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Ioannes Groesst: Quatenus Silius Italicus a Vergilio pendere videatur. Aquis Mattiacis 1887. 62 pagg. 8°.

Vf. untersucht in dieser fleifsig gearbeiteten Dissertation nach vorsichtiger Begrenzung des Standpunkts die Abhängigkeit des Silius. von seinem epischen Vorbild. Das erste Kapitel weist diese Abhängigkeit nach e compositionis arte und zeigt, wie viel Silius von dem epischen Rüstzeug, das er wie kein anderer in seiner ganzen Fülle verarbeitet hat, dem Vergil verdankt. Im zweiten Kapitel bespricht er die imitatio singulorum versuum. Bei aller Abhängigkeit des Silius von Vergil, wie sie sich hier in der direkten Entlehnung einzelner Verse oder in der Nachbildung anderer, sowie in der Herübernahme gleicher Versanfänge und Versschlüsse kundgiebt, ist doch das charakteristische Streben desselben nach Variation bemerkenswert Wie Silius im Gegensatz zu anderen Epikern (Homer, Vergil, Statius) die stereotype Wiederholung gleicher Verse oder Versteile in gleichem Zusammenhange vermeidet, so sucht er auch, wo es möglich ist, völlige Gleichheit in der Nachahmung zu umgehen; er ändert lediglich der Variation halber die Numeri, gebraucht für ein vergilisches Wort ein Synonymum, setzt ein verbum simplex, wo sein. Vorbild ein compositum hat, und umgekehrt, verändert die Stellung u. S. W. Dieses fast ängstliche Bestreben des Dichters erinnert uns an den Ausspruch des jüngeren Plinius, dafs Silius maiore cura quam. ingenio gedichtet habe. Das dritte Kapitel, das hier hauptsächlich in Betracht kommt, handelt de elocutione. Hier tritt der Arbeit Groessts die Schinkels, welche dem Vf. unbekannt geblieben zu sein scheint, ergänzend zur Seite, und es ist das Urteil des ersteren nach der Untersuchung des letzteren zu ergänzen und zu modifizieren. Denn wenn auch vollkommen zuzugeben ist, dafs Silius a ch hinsichtlich der Sprache in die Fufsstapfen Vergils getreten ist, so darf andrerseits nicht aufser acht gelassen werden, dafs er insofern über sein Vorbild hinausgegangen ist, als er die gräzisierende Sprache des Horaz und Ovid nachahmte und die Grenzen derselben sehr erweiterte, besonders hinsichtlich des Infinitivgebrauches (vgl. Archiv I 145). Im übrigen giebt auch dieser Teil der Dissertation Groessts ein klares Bild von der Abhängigkeit des Silius von Vergil. Dieselbe zeigt sich in der Verbindung gleicher (oder ähnlicher) Substantiva mit gleichen Adjektiven oder Substantiven, gleicher Verba mit gleichen. Substantiven, Adjektiven und Participien, in einzelnen Tropen und Figuren, sowie einzelnen Redewendungen. Aber auch hier findet man wieder in ähnlicher Weise das Streben nach Variation, das sich vielleicht auch darin kundgiebt, dafs Silius die dem Vergil entlehnten Verbindungen sehr häufig an andrer Versstelle bringt, als sie bei diesem stehen. Einzelne Wörter, die nur bei Vergil und Silius vorkommen, sind sternax und trifaux; erst bei Späteren kommen folgende von jenen zuerst gebrauchten Wörter wieder vor: armisonus, bacatus, effultus, undosus, immugire. Unrichtig citiert ist S. 61 die Geminatio von pariter; bei Vergil: Euandrus pariter, pariter Troiana iuventus (nicht pariterque), bei Silius: Neptuno pariter

pariterque Tonanti. Zu den Neubildungen des Silius, welche Schinkel citiert, dürfte von Adjektiven auf ficus aufser mitificus noch carnificus kommen. I 173 bietet nämlich die handschriftliche ÜberHeferung einstimmig carnificaeve manus, ebenso die älteren Ausgaben, erst die ed. Basil. von 1522 carnificesve; es wird wohl kein Grund vorhanden sein, von der Überlieferung abzuweichen. Ferner dürfte sich IV 59, wo überliefert ist: debellata procul quaecunque vocantur Iberis, empfehlen zu lesen vocatur Iberis, und dieses Iberis, obwohl sonst nicht vorkommend, dürfte bei der Vorliebe des Silius für griechische Kasusendungen (vgl. Schinkel p. 35) als Nebenform für Iberia zu nehmen sein.

