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in carm. 69 und 77, 7-10 finden würde. Zugleich fügt er die Bemerkung hinzu:,,Ist Lesbius die richtige Lesart, so weiss ich nicht, wie man der Bemerkung Murets ausweichen will, dass der berüchtigte Publ. Clodius verstanden werden müsste. Das Epigramm hat aber einen viel zu milden Ton, als dass darin ein unsittliches Verhältniss zwischen jenen Geschwistern gebrandmarkt wäre.“

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Der letzten Bemerkung Jungclaussens stimme ich völlig bei. Ich mache auch noch weiter gegen jene Annahme geltend, dass jenes Verhältniss in eine ganz frühe Zeit fällt, wo Publ. Clodius nach Cicero's Aussage noch nicht robustus" war (harusp. resp. §. 42; vgl. S. 102). Wie sollte Catull hier unter den Rivalen-Liedern auf jene garstige Sache, die sich lange vor seinem Bekanntwerden mit Clodia zugetragen, zurückkommen? Und endlich lässt sich aus dem Schlusse des Gedichts ein directer Beweis führen, dass Publ. Clodius nicht gemeint sein kann. ,, Wenn Lesbius 3 Küsse von seinen Kindern erhalten wird, dann will Catull mit allen seinen Gentilen sich von ihm als Sklav verkaufen lassen." Die Wette hätte gar böse für Catull ablaufen können, denn Publ. Clodius hatte zwei Kinder, einen Sohn Publ. Clodius (P. f. Ap. n. Ap. pron. Orelli inscript. 578) und eine Tochter Clodia.

Dennoch aber muss der Name Lesbius, der freilich nur als Clodius gedeutet werden kann, beibehalten werden. Er steht ohne Variante in allen mir zugänglichen Handschriften, guten wie schlechten. Die Variante Caelius des sehr schlechten Cod. Cuiacian. verdient keine Beachtung, ebenso wenig als Statius' angebliche Variante Gellius. Beides sind augenscheinlich nur Erklärungsversuche gelehrter Abschreiber. Aber der Clodius unseres Gedichtes muss ein anderer sein als Publius Clodius. Die im Anfange dieses Cap. chronologisch zusammengestellten Nachrichten über das Leben der Clodia nennen auch einen Sextus Clodius, mit dem sie in einem nahen Verhältnisse gestanden hat. Dieser Sextus war der treue Helfershelfer ihres Bruders bei seinen demagogischen Umtrieben, nicht ein Verwandter, sondern Freigelassener der Clodier, also ein ehemaliger Sklave. Nach Cicero bethätigte er seine Liebe zu Clodia in einer ganz besonderen Manier, von der Aristophanes in den Wespen v. 1283 sagt, dass sie der liederliche Musikant Ariphrades erfunden habe: γλωττοποιεῖν εἰς τὰ πορνεῖ εἰσίονθ' ἑκάστοτε. Unter dieser Voraussetzung des riwττолov und des Gentilitätsverhältnisses zwischen Sext. Clodius und Clodia, welches aus der Freilassung hervorging, erklärt sich dies sonst völlig dunkele Gedicht, an dem man bisher

vergeblich zu emendiren und zu interpretiren versucht hat. Mit einigen Umschreibungen können wir es übersetzen:

Lesbius, ihr Gentil, ist schön! Nun, seine Küsse amüsiren, ja mit dem kann ich und meine ganze Gens nicht concurriren; doch als Sklav leg ich mit meiner ganzen Gens mich ihm zu Füssen, wird er je mit seiner Zunge einen Sprössling sich erküssen.

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Das Gentilitätsverhältniss ist durch den gleichen Gentilnamen Lesbius und Lesbia ausgedrückt. cum tota gente Catulle tua" steht im Gegensatz zu Lesbia's Gentilen: ,,so wie Lesbia's Gentile zu küssen versteht, so kann ich es nicht und kein einziger aus meiner ganzen Gens“.

,,vendat Catullum cum gente“, „dann soll er aus Catull und jedem seiner Gentilen machen, was er früher selber war, einen Sklaven". Die unerreichbaren „,tria natorum suavia“ im Gegensatz zu den zwecklosen suavia des Clodius, aus denen niemals Kinder hervorgehen konnten. Die Conjecturen von Scaliger,,notorum", von Calpurnius,, amatorum", von Heinsius,, amatorum surpuerit" sind alle verfehlt.

