Sternbild des großen Bären auch Karlswagen.

Am bedeutsamsten ist der mittelniederländische Name der Milchstraße Vroneldenstraet, d. h. Frau Hildens Straße, Grimm D. M. 262. Hilde, Hulda oder Holle erscheint hier als die Mutter und Führerin der Wätlinge auf ihrer Wanderung vom Himmel zur Erde. Dasselbe ist Frau Bertha mit dem unzähligen Volke der Heimchen. Es darf, seit Grimms vortreffliches Werk erschienen ist, als bestimmt angenommen werden, daß Frau Holle im nördlichen Deutschland dasselbe Wesen ist, wie im südlichen Frau Perchta.

Die Vorstellung, daß die Seelen aus dem Himmel auf dem Wege der Milchstraße zur Erde herabkommen, um hier irdische Leiber anzunehmen, ist uralt und stammt aus Asien. Bei den Indern heißt die Milchstraße Surawithi (Weg der Götter) oder Siddhimarga (Weg der Frommen). Der Römer Ovid nennt sie (in den Metamorphosen I. 170.) den Weg der Götter zur Burg des Jupiter. Porphyrius und Macrobius aber, auf die ich ausführlicher zurückkommen werde, nennen sie den Weg, auf dem die Seelen aus dem Himmel zur Erde niederkommen und ins irdische Leben eingehen und auf dem sie auch wieder nach dem Tode in den Himmel zurückkehren, beide nach dem ältern Pythagoras. Porphyrius sagt ausdrücklich, nicht ein Weg der Götter, sondern zu den Göttern sei gemeint. Bei unsern altnordischen Vorfahren hieß die Milch

straße unter andern Helweg, d. h. der Weg zur Hel oder Todesgöttin; bei den Angelsachsen insbesondre Earmingstraße, worunter man die Straße der Armen, d. h. der armen Seelen, verstehen will. Bei den alten Lithauern hieß die Milchstraße Panksztu-Viclas, d. h. Weg der Vögel; unter den Vögeln aber verstand man Seelen der Verstorbenen (Hanusch, slawische Mythologie S. 272.) Nach einer lithauischen Sage bei demselben Hanusch S. 415 wohnen die Seelen der Seeligen am nördlichen Ende der Milchstraße. Weg der Vögel heißt sie auch bei den Finnen (Grimm, deutsche Mythologie S. 478). Die Perser nennen die Milchstraße Hadschiler Juli, d. h. Weg der Pilger, worunter wieder nur die Pilger zum Himmel verstanden sein können. Auch der Name der Jakobsstraße bezeichnet einen Weg der Pilger, da der Hauptwallfahrtsort in Spanien das Grab des heiligen Jakobus zu Compostella ist. Strauch (Astrognosia S. 140) bemerkt, die Milchstraße bewege sich nach Westen und Compostella sei der große Wallfahrtsort im fernsten Westen Europas, daher die Pilger zwischen ihm und jener Himmelsstraße eine Übereinstimmung gefunden hätten. *) Endlich kehrt derselbe Glaube auch in Amerika wieder. Bei den Irokesen heißt die Milchstraße der Weg der Seelen (Mayer, mythologisches Taschenbuch 1, 128). Pfad der Geister heißt sie bei den wilden Indianern am oberen Missouri (Maximilian, Prinz zu Wied, Reise 2, 152) oder auch Weg der Asche (das. 2, 223). Noch verdient bemerkt zu werden, daß der Delphin, bei den Griechen bekanntlich Führer der Seelen ins Elysium, ein Sternbild ist, welches dicht an der Milchstraße steht.

Wer möchte bei so vielen Zeugnissen zweifeln, daß dergleichen Benennung auch eine übereinstimmende Vorstellungsweise zu Grunde gelegen.

Was der Weg der Frommen" bei den Indern bedeute, lässt sich leicht errathen, wenn man in Betrachtung zieht, daß nach der Lehre der Brahmanen alle Menschen ursprünglich gefallene Geister sind, die im Himmel lebten, zur Strafe für ihren Sündenfall aber als Menschen oder Thiere in irdische Leiber eingehen müssen, wenn

*) Der Glanz der Milchstraße soll vom Wiederschein der zahllosen weissen Pilgerstäbe herühren. Engelgrav panth. cœleste 2, 28. Beckmann hist. orb. 1-6 Sousa, exped. hist. apost. s. Jacobi, Lisb. 1727. Acta erud. 1734 p. 145. Curiositäten 8, 138.

sie aber tugendhaft leben, zum Himmel in ihrer ursprünglichen Reinheit zurückkehren dürfen. (Ausführlich entwickelt in Holwells Nachrichten von Hindostan). Der Weg, auf dem diese Rückkehr (wie das Niedersteigen) Statt findet, ist die Milchstraße. Da beinah. dieselbe Lehre auch bei den alten Persern (nach dem Zendavesta) galt, so dürfte auch bei ihnen die Milchstraße dieselbe Bedeutung haben, womit der schon genannte persische Name derselben übereinstimmt.

