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substantivierten Neutrums pervium (sc. iter)

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freier Weg, Durchgang, das mehrfach in der Litteratur begegnet. So schreibt Weissenborn Liv. XXX 10, 5 nach der wahrscheinlichen Lesart des Spirensis: malis antennisque de nave in navem traiectis ac validis funibus velut uno inter se vinculo inligatis conprendit tabulasque superinstravit, ut pervium in totum ordinem esset. Als Belege zu dem subst. pervium führt er an Sen. prov. 6, 8 non certum ad hos ictus aestimavi locum: quacumque pervium est. Fest. vici p. 371 tertio cum id genus aedificiorum definitur, quae in oppido prive, id est in suo quisque loco proprio ita aedificat, ut in eo aedificio pervium sit, quo itinere habitatores ad suam quisque habitationem habeat accessum. Dazu kommt, von Georges angeführt, Tac. hist. III, 8 Juliasque Alpes, ne pervium illa Germanicis exercitibus foret, obsepserat. Mehrmals gebraucht das Wort Gregor von Tours. Hist. Fr. III 9 p. 117, 1 cumque portae civitatis obseratae essent, et unde ingrederetur pervium patulum non haberet, incisam Archadius serram unius portae eum civitati intromisit. III 37 p. 139, 24 Gravem eo anno et solito asperiorem hiemem fecit, ita ut torrentes concatiniti gelu pervium populis tamquam reliqua humus praeberet. IX 32 p. 386, 15 rex ... praecepit, ne ullus de Childeberti regno per eius regni territurium pervium possit habere. Die im Index der neuen Ausgabe für die beiden ersten Stellen gegebene Erklärung: pervium aditus pafst wohl genau nur für die erste. Uns Deutschen stehen für die Übersetzung die Ausdrücke 'freier Weg', 'Durchgang', 'Durchpafs' zu Gebote, wenn nicht etwa III 37 pervium schon zur Bedeutung von via abgeschwächt ist, wie an den übrigen von Du Cange aus Urkunden der Merovinger- und Karolingerzeit angeführten Stellen. Jedenfalls war also das Substantiv damals ganz gebräuchlich.

Zu Plautus zurückkehrend, schlage ich vor, Aul. 437 zu lesen qui<ne) angulos omnis... mihi pervia facitis ihr macht mir alle Winkel zu Durchgängen, in jedem Winkel macht ihr euch zu schaffen, als wäre dort das pervium (cf. die Festusstelle) eines Hauses, das von vielen Mietern bewohnt wird. Pseud. 760 aber lese ich mit Spengels Interpunktion Nunc liquet, nunc defaecatumst cor mihi, nunc perviumst jetzt ist ein Durchgang da, jetzt ist der Weg frei: mit passendem Anschlufs an den folgenden Vers Omnis ordine sub signis ducam legiones meas. Damit ist Ussings Gedanke getroffen, der zu d. St. folgendes bemerkt: 'perviast tum demum ferri posset, si inveniretur substantivum pervia, quod expeditam viam significaret.'

Darmstadt.

H. Blase.

Gladiatoricius, incoepisse, luxuriator, praedicatrix.

Das in Augustins Sermo 20, 3 nach dem ältesten Codex (Papyrushandschr. des VI. Jahrhunderts, dessen Teile in Genf und Paris liegen) überlieferte animo quodam gladiatoricio, quoniam uitam desperat, quicquid potest facere ad satiandam cupiditatem et libidinem suam faciat

giebt zu der bisher als anag eignuέvov geltenden gladiatoricia herba bei Marc. Emp. 16 einen weiteren Beleg. Terenz Phorm. 964 sagt, wie mir scheint, nicht in ganz gleichem Sinne hi gladiatorio animo ad me adfectant uiam. Die beiden Adjektiva verhalten sich wie praetoricius (Mart. VIII 33, 1) zu practorius. Das m. W. allein

