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865 51

DAS ADJECTIV IN DEN NIBELUNGEN.

VON

ADOLF HOLTZMANN.

Es hat mich oft gewundert, daß der vierte Band der Grammatik mit seinen überraschenden und großartigen Entdeckungen noch so wenig zu besondern Arbeiten über den syntactischen Gebrauch einzelner Schriftsteller gereizt hat. Wenn schon für die Formenlehre der Fleiß eines Mannes kaum ausreicht, so ist für die Syntax, die nur aus der Beobachtung aller Fälle hervorgehen kann, eine Theilung der Arbeit geradezu nothwendig. Für den Meister müssen die Jünger die Masse des Stoffes zubereiten.

Im Folgenden soll dargelegt werden, wie sich das Adjectiv in den Nibelungen und in der Klage verhält in Bezug auf starke, schwache und abgeworfene Flexion.

I. VORAUSGEHENDES ADJECTIVUM 1) OHNE ARTIKEL steht es immer stark. Für alle Casus zahlreiche Beispiele; daher hier keine Belege. Die Ausnahmen sind selten oder nur scheinbar. 116, 1 in vil grimmen muote; aber C hat grimmē, D grimmem; es ist zu bessern. 219, 1 mit gemeinen râte C gegen alle andern, ist als

Schreibfehler zu betrachten.

Lachmann behauptet zwar zu (856), daß in den Nibelungenhandschriften das Adjectiv im Masculinum und Neutrum nach der Präposition sehr häufig schwach decliniert erscheine. In den guten Handschriften sind solche en statt em so selten, daß sie als Schreibfehler angesehen werden müssen; nur die Handschrift h, die nicht in Betracht kommt, hat sie öfter, und in A sind sie nicht selten. Lachmann verlangt en z. B. (860), 1 gegen alle Handschriften zu Gunsten einer seiner metrischen Grillen.

GERMANIA VI.

Kl. 2988 von lieben (CBA, liebem D) ougen blicke. Der Schreibfehler erklärt sich aus dem gewöhnlichen Plural (295, 3. 1708, 1), an den die Schreiber zuerst dachten.

1208, 1 des küniges næhsten mâge ist richtig, weil der Superlativ nicht ohne Artikel stehen könnte, wenn der Genitiv nicht vorausgegangen wäre.

1258, 2 waz mag ergezzen leides, wan vriuntliche liebe, swer die kan began. Nur J hat friuntlichiu. Es ist ein sehr schöner Fall von Attraction; liebe ist zwar der Nominativ zu mag ergezzen, steht aber als Accusativ, wie das folgende die. Ganz ebenso 2401, 2 iuch möhte wol gezemen den fride mînes herren, ob ir den ruochet

nemen.

1625, 4 liebiu mare versteht sich von selbst statt des Fehlers. Nicht einmal der Vocativ macht eine Ausnahme; er liebt zwar von Alters her die schwache Flexion des Adjectivs, sieh Gr. 4, 559; aber in unserm Lied zeigt er immer starke, wo nicht ein Pronomen oder Artikel vorhergeht. 16, 1 vil liebiu frouwe mîn! 52, 1 vil lieber vater mîn! 228, 2 vil edeliu küniginne: 2037, 2. 290, 3 lieber bruoder! 1872, 4 snelle degene! 766, 2 liebe friunde! B C, lieben die andern. Daher auch 1532, 1 vil lieben boten mîn aus a in liebe zu bessern ist, wenn nicht vielleicht das vorhergehende beide die schwache Form entschuldigt. Kl. 1855 tugenthafter man! 2034 vil küener recke Gêrnôt! 2153 mit dir, vil tugenthafter man! 3038 vil liebiu tohter! 3205 edeliu marcgrâvin!

Es ist also die schwache Form nicht gestattet, außer wo sie durch ein vorhergehendes Pronomen verlangt wird, wovon unten. In 1982, 2 ir seht wol, edelen knehte! (wo jedoch A edel hat) steht zwar ir nicht unmittelbar vor dem Adjectiv, ist aber doch die Veranlassung der schwachen Form edelen.

Es steht also die Regel fest, daß das freie Adjectiv immer stark, nie schwach, decliniert. Dagegen ist die unflectierte Form im Nominativ und auch im Accusativ nicht selten. Und zwar Fälle des Neutrums Sing. wie guot gemach, guot gewant, zierlich gewant bedürfen keiner Erwähnung. Im übrigen scheint sich diese Form auf gewisse Fälle und Wörter zu beschränken. Zuerst im Vocativ. 1299, 1 vil edel Rüedegêr! 2353, 3 edel ritter küene! 2275, 3 vil edel külene man! (Sing.)

