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Die Verba auf -illare.

II.

C. Verba, welche sicher von Verbalstämmen abzuleiten sind.

Das wenige, was hier zu erwähnen ist, führt in die älteste Zeit der lateinischen Litteratur zurück. Es sind Verba, deren Bedeutung auf die Sprache des täglichen Lebens hinweist, aus dessen Bereich sie nur selten hervorgetreten sind.

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1) Conscribo - conscribillo. Von Varro bezeugt uns Nonius p. 82, dafs er für conscripsi conscribillavi gesagt habe; man schreibt es daher jetzt Sat. Men. 76 (Bü.): Columna Herculis neoì dóğns: itaque eas inceravi et conscribillavi Herculis athlis vgl. Roeper Philol. IX 232; ebenso 280 schon bei Nonius: astrologi non sunt? qui conscribillarunt pingentes caelum. Die Bezeichnung des Geschriebenen als Geschreibsel" wäre um so harmloser, als ja im ersten Satze der Schreiber die Spitze des Ausdrucks gegen sich selbst wendet. Aber vielleicht liegt nicht einmal bestimmt etwas Despektierliches in dem Wort; es mag auch nur teils die kleinen Schriftzüge, teils die öftere Wiederholung der Handlung bezeichnen sollen; der mangelnde Zusammenhang läfst keine sichere Entscheidung zu. Nur einmal finden wir das Wort noch wieder aus dem sermo vulgaris hervorgeholt, bei Catull 25, 11: ne laneum latusculum manusque mollicellas inusta turpiter tibi flagella conscribillent; das Gedicht an den cinaede Thalle, mollior cuniculi capillo enthält auch sonst viele Deminutiva, die auf den Weichling sticheln; ihm grade mufste schon die Drohung mit Geifselhieben die zarte Haut nur so bekritzelt zu sehen besonders empfindlich sein. Die Stelle hat den galligen Humor, mit dem sonst die Komödie das oft berührte Thema des Prügelns anzufassen pflegt. Davon gleich ein zweites Beispiel. occillo. Plautus Amph. 183: qui mihi aduenienti os occillet probe. Die Richtigkeit der Deutung bei Goetz-Loewe ,,Zereggen" scheint mir durch die dort gegebenen Zusammen

2) occo

con

stellungen völlig gesichert, und zwar ist gewifs auch die Schreibung occillo der anderen occilio vorzuziehen, da jene als Deminutivbildung wohl begreiflich, diese durch die Überlieferung bei „Cyrillus" auch handschriftlich nicht aufser allen Zweifel gesetzt ist (vgl. für ähnliches Schwanken z. B. conspicillum spicilium bei Loewe Prodr. 280 f.). Freilich weifs ich weder für occo noch für βωλοκοπῶ oder βολοστροφῶ diese bildliche Verwendung nachzuweisen; aber die Annahme eines solchen äлα§ sionuevov in der Komödie ist darum doch nicht zu kühn. Jedenfalls ist weder das oscillet von Osbern, noch Dousas ossillet, noch suggillet (Scriverius-Gertz) wahrscheinlicher; wollte man ändern, so liefse sich auch an ein occellet oder auch occellat von dem bei Loewe prodr. 100 erschlossenen occello denken.

3) sorbeo sorbillo. Das Wort ist schon von alten Grammatikern öfter besprochen und zwar durchweg in dem gleichen Sinne, dafs es ein Beleg deminutiver Verbalbildung sei. Hier die Zeugnisse: Diom. 345, 23: sunt item deminutiva a perfecta forma, ut sorbillo; Cledonius 54, 31: sunt quasi diminutiva, quae a perfecta forma veniunt, sorbillo sugillo (Donat. IV 382, 3) ista sorbillo et sugillo velut diminutiva sunt. sed diminutiva non sunt, sed magis derivativa. nam a primis significationibus his de scendunt, ab eo quod est sorbeo et sugo; Pompeius Commentum 221, 1: hoc etiam in verbis possumus invenire, ut sit verbum principale et faciat diminutivum, ut est sorbeo et sugo (sugeo AB). ista principalia sunt; fiunt inde diminutiva sorbillo sugillo; Cassiodorius de orat. II de verbo: sorbeo sugo: fit inde quasi diminutio sorbillo sugillo. Sunt sine origine perfectae formae, ut vacillo, pitisso, non enim facit pito vaco. Überall ist die Schreibung mit ll durch handschriftliche Überlieferung wie durch die Beziehung auf deminutive Wörter gesichert. Nicht so ganz an den wenigen Stellen, wo das Wort in der Litteratur wirklich gebraucht wird. Terentius Ad. 591 schreibt Umpfenbach mit dem Bembinus: cyathos sorbilans paulatim hunc producam diem, ebenso Fleckeisen und Dziatzko; die anderen Handschriften haben den doppelten Konsonanten, welcher metrisch wenigstens nicht unerträglich wäre, vgl. Dziatzko, Einleitung zum Phormio S. 25. Aus ähnlichen Stellen mag sich dann Apuleius auch diese Rarität wieder hervorgeholt haben; dafs er das Wort als Deminutivum auffafste, zeigt er Met. 2, 16: idque modico prius quam totum exsorberem clementer invadit ac