aus Arnob. de mund. 37 belegte incoeptus hätte nach der Vulgata an sic incoepit (Aug. Sermo 20, 2) eine erwähnenswerte Parallele. Augustin gebrauchte aber sicher nicht diese barbarische Form, sondern das im genannten Codex stehende Simplex (sic coepit). Auch luxuriator sollte nach der jetzigen Fassung der Stelle in der Predigt 21, 10 aurum habet scortator, fornicator, luxuriator in das lateinische Lexikon aufgenommen werden; aber die Papyrushandschrift giebt wohl richtig aurum habet (erg. aliquis): scortatur, fornicatur, luxuriatur. Endlich erwähne ich, dafs praedicatrix (Verkündigerin, verkündend) aufser bei Tertull. de anim. 26 auch durch August. Sermo 288, 4 belegt ist.

Rom.

E. Hauler.

Accipiter, Jagdfalke.

Ältere Belege als die Arch. IV 141 angeführten bietet Firmicus Maternus V 73: Accipitres tamen, falcones, astures, aquilas et aves huiuscemodi equosque ad venandum alere studebunt. Erunt quoque ad huiusce exercitationis negotia valde ingeniosi, unde etiam sibi non modica quaerant vitae subsidia. V 8 % 2 equorum nutritores, accipitrum, falconum caeterarumque avium, quae ad aucupia pertinent, similiter et canum, molossorum, vertagorum et qui sunt ad venationes accommodati. Hier ist mit accipiter der Habicht, mit falco der Jagdfalke bezeichnet. [Vgl. Z. f. deutsches Alterthum, XXVII 50 ff. und die Recension der Schrift 'Dombrowski, Beizjagd' von G. Baist im laufenden Jahrgange derselben Zeitschrift. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere 309. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Alterthumskunde I 453 und dagegen Wilh. Brandes in Westermanns Monatsh. LXI 281.]

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Zwickau.

H. Dressel.

Abhastare.

Ein bisher nicht bekanntes spätlateinisches Wort findet sich in den Fabeln des Romulus, 3, 14 Oest.: Securi facta homo postulabat ab arboribus, ut illi manubrium darent de ligno, quod esset firmum. Omnes oleastrum iusserunt. Sumpsit homo manubrium abhastatum securi, et.. robora. . coepit incidere. Die Bildung liefse sich mit subhastare vergleichen; doch konnte der Mensch nicht wohl den Stiel mit dem noch schaftlosen Beile abhauen, sondern er bekam denselben; andererseits fehlt der nötige Begriff der Verbindung des Stieles mit dem Beile. Da nun codex C bietet: apta secure, so dürfte unser verehrter Mitarbeiter, Prof. Dr. Herzog in Stuttgart, das Richtige

So lange

getroffen haben, wenn er vermutete: adaptatum securi. nicht bessere Belege bekannt sind, hielten wir uns daher verpflichtet, das Wort von dem Thesaurus auszuschliefsen.

München.

Dumtaxat.

Ed. Wölfflin.

Die Partikel dumtaxat macht den Philologen wie den Juristen viel zu schaffen, da sie bald mit höchstens', bald mit 'mindestens', bald auch mit 'genau' (nicht mehr und nicht weniger) übersetzt wird. In ältester Zeit erscheinen die beiden Bestandteile noch getrennt (vgl. G. M. Richardson, de 'dum' particulae usu. Lips. 1886. 92. 93) in der etwa aus dem J. 600 u. cond. stammenden Lex Silia (Corp. inser. lat. I 48): eum qui volet magistratus multare, dum minore parti familias taxat, liceto. Vgl. auch Corp. I 197, 12 sei quis magistratus multam inrogare volet, qui volet, dum minoris partus familias taxat, liceto. Die Übersetzung von Richardson: während er (die Sache) abschätzt, oder indem er es genau nimmt, trifft darin das Richtige, dafs sie als Subjekt zu taxat den die Strafe verhängenden Magistrat nimmt, während man gewöhnlich taxat mit inquit man sagt, vergleicht. Die im Kurialstile übliche Formel wurde auch in die Sprache des täglichen Lebens herübergenommen, auch wo der Magistrat nicht mehr Subjekt war.

