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von Gent; was sie aber dennoch sind und bleiben, brauche ich nicht zu wiederholen.

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Wenn ich damit noch einmal dargethan habe, daß, wo ich von Gent's Größe spreche, nicht daran gedacht wird, diese unbedingt anzunehmen oder seine Mängel und Schwächen zu bemånteln, so halte ich ihn doch nichts desto weniger für den größten politischen Schriftsteller, den Deutschland bisher gehabt hat. Ja! Wir lieben ihn trok dieser Schwächen! Man tadle ihn, wo man kann, aber man Lasse sich nicht beigehen, zu verkünden, das deutsche Volk habe einen solchen Geist verurtheilt oder verworfen. Man nenne uns den Mann von Entschiedenheit, Ernst, Ueberzeugung und solchen Geistesabgaben, den unsre Nation verworfen hätte. Einen Göthe etwa, weil ein paar ge schmacklose und ungeschickte Patrioten an seinem Throne rüttelten?

Und was kämpfen wir für den Schriftstellerruhm. Selbst von der Seite, von der ihr ihn angreift, steht er, wenn auch nicht sein ganzes Lebensalter in gleichem Grade, doch in einem mehr als gerechtfertigt und groß wie irgend Einer da. Es gab eine Periode, schwere, drangvolle Jahre, da ihm, als öffentlichem deutschen Charakter, unter den Schriftstellern Keiner, unter den Staatsmannern und Kriegshelden nur Wenige gleichstanden. Dies ist das erste Decennium unseres Jahrhunderts. Da war er eben aus den preußischen Verhältnissen geschieden, und in Oesterreich's Dienst zwar schon eingetreten, aber in

dessen spezielleres Interesse noch nicht aufgegangen, und eigentlich einer der wichtigsten Bundesgenossen und Schüßlinge Großbrittanniens auf dem Kontinente, desselben Großbrittanniens, das damals überall schüßen und Allen beistehen mußte, und das Niemand entbehren konnte, der an Deutschlands oder Europa's Befreiung dachte. So war er gleichsam eine privilegirte Person auf deutschem und österreichischem Boden. In dieser Epoche vereinigte sich Alles, um sein Talent zur höchsten Würde zu heben. Noch war er in der Fülle seiner Jugendkraft, nicht zermalmt von den Leiden der Zeit, nicht von der sybaritis schen Luft an der Donau erweicht, seine Stellung so günstig als der Augenblick groß und dringend, da stand er auf dem Gipfel seiner Bahn, da schrieb er seine glänzendsten und reifsten und unvergånglichsten Schriften, da war, am Schriftsteller wie am Menschen, der Verstand, der Geist, die vollendete Schönheit der Form, aber ebenso sehr seine Energie und sein Charakter zu bewundern.

Aber warum wich diese Energie von ihm? Warum blieb dieser Charakter nicht auf seiner Höhe? Wunderliche Frage. Und, so ausschließend angewandt, ein wunderlicher Maßstab, Menschen und ihren Werth zu messen! Daß auch Schwäche Schuld trug, wenn seine Kraft nachher ermattet war das geben wir euch völlig zu. Wie aber, wenn es jest siegreicher als je am Tage liegt, daß es nicht Eigen. und Verderbtheit, sondern eher zu viel Schärfe und

und befangen, v

daß es der Glanzp

des Charakters war, die ihn einseitig

unheilvoll befangen, machten, und eines Lebens war, wo, in ver

hängnißvollen Stunden, seine Grundsäge und Richtung sich für ewig firirten.

Diese Epoche des Genzischen Lebens hatte ich schon in der frühern Einleitung als die größte und entscheidende seines Lebens bezeichnet; jest liegt noch ein andres Zeugniß, ein Zeugniß seines vertrauteren Umgangs vor, das alles vorhin Gesagte in ganz unerwartet helles und unverstelltes Licht seht. Die Werke aus dieser Zeit bewunderten wir um ihrer Kraft, Würde und Angemessenheit, um ihrer Beredsamkeit, vor allem um ihrer Gediegenheit willen vor allen seinen andern Schriften; das vor ein paar Jahren erschienene Tagebuch über die Ereignisse von 1806, der Verstand, der feine, hochstehende Sinn und Blick, die patriotische Gesinnung bezauberten alle Welt; jest aber — durch die neulich zu Schaffhausen erschienenen und von Maurer-Constant herausgegebenen Briefe an Johannes von Müller (Theil I. S. 1-222) ist auch sein innerstes Herz gelüftet, und sein Charakter in voller Größe, das Schicksal seines Lebens und sein ganzes Wirken in unun» terbrochen motivirter Folge ans Licht gebracht. Seit wir diese Briefe gelesen, das räumen wir jcht Herrn von Prokesch ein halten wir Gent, in diesem Abschnitt seines Lebens, sogar für einen erhabenen Charakter. Wie klein erscheinen, diesen Zeugnissen gegenüber, die unbedeutenden Menschlein von heute, die sich über seiner Leiche gern einen Namen schaffen möchten! Der Herausgeber dieser Briefe an den Geschichtschreiber der Schweiz, mit dem Gent gerade in dieser Epoche bedeutungsvollen Umgang pflog, und bei dem er, wenn auch nicht die einzigen,

