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serung des Teints angewandt wurden. Auch die Heroiden, Briefe von Heroinen an ihre entfernten Männer, gehören in dieselbe Gattung. Ovidius hat sie ohne Vorgang eines früheren Dichters componirt, und die römische Litteratur dadurch wahrhaft bereichert, so dass er bald Nachahmer fand. Ovidius war inzwischen älter geworden, und das Gefühl, dass so leichtfertige Gegenstände, wie sie bisher ausschliesslich seine Muse beschäftigt hatten, nicht mehr für ihn angemessen waren, mochte ihn lebhaft erfüllen. Auch seine Freunde waren gleichmässig in ein höheres Lebensalter getreten, und hatten sich ernsteren Studien zugewandt; ihr Einfluss auf Ovidius, der sich immer leicht von aussen bestimmen liess, war mächtig, und auch er suchte würdigere Aufgaben für seine Arbeiten. So entstand in ihm der Plan zu neuen Versuchen; er schrieb eine Tragoedie, Medea, die bei Mitlebenden wie bei Späteren grosse Anerkennung fand. Uns ist sie verloren, ob sie sich an die Medea des Euripides anlehnte, oder ob er eigene Bahnen ging, ist uns nicht mehr möglich zu beurtheilen. Jedenfalls aber ist sie der einzige dramatische Versuch unseres Dichters geblieben. Zunächst finden wir ihn nun beschäftigt mit zwei grösseren poetischen Werken, zu denen er, wie es scheint, gleichzeitig die Vorstudien machte, an denen er auch ziemlich gleichzeitig gearbeitet haben mag: es sind die Metamorphosen und die Fasten Das erstere Gedicht, diejenigen Theile aus der Fabellehre behandelnd, in denen Verwandlungen vorkommen, stützte sich seinem grösseren Theil nach auf griechische Quellen; das andere, eine Beschreibung der römischen Feste und ihrer Ursachen, nach Anleitung des Kalenders, wurzelte ganz auf römischem Boden. Mit jenem also trat er gegen viele Zeitgenossen und früher Lebende in die Schranken: in diesem ging er einen völlig neuen Weg.

Schon die Ars amandi war in gewisser Weise ein didaktisches Gedicht, doch hatte er in ihm die ihm geläufigste Form der Elegie beibehalten. Jetzt wollte er ganz die Form der Griechen adoptiren, und es ist mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass auch der Grundtypus der Metamorphosen ihm in irgend einem griechischen Muster schon vorgelegen habe. Die griechische Litteratur

war reich an Werken, die eine äusserlich an einander gefügte Reihe gleichartiger Gegenstände zu einem Ganzen zu verbinden suchte: die Theogonien, Heroogonien, der Κατάλογος γυναικῶν des Hesiodus sind Beispiele aus frühester Zeit. Es lässt sich nicht verkennen, dass in dieser bloss äusserlichen Zusammenfügung etwas Unpoetisches liegt, was nur durch die zu überwindende Schwierigkeit der Vereinigung des Unzusammenhängenden reizen konnte. Diese zu bekämpfen fanden sich Viele geneigt, und besonders das alexandrinische Zeitalter gefiel sich in dergleichen Künsteleien, da in ihm der lebendige Funke der poetischen Conception erloschen und das Dichten vielmehr zu einer Aufgabe der Gelehrsamkeit geworden war, bei welcher der den grössten Ruhm davon trug, der den widerstrebendsten Stoff bewältigt hatte. Auch hier ist manches wohl anzuerkennende Talent, allein sie finden sich sämmtlich in einer falschen Stellung: die Dichter schufen nicht aus ihrem Innern hervor, sondern sie standen auf einem fremden Boden und mussten in ihm suchen Wurzel zu schlagen. Aehnlich war es auch mit der römischen Litteratur in dem letzten Jahrhundert der vorchristlichen Zeitrechnung geworden: die einheimische Poesie, auf Italiens Boden erwachsen, mit italischen Vorstellungen genährt, in italischen Formen emporgewachsen, war gewaltsam abgebrochen, das Griechische auf den seiner Zweige und Blüthen beraubten Stamm gepfropft: kein Wunder, dass auch da vorzüglich die Mühe die auf ein Werk verwandt war den Werth bestimmte, dass man die vollkommenste Nachbildung und Aneignung der fremden Form für das Höchste hielt und diejenigen griechischen Dichter, die ein ähnliches Ziel sich vorsteckten, am meisten als Muster betrachtete. Viele der genialsten römischen Dichter haben diesen Weg gemacht: die selbstständige Entwickelung einer original-römischen und italischen Poesie ist dadurch sehr verkümmert worden. Da es aber einmal die gangbare Richtung war, so schloss auch Ovidius sich ihr an, und er scheint in seinen Metamorphosen einen oder mehrere spätgriechische Dichter vor Augen gehabt zu haben. Bestimmtes können wir hierüber nicht angeben, da alle ähnlichen Werke der Griechen uns