Regensburg.

Ludw. Bauer.

Friedr. Walter: Studien zu Tacitus und Curtius. Progr. des Wilhelms-Gymn. in München. 1887. 54 S. 8o.

Der Hauptteil dieses Programmes behandelt S. 7 ff. unter der Überschrift 'Die stilistischen Berührungspunkte des Curtius und Tacitus' ein jedenfalls interessantes, aber noch nicht vollständig gelöstes und wohl auch nicht ganz lösbares Problem. Vf. hat die zahlreichen dem Curtius und dem Tacitus gemeinsamen und in den Kommentaren zu diesen Historikern vielfach citierten Phrasen und Ausdrücke auf Grund eigener Lektüre um ein Bedeutendes vermehrt, so dass, da von zufälligem Zusammentreffen kaum mehr gesprochen werden darf, nach einer Erklärung gesucht werden muss.

Ausgeschlossen hat Vf. mit Recht die bewusste Nachahmung des Curtius durch Tacitus, d. h. Curtius ist für Tacitus nicht gewesen was Sallust oder Livius. Manches wird auf gemeinsame Vorbilder (Sallust und Livius) zurückgeführt; nur läfst sich leider nicht bestimmen, wie weit man in dieser Richtung gehen dürfe, da die gröfsere Hälfte der Werke beider untergegangen sind. Aber das hat Vf. doch bewiesen, dafs nicht alle stilistischen Vorbilder in den Historien des Sallust gesucht werden dürfen, da viele curtianisch-taciteische Wendungen entschieden den Charakter der silbernen Latinität tragen und von der Diktion der Republikaner entschieden abweichen. Die Reden des Alexander und Darius (Curt. 4, 14) ähneln sehr denen des Calgacus und Agricola bei Tac. Agr. 30 ff.; aber Sallust hat beiden darum nicht wohl als Modell gesessen, weil eine solche Rede und Gegenrede aus Sallust nicht nachweisbar ist. Ob Lucullus und Mithridates in den Historien des Sallust redend auftraten, wird Schnorr näher auseinandersetzen]. Ja man wird auch zugeben dürfen, dafs es zum mindesten bedenklich ist alle Kongruenzen aus den verlornen Büchern des Livius zu erklären; denn was Curtius schreibt 4, 16, 17 intravit animos pavor. Tac. Agr. 5 intravit animum cupido scheint mir nachlivianische Neuerung; vgl. Liv. 1, 56, 10 cupido incessit animos iuvenum; 29, 3, 9 maestitia animos incessit u. s. w., wie auch Curtius 3, 22, 25 sich ausdrückt animos formido incesserat. Man müfste denn annehmen, Livius habe seinen Stil in den späteren

verlorenen Büchern verändert. Wie soll man bei solcher Sachlage urteilen?

Vf. ist nicht abgeneigt zu glauben, Tacitus habe den Curtius gelesen und seine Untersuchung hat diesem an sich unwahrscheinlichen Gedanken jedenfalls das Befremdliche genommen, sodafs die Möglichkeit zugestanden werden mag. Freilich bleibt ein Faktor, an den Vf. nicht gedacht, ganz aufser Rechnung, der stilistische Charakter der Historiographie unter den ersten Kaisern. Können nicht Zeitgenossen des Velleius gedacht werden, welche den alten historischen Stil umbildeten und mit neuen Phrasen bereicherten, die wir nun bei C. und T. finden? Vf. scheint ja auch zuzugeben, dafs der modicus flexus des Rheines bei Tac. Germ. 1 aus Pompon. Mela 3, 1 stamme, und nicht aus Curtius 6, 3, 16.

Die Konjektur Tac. Annal. 4, 65 cum in auxilium adventavisset (S. 5) empfiehlt sich von sachlichen wie vom paläographischen Standpunkte, allein die sprachlichen Bedenken gegen ein Perfekt adventavi bei Tacitus (Arch. III 558) hat Vf. doch nicht widerlegt, da Belege aus dem Spätlatein nichts beweisen und nicht die Perfecta der Verba frequentativa überhaupt bezweifelt werden, sondern nur das von adventare wegen seiner Bedeutung.

Hans Schmaus: Tacitus ein Nachahmer Vergils. Erlang. DoctorDiss. Bamberg. (Buchner) 1887. 55 S. 8°.