relictum pullulatim labellis minuens meque respiciens sorbillat dulciter; hier ist dies die einzig beglaubigte Schreibung, während Met. 3, 14: oculos Fotidis meae udos ac tremulos et prona libidine marcidos iam iamque semiadopertulos adnixis et sorbillantibus saviis sitienter hauriebam - der cod. Laur. einfaches 1 bietet. Die übertragene Bedeutung bedarf keiner Erklärung. Aus den Glossae „Isidori“ führt Vaniček 1229 noch ein sorbillator: degulator an. Auch die bei Plautus Poenulus 397: uictitandum sorbilo sowie bei Caecilius com. fr. 73: sine suam senectutem ducat usque ad senium sorbilo bezeugte adverbiale Wendung sorbilo soll nicht unerwähnt bleiben. Bei Caecilius (aus Festus p. 339) beruht sorbilo auf Bentleys Verbesserung des überlieferten sorbitio (Spengel sorbito, Grauert sonticum), welchem die Schreibung mit 1 noch näher bliebe; an der Plautusstelle hat wenigstens cod. F. sorbillo, was man an dieser Versstelle schon mit Hinweisung auf solche Verkürzungen wie Stichus 226: cauillationes rechtfertigen müfste. Es läfst sich nämlich nicht leugnen, dafs eine echt deminutive Form hier, wo von den kleinen Bissen des armen Schluckers die Rede ist, sehr wohl passen würde. Doch mag man hierüber denken, wie man will, für das Verbum steht fest, dafs die Grammatikerzeugnisse doppeltes 1 fordern, die Handschriften es wenigstens nicht verbieten. Ist es danach nicht wohl berechtigt, das Wort mit anerkannt deminutiver Bedeutung auch zu schreiben, wie sonst ähnlich klingende Deminutiva meistens geschrieben werden? Dennoch thut man gut die Entscheidung, welche auch für andere Fälle mafsgebend sein wird, vorsichtiger zu formulieren. Zwar darüber liefse sich hinwegkommen, dafs eigentlich nur -lo das deminutive Suffix ist; wo sonst ein i vor demselben steht, ist die Weiterbildung zu illo in eben dieser Schreibung fast ausschliefslich herrschend; vgl. Corssen II 527 ff.; nur equila, nubilus und vielleicht mutilus - mutilare (Corssen II 153) könnte man ausnehmen. Viel wichtiger ist dieses. Wir wissen, dafs überhaupt das Lateinische im Inlaut oft zwischen einfachem und doppeltem 1 schwankte, wozu Corssen I 226 f. zahlreiche Belege giebt, Ott, JJhb. 1874, 1,860 die in der Volkssprache übliche Zurücknahme des Tones auf die Stammsilbe dieser Verba zur Erklärung heranzieht.*) Die Handschriften mögen also auch in diesem Falle

*) Selbst für pugilor, pugilatus u. ähnl. liest man an mehreren Stellen gut beglaubigt ; und doch zweifelt niemand, dafs diese Wörter von pugil und nicht etwa von pugillus „die Handvoll" herzuleiten sind.

die Unsicherheit der Aussprache wiedergeben, und man gewinnt einen neuen Beleg zu dem Corssenschen Satz: „Aus diesen Schwankungen der Schreibweise erhellt, dafs 11 im Inlaut lateinischer Wörter, da das zweite 1 nach Plinius sehr dünn lautete, dem einfachen 1 sehr ähnlich klang."*)

D. Verba, bei denen wenigstens Anlehnung an Verbalstämme angenommen wird.

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1) focillo. Wieder ist die Überlieferung sehr schwankend, und die Herausgeber haben daher bald focilo, bald focillo vorgezogen. Will man der Etymologie folgen, so ist doppeltes 1 mehr berechtigt, sobald es gelingt, deminutiven Charakter an dem Worte nachzuweisen. Kessler sowohl wie Schwabe behaupten ihn bestimmt, ohne der Bedeutung weiter nachzugehen. Die Schwierigkeit das Wort unmittelbar von fovere abzuleiten, verkennt aber Schwabe keineswegs, und sie ist auch durch Corssens Annahme (Krit. Beitr. S. 57) eines Stammes fogu *foguere fovere, welches eben doch nur eine Annahme ist, nicht gelöst; nach sorb-illare, conscrib-illare erwartet man doch fov-illare. Mindere Schwierigkeit bietet Vaničeks Deutung, welche sich ähnlich schon bei Gros ad Suet. Aug. 17 findet. Wenn man zu foculus bei Nonius p. 10, 11 ein foculo foveo findet, aus Gloss. Labb.**) ein focillus,,kleiner Herd" überliefert wird, so würde freilich zunächst ein von diesem Concretum abgeleitetes Verbum nur etwa bedeuten,,mit einem kleinen Herd in Verbindung bringen" oder „einen kleinen Herd machen". Das ist aber gar nicht der Sinn des oft gebrauchten Wortes. Vielmehr heifst es (durch Erwärmung) wiederbeleben, hegen und pflegen"; die Bedeutung weist