Kl. 1605 vil tiwer degen guoter! 1810 vil guot swert! 3150 edel marcgrâvin!

Im Nom, und Acc. Plur. Neutr. erscheint niuwe unflectiert. 87,1 er bringet nuwe mære. 1460, 1 niuwe (niwiu B) mære koment. 327, 1 iteniuwe (iteniwiu A) mære sich huoben. 1394, 4 iteniuwe kleit. (Accus.)

Gern bleibt grôz unflectiert. Ich stelle hierher auch Fälle mit vorhergehendem Pronomen. Nicht nur im Neutrum 681, 2 grôz wunder, 897, 4 grôz gesinde, 1272, 3 grôz itewîze, sondern auch im Mascul. Kl. 3519 grôz gedranc und im Femin. 868, 2 iuwer grôz unschulde; 894, 4 grôz genâde hân; 1293, 1 grôz genade jehen; 1220 heten grôz unmuoze. Kl. 552 grôz triuwe, 576; aber auch 677, 1 sîn grôziu sterke, Kl. 3491 grôziu ungehabe; 561 grôziu sünde. Sogar im Dativ unflectiert 675, 3 mit iuwer grôz unfuoge In 1190, 2 dô wart vil grôze danken getân ist grôze Adverbium.

Weitere merkenswerthe Fälle der abgeworfenen Flexion sind 1784, 1 Ca daz ist verlorn arbeit. 599, 3 dá waren sîdîn hütten. 1192, 4 diu sol hie zen Hiunen gewaltec küniginne sîn. 1384, 2 gesaz ûf riche gesidele, was vielleicht ein Fehler ist für rîchez oder rîchem. Der Gebrauch des unflectierten ander ist im Wörterbuch verzeichnet. Nachzutragen ist der Dativ ander nieman 1153, 4.

Ebenso lieben die Comparative unflectierte Form, nicht nur im Neutrum 718, 2 richer gewant, 575,4 bezzir pferitgereite, 1159, 4 getriuwer wip, Kl. 854. 1463, 3 verre rîcher wat sondern auch im Accus. Masc. Kl. 92 tugenthafter frouwen lip niemen vant; 1741, 2 bezzer schilt deheinen, wo jedoch N bezzeren. Es durfte also auch 108, 2 daz man künic deheinen küener habe gesehen, stehen bleiben, und ebenso 1878, 2 küener videlære im Accus. nach C. Doch steht flectiert Kl. 2185 deheinen küenern man; und natürlich ohne Subst. 2115, 4 einen bezzern, Kl. 2048 ein bezzerz. Der Nominativ des Masc. 737, 4 antphanc rîcher, 1250, 4 ein hoher bote, 2173, 3 dehein bezzer win. Kl. 1441 küener helt, 2004 niemen küener, 2114 getriuwer degen. 68, 2 iemen übermüeter. 836, 2 mîn man ist tiurer, 833, 2 (wo aber C tiw'r und tiurrer, B tiwerr, J tiurre), 472, 4 ein verre kreftiger man, Kl. 2275 getriuwer niemen.

Auch im Femin. Nom. 1417, 2 nie milter frouwe 1417, 3 deheiniu tiurer, 837, 2 ich wil wesen edeler. Accus. 1394, 3 dehein græzer. Nomin. und Accus. Plur. 1429, 4 bezzer friunde. 2157, 4 küener degene. Kl. 1272 küener helde. 2182. 2 bezzer degene.

In den meisten der angeführten Stellen kann die flexionslose Form von den flectierten starken, deren e verloren geht, nicht unter

Kl. 2988 von lieben (CBA, liebem D) ougen blicke. Der Schreibfehler erklärt sich aus dem gewöhnlichen Plural (295, 3. 1708, 1), an den die Schreiber zuerst dachten.

1208, 1 des küniges næhsten mâge ist richtig, weil der Superlativ nicht ohne Artikel stehen könnte, wenn der Genitiv nicht vorausgegangen wäre.

1258, 2 waz mag ergezzen leides, wan vriuntliche liebe, swer die kan began. Nur J hat friuntlichiu. Es ist ein sehr schöner Fall von Attraction; liebe ist zwar der Nominativ zu mag ergezzen, steht aber als Accusativ, wie das folgende die. Ganz ebenso 2401, 2 iuch möhte wol gezemen den fride mînes herren, ob ir den ruochet

nemen.