verloren sind und die Vergleichung daher nicht gestattet ist. Indessen werden uns Gedichte von Nikander, von Parthenius, von Phanokles u. A. angeführt, die ihm wohl als Muster vorgelegen haben können. So viel können wir mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass ein so poetischer Kopf wie Ovidius sich nicht ausschliesslich an ein einziges Muster hielt, so dass er nichts Anderes und auch nichts Eigenes hinzugefügt hätte. Uns werden für einzelne Mythen die Quellen genannt nach denen er gearbeitet haben soll, und es sind deren gar verschiedene. Wir können aber auch mit Gewissheit sagen, dass Vieles was wir bei ihm lesen gar nicht in einem seiner griechischen Vorbilder gestanden haben kann, z. B. rein italische und sicilische Sagen; ein so lebhafter Geist wie Ovidius hat auch sicher selbst hinzugethan, oder verändert, wie es sich gerade für seine besonderen Zwecke eignen mochte. Wir erkennen also in den Metamorphosen ein Werk, das allerdings nach dem Plan eines oder mehrerer ähnlichen Werke in griechischer Sprache angelegt war, aber doch von dem Dichter mit Freiheit für seine Neigungen und sein Talent umgeschaffen und umgestaltet wurde. Hätten wir es in einer völlig abgerundeten Form, wir würden uns ein viel sichereres und klareres Urtheil darüber bilden können. Im günstigsten Falle aber konnte das Werk immer nur eine kunstreich ausgearbeitete Reihe von geschickt ausgeführten einzelnen Bildern enthalten: von einem einheitlichen Plane, wie in einem Epos, kann nicht die Rede sein. Müssen wir also diesen Gesichtspunct bei Beurtheilung der Metamorphosen festhalten, so kommt noch ein anderer hinzu, der nämlich, dass das Werk nicht die Vollendung erlangt hat die sein Dichter ihm zu geben im Stande gewesen wäre. Bei der plötzlichen Wendung die sein Schicksal genommen hat gab er es auf, und verbrannte selbst das Exemplar das er davon besass. Nur durch Abschriften, die schon damals davon genommen waren, ist es erhalten worden. Wir aber können bei allem Reichthum an Schönheiten der dieses Werk auszeichnet uns nicht verhehlen, dass es noch an vielen Stellen nicht nur der letzten Feile entbehrt, sondern selbst noch ganz roh und unausgearbeitet ist. Ovidius sagt von sich: Quidquid ten

tabam dicere, versus erat, und so sehen wir hier deutlich, dass selbst seine ersten Studien und Excerpte schon in metrischer Form waren, (als ein Beispiel für viele diene Metam. VII. 350-397). So sehen wir dieselbe Fabel in verschiedenen Darstellungen wieder kehren, was Ovidius sich bei einer letzten Ueberarbeitung nicht erlaubt haben würde. Kurz, wir dürfen die Schönheiten des Buches anerkennen, es aber nicht wegen seiner Schwächen tadeln.