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aber jedenfalls die wichtigsten Bekenntnisse niedergelegt haben dürfte, die uns vielleicht je zu Gut kommen wer den, hat sie selbst als eine Ergänzung unseres Denkmals angekündigt, und wir halten sie für den wichtigsten Juwel seines brieflichen Nachiasses, und empfehlen sie bei dieser Gelegenheit allen Freunden dieses Geistes, wie allen Zweiflern aufs Angelegentlichste *). Eine Stelle, als herr= lichstes Zeugniß seines großartigen Sinnes und Charakters, ziehen wir zum Schluß dieses Vorworts an. Es sind Bruchstücke aus Briefen, die er im Dezember 1805 kurz nach der Schlacht bei Austerlig in niedergeschla= gendsten Momenten an Müller schrieb. Sie reichen hin,

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*) Ich bin so erfreut über das Erscheinen dieser Briefe, daß ich mit dem Herausgeber über beilaufende Mängel nicht rechten will. Bekannte Namen sind oft arg verstümmelt. Andere Irrthümer wären, auch ohne besonderen Aufwand von Scharfsinn, leicht zu beseitigen gewesen. Der erste Brief ist gar nicht von unserem Geng, sondern von einem bei Meusel erwähnten Genz, der damals, ich glaube, als Assessor zu Regensburg funktionirte und mit schäßenswerthen Bemühungen gegen den Büchernachdruck beschäftigt, sich auch an Johannes Müller wandie. Der zweite Brief ist zwar von Geng, aber nicht an Müller, sondern an Böttiger, und nicht aus dem Jahr 1793, sondern von 1797. Böttiger sandte denselben an Müller und bereitete dadurch auch das Verhältniß zwischen G. und M. vor. Mit dem dritten Bricfe beginnt erst die Reihe der an Müller Geschriebenen. Schon am Tone erkennt man den ersten Anfang des Verhältnisses. Der 14te Brief gehört nicht in dieses Jahr, sondern in die Neihe von 1806. Die Stellung von Brief 44 dürfte auch noch in Frage gezogen werden. Denen, die den herrlichen Schat schon erkannt haben, werden diese beiläufigen Berichtigungen nicht unwillkommen sein.

sein ganzes Leben zu rechtfertigen Hier sind sie:

und zu erklären.

,,Breslau, den 14. Dezember.

,,Das Schauspiel geht zu Ende, liebster Freund, und bald wird es heißen: Et nunc, spectatores, plaudite! Was jest erfolgt, sah ich, wie meine Bricfe Ihnen wohl gezeigt haben, långst voraus; aber da es nun zur Wirklichkeit kömmt, so übermannt mich denn doch Wuth und Schmerz, und ich weiß kaum, wie ich nach diesem noch leben soll. Am 4., zwei Tage nach der unglücklichen Schlacht von Turas, entschloß sich der Kaiser von Deutschland - Fürst Johann Liechtenstein hatte die Sache eingeleitet - persön= lich in's Hauptquartier des Bonaparte zu gehen, und um Frieden zu bitten. Er ging, von keinem andern (Cobenzl wollte er von Teschen holen lassen, der verfaulte Leichnam konnte sich aber nicht schnell genug nach Holitsch begeben), von keinem andern als Lamberti begleitet, in seiner gewöhnlichen, mitleidswürdigen, jest mehr als je verfallenen Gestalt; und Bonaparte empfing ihn, von allen seinen Generalen und Kammerherren und Ceremonienmeistern und dem ganzen Pomp der Majestät umgeben! Er verzieh ihm! Er versprach ihm Frieden, und zwar auf billige Bedingungen (ohne sie zu nennen); doch war die erste und vorläufige von allen schleunige Entfernung der Russen! So kam der Kaiser zurück und berichtete dem Kaiser Alexander vom Erfolg. Dieser mit großem Edelmuth (wenn es damit gethan wäre, håtte wirklich Alerander die Welt gerettet) erklärte ihm sogleich:

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