1625, 4 liebiu mære versteht sich von selbst statt des Fehlers. Nicht einmal der Vocativ macht eine Ausnahme; er liebt zwar von Alters her die schwache Flexion des Adjectivs, sieh Gr. 4, 559; aber in unserm Lied zeigt er immer starke, wo nicht ein Pronomen oder Artikel vorhergeht. 16, 1 vil liebiu frouwe mîn! 52, 1 vil lieber vater mîn! 228, 2 vil edeliu küniginne: 2037, 2. 290, 3 lieber bruoder! 1872, 4 snelle degene! 766, 2 liebe friunde! BC, lieben die andern. Daher auch 1532, 1 vil lieben boten mîn aus a in liebe zu bessern ist, wenn nicht vielleicht das vorhergehende beide die schwache Form entschuldigt. Kl. 1855 tugenthafter man! 2034 vil küener recke Gêrnôt! 2153 mit dir, vil tugenthafter man! 3038 vil liebiu tohter! 3205 edeliu marcgrâvin!

Es ist also die schwache Form nicht gestattet, außer wo sie durch ein vorhergehendes Pronomen verlangt wird, wovon unten. In 1982, 2 ir seht wol, edelen knehte! (wo jedoch A edel hat) steht zwar ir nicht unmittelbar vor dem Adjectiv, ist aber doch die Veranlassung der schwachen Form edelen.

Es steht also die Regel fest, daß das freie Adjectiv immer stark, nie schwach, decliniert. Dagegen ist die unflectierte Form im Ncminativ und auch im Accusativ nicht selten. Und zwar Fälle d Neutrums Sing. wie guot gemach, guot gewant, zierlich gewant bedü fen keiner Erwähnung. Im übrigen scheint sich diese Form at gewisse Fälle und Wörter zu beschränken. Zuerst im Vocati 1299, 1 vil edel Rüedegêr! 2353, 3 edel ritter küene! 2275, 3 edel küene man! (Sing.)

Kl. 1605 vil tiwer degen guoter! 1810 vil guot swert! 31 edel marcgrávin !

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Im Nom. und Acc. Plur. Neutr. erscheint niuwe unflectiert. 87,1 er bringet niuwe mare. 1460, 1 niuwe (niwiu B) mære koment. 327, 1 iteniuwe (iteniwiu A) mære sich huoben. 1394, 4 iteniuwe kleit. (Accus.)

Gern bleibt grôz unflectiert. Ich stelle hierher auch Fälle mit vorhergehendem Pronomen. Nicht nur im Neutrum 681, 2 grôz wunder, 897, 4 grôz gesinde, 1272, 3 grôz itewize, sondern auch im Mascul. Kl. 3519 grôz gedranc und im Femin. 868, 2 iuwer grôz unschulde; 894, 4 grôz genade hân; 1293, 1 grôz genade jehen; 1220 heten grôz unmuoze. Kl. 552 grôz triuwe, 576; aber auch 677, 1 sin grôziu sterke, Kl. 3491 grôziu ungehabe; 561 grôziu sünde. Sogar im Dativ unflectiert 675, 3 mit iuwer grôz unfuoge In 1190, 2 dô wart vil grôze danken getán ist grôze Adverbium.

Weitere merkenswerthe Fälle der abgeworfenen Flexion sind 1784, 1 Ca daz ist verlorn arbeit. 599, 3 dâ waren sîdîn hütten. 1192, 4 diu sol hie zen Hiunen gewaltec küniginne sin. 1384, 2 gesaz ûf riche gesidele, was vielleicht ein Fehler ist für richez oder richem. Der Gebrauch des unflectierten ander ist im Wörterbuch verzeichnet. Nachzutragen ist der Dativ ander nieman 1153, 4.

Ebenso lieben die Comparative unflectierte Form, nicht nur im Neutrum 718, 2 richer gewant, 575,4 bezzir pferitgereite, 1159, 4 getriuwer wip, Kl. 854. 1463, 3 verre richer wat sondern auch im Accus. Masc. Kl. 92 anthafter frouwen lip niemen vant; 1741, 2 doch N bezzeren.

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Es durfte also auch

habe gesehen, stehen bleiben, Accus. nach C. Doch steht und natürlich ohne Subst. erz. Der Nominativ des hoher bote, 2173, 3 dehein n küener, 2114 getriuwer man ist tiurer, 833, 2 iurre), 472, 4 ein verr

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