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Dum dagegen müssen wir als Accus. der Erstreckung (= dium) mit 'so lange' übersetzen, oder aus dem Zeitlichen ins Räumliche übertragen: so weit, so fern = insoweit, insofern vorausgesetzt dafs (dummodo). Objekt von taxat ist nicht die Sache', sondern multam, welches entweder vorausgeht oder doch in multare liegt. Zur Bezeichnung der Taxation der Strafe ist an einer Stelle der Genetivus, an der andern der Ablativus pretii gebraucht. Dumtaxat bezeichnet also ursprünglich das Strafmaximum.

München.

Opus est.

Ed. Wölfflin.

Da die Deutung und Bedeutung von opus est = opis (ops) est alqa re: es ist Hülfe (geholfen) mit etwas, (vgl. Arch. IV 152) weder bei Dräger oder Kühner, noch bei Georges Handwörterbuch? zu finden ist, so glauben wir auf eine uns gefälligst von H. Medizinalrat Dr. Rues in Amberg nachgewiesene Liviusstelle aufmerksam machen zu sollen, welche dieser Auffassung zur Stütze dient. Livius 43, 19, 4 nihil Oaeno capto opus esse, nisi in potestate et Draudacum sit mit der Einnahme von O. sei nichts geholfen'. Eine neuere deutsche Übersetzung giebt richtig: nütze nichts'; auch mit... sei nichts gewonnen, sei niemand gedient' kann unter Umständen übersetzt werden. Weissenborn hat keine Bemerkung zu der Stelle gemacht.

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München.

Eduard Wölfflin.

Litteratur 1886. 1887.

C. Paucker: Supplementum lexicorum latinorum.

Das bei Calvary 1885 erschienene und im Arch. I 124 besprochene Volumen prius, welches die Buchstaben A-L enthält, wird wahrscheinlich ein Torso bleiben. Wie wir von der Witwe des verstorbenen Kollegen in München erfuhren, hatte P. wohl noch die Buchstaben M und N ausgearbeitet und das Manuscript an die Verlagshandlung gesandt; der Rest sollte leider ungeschrieben bleiben, woraus sich die Äufserung von H. Rönsch am Ende der Vorrede zu den „Vorarbeiten zur lateinischen Sprachgeschichte" 1884 erklärt: der letzte Teil des Manuskriptes hat sich unter den Papieren des Verewigten noch nicht vorgefunden.

Da das Supplementum in der Hauptsache nur eine Zusammenstellung der Einzelschriften Pauckers ist, so könnte freilich auch ohne Manuskript eine Fortsetzung geliefert werden; ob sich dieselbe vom buchhändlerischen Standpunkte rentieren würde, wissen wir nicht, und möchten es eher bezweifeln; unrichtig aber ist es das Ausbleiben der Fortsetzung mit der Weigerung der Witwe die Papiere herauszugeben zu motivieren.

K. E. Georges: Wörterbuch der lateinischen Wortformen.

Um die Leser für eine getäuschte Hoffnung zu entschädigen, erlauben wir uns mitzuteilen, dafs der Nestor der Lexikographen nicht nur an neuen Auflagen seiner Bücher weiter arbeitet (eine achte Auflage des Handwörterbuches dürfte freilich noch einige Zeit auf sich warten lassen, da die siebente in 15 000 Exemplaren abgezogen worden ist), sondern auch ein neues Werk zu vollenden im Begriffe ist, welches Ende Mai bis 'subduco' gefördert war. Nach dem unvollkommenen Versuche von Koffmane, und selbst nach Neues Formenlehre, die in dritter verbesserter Auflage sehr erwünscht wäre, blieb es ein Bedürfnis, vollständiger als es in einem Handwörterbuche möglich ist, nicht nur die selteneren Wortformen und Doppelformen zusammenzustellen, sondern, was bisher vernachlässigt war, auf die nie gebildeten oder doch offenbar vermiedenen hinzuweisen. Dass uns hierfür Georges eine solide Grundlage bieten wird, dürfen wir nach einem vorliegenden Probebogen den Lesern in sichere Aussicht stellen. Beispielsweise galten bisher stannum und stanneus als gute Formen, während sie ausschliefslich dem Spätlatein angehören und in älterer