Sowohl die Verbreitung durch den Buchhandel als auch die Bedeutung der beiden verglichenen Schriftsteller dürften dieser Schrift einen gröfseren Leserkreis sichern. Nach einer allgemeinen Einleitung über die litterarische Nachahmung und die Ansichten der Alten darüber untersucht Vf. zuerst die (mehr als 300) von Vergil zuerst gebildeten Wörter und bekennt vorurteilsfrei, dafs das Wiederkehren des fünften Teiles derselben bei T. darum nicht viel für eine Abhängigkeit beweise, weil viele schon vor T. in die silberne Prosa übergegangen waren. So ist zwar abolere memoriam eine dem V. und dem T. gemeinsame Phrase, aber sie findet sich sowohl bei Livius und Valerius Maximus, als auch noch in den Script. rer. Langob. p. 576, 31, erfreute sich demnach allgemeiner Anerkennung. Mehr tritt die Verwandtschaft in der Verwertung der von V. gebildeten Militärausdrücke hervor, wie in belli commercia, und nach dem Vorgange des epischen belli vices wird Annal. 2, 5 sehr ansprechend das schwer erklärbare proeliorum vias in pr. vices (Agric. 18 belli vices) geändert. Besonders sind die Redensarten des Schlusses des Hexameters in dem Ohre des T. hängen geblieben, indessen meist durch veränderte Wortstellung oder andere Mittel des Metrums entkleidet, da Quintilian gerade die Klauseln in der Prosa tadelt. So finden wir complectitur armis, obstruit auris, arma ministrat, ingerit hastas, expendere poenas, tendere contra, abrumpere vitam, mortis imago, rumore secundo, bei T. wieder, aber nicht mehr als Versschlüsse, und dafs die Änderung absichtlich erfolgt sei, leidet keinen

Zweifel. Dafs man dem T. immer noch den Hexameter Germ. 39 silvam auguriis patrum et prisca formidine sacram aufbürdet, ist eigentlich unbillig, da T. das vollste Recht hatte das a vor Muta cum liquida kurz zu messen. Annal. 2, 78 vitare litorum oram entspricht dem vergilischen litoris oram; daher war die Konjektur Madvigs moram zu verwerfen, aber vielleicht auch oras zu schreiben. Die poetische Diktion schimmert namentlich in zahlreichen Tropen und Figuren durch, z. B. derigere volnera = tela, laborum nova facies. Manche dieser Parallelen waren zwar schon bekannt, allein doch nicht konsequent verwertet. Denn es wird doch sehr bedenklich Annal. 12, 68 mit Nipperdey dolore victa zu lesen, wenn der Konjektur von Heinsius evicta Verg. Aen. 4, 474 evicta dolore zu Hülfe kommt. Namentlich lehnt sich die freie Stellung der Präposition genau an Vorbilder des V. an, die man bisher, mit allgemeinen Bemerkungen zufrieden, nicht herausgefunden hatte: so Aen. 2, 65 crimine ab uno Annal. 3, 10 iudice ab uno; 11, 409 pectore in ipso 15, 18 portu in ipso; Georg. 1, 33 Erigonen inter chelasque hist. 2, 78 Judaeam inter Suriamque. Nur hat T. die Nachstellung von circum auch auf coram übertragen, und zu nachgesetztem penes ist kein Vorgänger bekannt. Vgl. Arch. IV 399, und über parte ex alia Arch. III 565. Mit derselben Umsicht werden dann die Adjektiva, Verba u. s. w. und zuletzt aus der Syntaxis casuum der Dativ und Genetiv behandelt. Tac. ann. 1, 51 (incessit itineri et proelio) wird man aber schwerlich mehr einen Zweck dativ annehmen, sondern da Pars folgt, lieber paratus einsetzen, nach Liv. 3, 27, 6. Curt. 3, 8, 23. Zu male fidus vgl. Arch. I 96; Maximin. eleg. 4, 32 non bene fidus, und male fortis in den Reichenauer Glossen 194 Förster, durch welches der Übergang zu franz. méfier gebahnt ist.

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Corpus script. eccles.

Bernh. Dombart: Commodiani carmina. (=
latin. vol. XV) Vindob. 1887. XXIV. 250 pgg. 8°.