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*) cantilo, welches man doch wohl am leichtesten aus canto mit einer Anlehnung an cantilena herleitet, steht nur viermal bei Apuleius und jedesmal in den besten Handschriften mit einem 1. Die deminutive Bedeutung, welche Georges durch die Übersetzung,,trillern" anzudeuten scheint, ist an keiner Stelle geboten; es fällt also auch diese Stütze für 11 fort. Das Wort verdankt seinen Ursprung wohl nur der affektierten Laune des Apuleius. Met. IV 8: strepitu cantilant sc. iuvenes; Flor. 3 (K. 4, 14): gratissime cantilat sc. Apollo; 15 (K. 17, 17): quos Anacreon cantilat; 17 (27, 8): in solitudine cantilavit „Orpheus in silvis, inter delphinas Arion“ (= Verg. Ecl. VIII 56). Du Cange führt das Wort in gleicher Bedeutung aus einem späten Autor an; mit welchem Recht er 11 schreibt, weifs ich nicht zu sagen.

**) Die Redaktion mufs diese Citationsweise stehen lassen, bis wir das Corpus glossarum besitzen.

also allerdings grades wegs auf fovere hin, mit welchem es z. B. bei Fronto p. 88, 5, bei Cyprianus ep. 18, 2 p. 524, 11 eng verbunden wird. Vielleicht ist es erlaubt, die Form so zu erklären, dafs unter dem Einfluss der oft gehörten Nomina focus und foculus das c in das Verbum eindrang*); die Bedeutung legte eine Anlehnung an Koseformen nahe. Von einer eigentlichen Erwärmung des Körpers ist an keiner Stelle die Rede; die sinnliche Bedeutung ist sogar überhaupt seltener belegt als die übertragene. Fronto erzählt p. 88, 5 von sich, die Cholera habe zwar den Ärzten nicht einmal die occasio ac tempus fovendi gelassen; schliesslich doch: focilatus totus sum; bei Plinius ist es zweimal in den Briefen von jemand gesagt, welcher sich von heftigen Schlägen erholen mufs: ep. 3, 14, 4: aegre focilatus; 3, 16, 12: focilata... inquit; ganz ähnlich bei Cyprianus ep. 40 p. 586, 5: der Leidende ist zwar semiustulatus et lapidibus obrutus et pro mortuo derelictus, allein der Sorge der Tochter gelingt es, ihn zu finden: semianimis inventus et extractus et focillatus a comitibus... remansit invitus; Pelagonius 30 p. 105: cibariis fociletur. **) Wieder einmal ist die bildliche Verwendung viel älter bezeugt; aus Varro hat es uns Nonius als Deponens erhalten 181, 12: de vita P. R. 2 fr. 7: propter secundas sublato metu, non in communi spectant, sed suum quisque diversi commodum focilatur (alii focillantur), dann im Aktiv bei Seneca epist. 13, 14: pudet me ibi sic tecum loqui et tam lenibus te remediis focillare; Sueton. Aug. 17: M. Antonii societatem semper dubiam et incertam, reconciliationibusque variis male focillatam, abrupit tandem; Cyprianus ep. 18, 2 p. 524, 11: ceteram quoque partem plebis quae lapsa est praesentia vestra fovete et ut a fide et misericordia Domini non deficiant vestro solacio focillate; Hieron. epist. I 32, 2: duplici pietatis officio focillavi. Man sieht, wie die lindernde Heilkraft der Wärme von körperlichen auf seelische Leiden übertragen wurde, ein Bild, welches ja auch unseren Anschauungen wohl vertraut ist. Dafs bei einem Worte von solcher Bedeutung Zusammensetzung mit re- nahe lag, ist offenbar, und so findet

*) Auf foculo wage ich nicht mich bestimmt zu berufen, da die Worte des Nonius: focula dicta sunt nutrimenta; unde et foculare dicitur ut fovere über den Gebrauch und Sinn des Wortes doch gar zu wenig Deutliches aussagen.

**) Vgl. Festus 85, 5: focus, fomenta, focillationes, foculi a fovendo, id est calefaciendo dicta sunt.

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