Litteratur nur stagnum und stagnens gefunden wird. Bei Plautus Poen. 1312 'sarrapis sementium' nahm man sementium als Genetiv, obschon es Nominativ und Sarrapis (Schimpfwort wie Pseud. 195 sinapis scelera, abscheulicher Senf) Genetiv ist. [Nach gef. brieflicher Mitteilung.]

Hermann Rönsch: Semasiologische Beiträge zum lateinischen Wörterbuch. I. Heft. Substantiva. Leipzig. Fues's Verlag. 1887. 78 S. 8.

Der nach nahezu 40 jährigem Dienste in den wohlverdienten Ruhestand getretene Verfasser, früher bekanntlich Diakon in Lobenstein, jetzt in Zwickau, ist nach dieser Probe gesonnen, sein otium cum dignitate mit wissenschaftlichen Arbeiten auszufüllen, wie sein nächster Vorgänger, K. E. Georges. Er bietet uns keine semasiologischen Untersuchungen, wie wir sie wohl von Heerdegen in der Neuauflage von Reisigs Vorlesungen erwarten dürfen, sondern nur das schwer zu erreichende Material zu solchen, lateinische Wörter in neuen oder bisher ungenügend belegten Bedeutungen. In der That liegt zwischen dem Handwörterbuche von Georges und Du Cange noch manches in der Mitte, was an das Tageslicht gefördert zu werden verdient. Jedermann weifs, wie parentes die Eltern schon im Vulgärlatein Verwandte, germanus im Spanischen der Bruder geworden ist; aber damit man dies nicht als vereinzelte Wandlungen betrachte, ist es gewils von Interesse zu sehen, wie man mit compar die Gattin bezeichnete, mit fraternus den Neffen, mit iugalis (oúgvyos) gleichfalls die Gattin. Da Vf. seinen Stoff teils aus der Patristik, teils aus vulgär gefärbten Sprachquellen (Scholien und Glossen) gezogen hat, so wird zwar für die Klassiker und das Gymnasium wenig abfallen; umsomehr werden die Romanisten profitieren, welche es als Ehrenpflicht erkennen, die neuen Bedeutungen der romanischen Wörter So weit als möglich zurückzuverfolgen; denn es ist doch klar, dafs der unvergessliche Diez nicht in einem Menschenleben alles leisten konnte. So war er nicht imstande, das ital. finanza an das Lateinische anzuknüpfen, und weder Georges noch Du Cange s. v. finis bieten die Hand, während nun R. aus den Gloss. Paris. Hildebr. finis vectigal nachweist, welchem wiederum tò télos entspricht (Hild. schrieb noch: quid finis sibi velit, non capio). Man schlage nur aestivum (portug. estio), focus (feu), opus (Gang einer Mahlzeit, hors d'oeuvre), papilio (pavillon), parabola (parole), planus pes (plain pied) auf, und man wird reichen Stoff zu ähnlichen Betrachtungen finden.

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H. Meusel: Lexicon Caesarianum.
Lex.-8°.

Fascic. VIII. Berol. 1887.

Die vorliegende Lieferung schliefst auf Kol. 1544 den Buchstaben H, und damit den ersten Band des Werkes ab; eine kurze Vorrede und eine Erklärung der gebrauchten Abkürzungszeichon er

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