Nach einer schwäbischen Vorstellung steigen die Engel noch immer auf der Milchstraße wie auf der Jakobsleiter vom Himmel herab und zu ihm auf. Meier N. 262. In einer norddeutschen Vorstellung könnte eine Erinnerung an eine uralte indische liegen, Nach Kuhn, nordd. Sagen S. 457, heißt nämlich die Milchstraße nicht nur Wagenpat (Pfad des Wagens) sondern auch Kaupat (Kuhpfad ?) Die Kuh aber ist nach altindischer Symbolik Inbegriff der ganzen organischen Natur. Nähere Bestätigung findet diese Lehre bei dem römischen Dichter Manilius, welcher in seinem astronomischen Gedicht 1, 9, das Hinaufsteigen der Seligen auf der Milchstraße zu den Sitzen der Götter schildert, und bei Cicero, welcher im Traum des Scipio ganz dasselbe sagt. Den eigentlichen Schlüssel zu dieser Symbolik der Milchstraße finden wir aber bei Porphyrius und Macrobius, die uns übereinstimmend berichten, was die Pythagoräer und Neuplatoniker von der Milchstraße gehalten, und die dadurch beweisen, daß die Pythagoräer*) im Wesentlichen nichts anderes lehrten, als was auch das Schastra des Brahma bei den Indern lehrt. Nach Porphyrius (de antro nympharum, 16-28) ist die Erde nur in Folge des großen Sündenfalls im Himmel bevöl kert worden; indem es die reinen Geister im Himmel nach dem Fleisch gelüstete und sie, Körper annehmend, als Menschen auf Erden geboren wurden. Ihre Sünde war eben das Gelüsten, zu einem Körper zu gelangen. Hätten sie sich von dieser Lockung nicht verführen lassen, so wären sie ewig frei und rein im Himmel geblieben und nie von dem Schmutz der Erde verunreinigt, von den Leiden der Erde gemartert worden. Das Gelüsten wird von Porphyrius symbolisch bezeichnet durch den Honig. Honig sagt er, ist Sinnbild des Todes, weil die verlockende Süßigkeit den Tod der himmlischen Geister, d. h. das Niedersteigen derselben in die

*) Die Verbindung des Pythagoras mit den Kelten erhellt aus Diodor V. 28.

irdische Natur, zur Folge hatte. Der Leib ist gleichsam Sarg der Seele. Im Gegensatz gegen den Honig aber ist Galle das Sinnbild des Lebens, weil durch des irdischen Daseins Bitterkeit die gefallenen Geister wieder geläutert und zur Rückkehr in den Himmel fähig gemacht werden. Die sämmtlichen gefallenen Geister werden aber personificiert im Saturnus. Dieser, sofern er gefesselt und entmannt wird, bezeichnet die sämmtliche Geisterwelt, die durch den Sündenfall, d. h. durch die Sucht, einen irdischen Leib anzunehmen und auf irdische Weise zu genießen, ihre himmlische Freiheit und Macht verloren hat und in die irdische Sklaverei und menschliche Schwäche gefallen ist. Die gefallenen Geister sollen aber einst wieder frei werden, wenn sie die Fesseln der irdischen Natur durch den Tod abgestreift haben, und dessen sind die Saturnalien der Römer ein Vorbild. An diesem Fest, welches in der Wintersonnenwende gefeiert wird, wurden alle Sklaven wenigstens einen Tag lang für frei erklärt, welches die einstige Befreiung aller Seelen und die Rückkehr der saturninischen Vorzeit, der paradiesischen Freiheit und Gleichheit vorbedeuten sollte.