Bei der hervorragenden Bedeutung, welche Commodian für die Kenntnis des Vulgärlateins (scripsit mediocri sermone, sagt Gennadius) hat, dürfen wir in einer neuen kritischen Ausgabe eine neue und ergiebige Quelle für die Bereicherung unserer sprachgeschichtlichen Studien erblicken, und das um so mehr, als durch neue handschriftliche Hilfsmittel, namentlich den Codex Cheltenhamensis, der Text nicht nur eine sichere Basis (Recensio) erhalten hat, sondern auch das Verständnis des Dichters auf jeder Seite durch glückliche Emendationen des Hsgb. gefördert worden ist. Wir beeilen uns daher unsere Leser auf diese längst mit Sehnsucht erwartete und uns eben durch die Freundlichkeit des Hsgb. zugehende Ausgabe aufmerksam zu machen. Mit Recht durfte derselbe mit den (fast nur zu bescheidenen) Worten schliefsen: Iam denuo prodeat Commodianus non ille quidem tersus atque limatus, at sui ipsius, spero, paulo similior.

In der Vorrede wird gezeigt, dafs C. namentlich den Horaz und den Vergil gelesen und stellenweise nachgebildet hat (die Worte

vertitur interea caelum wird er doch eher dem Vergil als dem Ennius entnommen haben); aber auch die frustula anderer heidnischer Autoren, des Lucrez, Cicero, Ovid, Tibull liefsen sich nach der Ansicht des Hsgb herausschälen, wie es M. Hertz bei Ammian gethan hat. Von Kirchenschriftstellern sind namentlich Tertullian und Cyprian (nicht aber Lactanz, wie Gennadius irrtümlich schreibt) benutzt worden. Dafs der Hsgb. die neuesten Arbeiten von Hanssen, Hartel, W. Meyer, der die distichische Komposition des Dichters entdeckt hat, u. a. sorgfältig verwertet hat, war von vornherein zu erwarten; ein Blick in den kritischen Kommentar zeigt uns zur gröfsten Überraschung, wie viel die Kritik seit Ludwig gewonnen hat. Die Lesarten der Haupthandschriften sind nicht nur mit Buchstaben, sondern oft mit Hülfe neu geschnittener Abkürzungszeichen wiedergegeben. Reiche Indices Scriptorum, Nominum, und namentlich Verborum et locutionum (p. 195 ff.) machen den Schlufs.

A. Reiter: De Ammiani Marcellini usu orationis obliquae. Progr. des Gymn. zu Amberg. 1887. 78. p. 8o.

R. hat in eingehender und gründlicher Weise das im 4. Jahrh. schon ziemlich irreguläre und bei A. noch mehr verzwickte Kapitel der oratio obliqua in 3 Teilen behandelt. Im 1. Abschnitt (S. 11–12) erfahren wir, dafs A. eine ganz stattliche Anzahl von Verben zur Einleitung der or. ob. verwendet, teils schon früher gebrauchte, teils erst ganz neu in diesen Dienst gestellte, wie librare, mussitare, arcessere etc. Der 2. Teil ist der Besprechung der Pronomina gewidmet (S. 13-33). Beachtenswert ist, dafs A., geleitet von seinem griechischen Sprachgefühle, viel häufiger als es früher geschah das Subjektspron. se ausläfst (nebenbei sei bemerkt, dafs sese sich blofs einmal als Subjektspron. findet XVIII 7, 10; der Verf. möchte selbst dieses einzige ausmerzen), dafs er mehrmals das Pron. is statt des reflexiven. gebraucht, dafs zur Bezeichnung der 2. Person der o. recta in der 0. 0. nur einmal ille erscheint, is dagegen 20mal, dafs für nunc immer tunc, für adhuc dagegen nie ad id (illud) tempus steht. Das 3. Kapitel behandelt die Modi und Tempora des Verbs (S. 34-78). Was die Hauptsätze betrifft, die eine Aussage enthalten, so steht die überwiegende Mehrzahl derselben (378) im Acc. c. Inf., eine kleinere, aber immerhin beträchtliche Anzahl wird mit quod eingeleitet, nach dem auffallender Weise öfter der Indikativ als der Konjunktiv folgt. Vf. giebt auf S. 41 an, dafs quod in 40 Fällen den Ind., in 19 den Konj. nach sich habe; auf S. 50 redet er aber von 21 Stellen des Konj., und zählen wir selbst die angeführten Beispiele zusammen, so finden wir sogar 26. In den Nebensätzen gebraucht A. ebenfalls sehr häufig den Indikativ. Dabei spricht R. den A. von einer schweren Versündigung an den Gesetzen der lat. consecutio temporum frei, indem er, gegen Hassenstein und Ehrismann polemisierend, in vielen Fällen ein Futurum exactum statuiert, wo jene einen Konjunktiv Perfekti als Stellvertreter des K. Plusquamperf. annehmen. Störend wirkt

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