Aehnlich verhält es sich mit den Fasten. Auch dieses Werk ist nicht vollendet, nur die sechs ersten Monate des Kalenders liegen uns vor. Diese Arbeit wurde ebenfalls unterbrochen, zwar später wieder aufgenommen, doch nicht um es zu vollenden, sondern um daran zu bessern und Einzelnes hinzuzufügen. Jedoch hat das Werk unschätzbaren Werth für uns durch die Fülle altitalischer Sagen und religiöser Gebräuche, die uns ohne dasselbe ganz unbekannt geblieben wären. Ovidius hatte zum Behuf dieses Werkes offenbar ein ganz eigenes, weit umfassendes Studium gemacht, und sich dabei der Unterstützung und Anregung seines Freundes Hyginus erfreut. Ueber die Ausführung müssen wir dasselbe bemerken, was wir über die Metamorphosen bemerkt haben: auch hier keine Einheit des Planes, auch hier keine Vollendung im Einzelnen, doch eine Fülle von trefflichen Stellen die in sich ein kleines abgeschlossenes Ganzes ausmachen. Das Werk besteht aus sechs Büchern, deren jedes einen Monat umfasst.

Die Katastrophe die Ovidius' Leben in zwei ganz verschiedene Abschnitte theilt fällt etwa in das Jahr 760 (762) d. St., (8 n. Chr.), also da er bereits das funfzigste Jahr überschritten hatte. Auf besonderen Befehl des Augustus wurde er nach Tomi, einer Stadt Thraciens am schwarzen Meere, relegirt. Die Ursachen dieses Beschlusses sind dunkel; Ovidius gibt deren zwei an, die Ars amandi und eine zweite, die er einen error nennt, worüber wir höchstens Vermuthungen aufstellen können. Die Ars amandi war freilich aller Wahrscheinlichkeit nach schon zehn Jahre früher erschienen, allein Augustus nahm dennoch auch nach so langer Zeit noch darauf Rücksicht, und es mag diess für die grosse Beachtung zeugen die dieses

Gedicht in Rom gefunden. Augustus' Streben war bekanntlich darauf gerichtet, besonders durch Hinweisung auf das eheliche Leben die Römer in eine sittlichere Sphäre zurückzuführen: die Formen der bürgerlichen Gesellschaft waren ganz auseinander gewichen, der alte kernhafte Stamm der Römer wurde durch Sklaven und Freigelassene immer mehr und mehr verfälscht, daher suchte er theils durch Strafgesetze (lex Julia de adulteriis, lex Papia Poppaea) dem Unwesen zu steuern, theils durch Prämien und Bevorzugung bei Vergebung von Aemtern und sonstige Mittel ein sittlicheres Leben in den Formen der Ehe hervorzurufen. Eine solche Aenderung der Gewohnheiten aber macht sich niemals schnell, besonders wenn der Uebergang von dem Schrankenlosen zu dem Strengen und Gesetzmässigen verlangt wird; Augustus sah also das Erfolglose seiner Maassregeln vor Augen, er wurde älter, daher auch reizbarer und leidenschaftlicher, kein Wunder, dass er da dem Manne zürnte dessen Worte seinen Absichten so merklich entgegengearbeitet hatten. Dazu kommt dann die zweite Ursache, deren wahrscheinlichste Veranlassung irgend ein Verbrechen in der Familie des Kaisers selbst war, vermuthlich den Agrippa Postumus, seinen Enkel, betreffend. Wie weit Ovidius dabei betheiligt war, können wir nicht beurtheilen, er selbst sagt, er habe gesehen was er nicht hätte sehen sollen. Genug, der Zorn des Princeps lenkte sich auf ihn, und nun wurde auch der tief liegende Groll wegen der Ars amandi hervorgesucht; Ovid wurde von Rom entfernt. In Tomi hat der Dichter sein Leben beschlossen, nicht ohne bis zum letzten Augenblicke die Hoffnung auf Erlassung der Strafe oder Milderung seines Schicksals durch Vertauschung von Tomi mit einem anderen Orte in civilisirten Ländern zu hegen. Diese Hoffnung hielt ihn aufrecht, und neben ihr die geistige Thätigkeit des Dichters, der die Verbindung mit Rom durch zahlreiche schriftliche, gewiss meist poetische Arbeiten, zu erhalten suchte. Hier entstanden nun noch zwei grössere Werke: Tristium 1. V. und Epistolarum ex Pontol. IV. Ovidius unternahm keine grösseren Conceptionen mehr, er kehrte zu der lyrischen Poesie zurück, und gibt uns eine Reihe von rührenden Gemälden seines

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