Demnach war das Jahresleben überhaupt ein Sinnbild des gesammten Weltlebens. Durch die Wintersonnenwende wurde das Ende der Dinge und die Wiedergeburt bezeichnet, eben deshalb aber durch die Sommersonnenwende der Anfang der Dinge, oder der Sündenfall, die Geburt ins Irdische. Namentlich die Ägypter, sagt Porphyrius, hätten in diesem Sinne den Anfang des Jahres in das Sommersolstitium gesetzt. Man müsse sich die Sache folgendermaßen vorstellen. Der Himmel hat zwei Pforten, eine des Ausgangs im Norden und eine des Eingangs im Süden. Durch die erste gehen die gefallenen Geister aus und steigen in die irdische Natur hinab, durch die andere kehren sie in den Himmel zurück. Die erste heißt die Pforte des Mondes, denn alle Menchenseelen kommen aus dem Monde herab, wenn sie irdische Körper beleben sollen; deshalb herrscht auch der Mond im Zeichen des Krebses während der Sommersonnenwende. Die zweite Pforte aber heißt die des Saturn, weil alle Seelen der Verstorbenen zum Planeten Saturn übergehen; deshalb beherrscht Saturn das Zeichen des Steinbockes im Wintersolstitio. Warum aber die Seelen mit Übergehung der anderen Planeten gerade aus dem Monde kommen und gerade in den Saturn übergehen, das erklärt sich ausschließlich aus dem Verhältniß dieser beiden Gestirne zur Milchstraße. Der Thierkreis,

den die Planeten beherrschen (der Saturn als der fernste beherrscht December und Januar, der Jupiter November und Februar, der Mars October und März, die Venus September und April, der Merkur August und Mai, die Sonne den Juli und der Mond den Juni), wird von der Milchstraße zweimal durchschnitten, und zwar in den beiden Solstitialzeichen, im Krebs und Steinbock. Die Milchstraße aber stellt in ihrem unzählbaren Lichtfunken-Gewimmel nichts anderes dar, als eben das unzählbare Volk der gefallenen Geister, die aus dem Himmel zur Erde niederkommen, oder von ihr wieder zum Himmel aufsteigen. Da wo die Milchstraße den Thierkreis im Krebse durchschneidet, empfängt sie aus den Pforten des Mondes die herabsteigenden Seelen, und da wo sie den Thierkreis im Steinbock durchschneidet, führt sie die Seelen durch die Pforte des Saturn wieder in den Himmel zurück. Die zahllosen Lichtfunken, welche die Milchstraße bilden, nennt Pythagoras ein Volk von Träumen (δῆμος δὲ ονείρων αι ψυχαί, ὡς συνάγεσθαί φησιν εἰς τὸν γαλαξίαν), weil die Seele, indem sie das himmlische Bewusstsein verliert und in den irdischen Leib eingeht, gleichsam nur schläft und träumt; weshalb auch von Saturn, dem Repräsentanten aller Seelen, gesagt wird, er sitze in einer tiefen Höhle und schlafe und warte auf den jüngsten Tag, an dem er wieder erwachen soll (Plutarch, Abhandlung vom Mondgesicht).

Den Namen der Milchstraße erklärt Porphyrius als Sinnbild der Säugung Neugeborner: τὸν (γαλαξίαν) ούτω προσαγορευόμενον, ἀπο τῶν γάλακτι τρεφομένων, ὅταν ἐις γένεσιν πέσωσιν. Und Macrobius, der sonst fast ganz mit Porphyrius übereinstimmt, sagt (somnium Scipionis 1, 12): Ideo primam nascentibus offerri ait (Pythagoras) lactis alimoniam, quia primas eis motus a lacteo incipit in corpora terrena labentibus. Damit wird auch die bekannte Mythe der Alten (Manilii astr. 1, 9) erklärt nach welcher die Milchstraße der Milchausfluß der Göttin Juno ist, mag auch die Übereinstimmung auf den ersten Blick nicht einleuchten. Bei Hygin (poëta Astron. 2, 43) findet man die verschiedenen Recensionen dieser Mythe kurz zusammengestellt. Nach Eratosthenes (catast. 44) nahm Juno unwissend den neugeborenen Herkules (das Sonnenkind), den Sohn ihrer verhassten Nebenbuhlerin, an die Brust, warf ihn aber sogleich wieder von sich, als sie erfuhr, wer er sei, und dabei floß ihr die Milch aus, die seitdem die Milchstraße bildet. Nach Andern wurde Herkules nicht weggeworfen, sog aber so heftig, daß ihm die Milch wieder aus

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