1

Egnatius und seine Kameraden:

37. Salax taberna vosque contubernales, a pileatis nona fratribus pila,

5

10

solis putatis esse mentulas vobis,
solis licere, quicquid est puellarum,
confutuere et putare ceteros hircos?
an, continenter quod sedetis insulsi
centum an ducenti, non putatis ausurum
me una ducentos irrumare sessores?
atqui putate: namque totius vobis

frontem tabernae scorpionibus scribam.
Puella nam mi, quae meo sinu fugit,
amata tantum quantum amabitur nulla,
pro qua mihi sunt magna bella pugnata,
consedit istic. hanc boni beatique

15

omnes amatis, et quidem, quod indignum est,
omnes pusilli et semitarii moechi;

tu praeter omnes une de capillatis,

cuniculosae Celtiberiae fili

Egnati, opaca quem bonum facit barba

20 et dens Hibera defricatus urina.

Ihr, in der saubern Kneipe dort, ihr geilen Bocksnaturen, neun Pfeiler von den Statuen der beiden Dioskuren, ihr sagt, es sei'n nur euch allein bescheert des Mannes Rechte, nur euch ein Freipass ausgestellt zum anderen Geschlechte? Stinkböcke sei'n die übrigen? Und ist gleich grösser eure Zahl als hundert und zweihundert noch, bleibt euer Witz doch ewig schaal:

ich ganz allein, ich stopfe euch, seid auch zweihundert ihr, den Mund,

mein Vers bohrt wie ein Kriegsgeschoss die ganze Kneipe in den Grund.

Dort sass die Frau, die ich geliebt, wie nie ein Anderer geliebt, für die gekämpft ich manchen Kampf und die jetzt Buben sich ergiebt.

Ihr Alle rühmt euch ihrer Gunst? Elende, winz'ge Wichte ihr, sonst kennt euch, wenn ihr Schätze sucht, nur das verrufenste Quartier,

vor allen du, mit dickem Schopf, du fadester der Gecken, Egnaz aus Celtiberien, wo die Kaninchen hecken, du dessen ganze Trefflichkeit in nichts besteht als starkem Bart und Zähnen, die du mit Urin geputzt nach Celtiberer-Art.

39. Egnatius, quod candidos habet dentes,

renidet usque quaque. sei ad rei ventum est
subsellium, cum orator excitat fletum,
renidet ille. si ad pii rogum fili

5 lugetur, orba cum flet unicum mater,

10

15

renidet ille. quicquid est, ubicunque est,
quodcunque agit, renidet. hunc habet morbum,
neque elegantem, ut arbitror, neque urbanum.
Quaré monendum te est mihi, bone Egnati.

Si urbanus esses aut Sabinus aut Tiburs
aut parcus Umber aut obesus Etruscus
aut Lanuvinus ater atque dentatus

aut Transpadanus, ut meos quoque attingam,
aut qui lubet, qui puriter lavit dentes,
tamen renidere usque quaque te nollem:
nam risu inepto res ineptior nulla est.
Nunc Celtiber es: Celtiberia in terra,
quod quisque minxit, hoc sibi solet mane
dentem atque russam defricare gingivam,
20 ut quo iste vester expolitior dens est,
hoc te amplius bibisse praedicet loti.

Egnatius lacht überall, er hat ja blanke Zähne,

lacht wenn der Anwalt im Gericht hervorlockt unsre Thräne, lacht, wenn am Grab des einz'gen Sohns im höchsten Schmerz die Mutter weint,

lacht immerdar, was auch gescheh. Das ist ein Makel, das erscheint nicht elegant und nicht urban, drum lass dich warnen, guter Freund.

Und wärst du aus der Residenz, wärst du ein Tiburtiner, ein schmaler Umbrer, dicker Tusker, wärst du ein Sabiner, wärst du ein gut bezahnter und gebräunter Lanuviner, ein Transpadaner (dass ich auch mein Vaterland erwähne), wärst du aus irgend einem Land, wo man sich seine Zähne manierlich putzt, auch dennoch rieth ich dir, nicht stets zu lachen, denn abgeschmackter kann man sich auf keine Weise machen. Nun bist ein Celtiberer du; im Celtiberer-Land benutzt man seinen eigenen Urin, wenn Morgens man die Zähne putzt; und so verräth uns jedes Mal der Zähne weisses Blinken, wie viel du deiner Zahntinctur zu Liebe musstest trinken.

Diese beiden nahe zusammengehörenden und offenbar kurz hinter einander geschriebenen Gedichte gehören zu den spätesten unseres Cyclus; auch aus Catulls eignen Worten, 37, 13: pro qua mihi sunt magna bella pugnata geht hervor, dass er vor ihrer Abfassung schon manches Rivalen gedicht geschrieben haben muss. Trotz der Worte: amata tantum quantum amabitur nulla und trotz des erregten Tones ist es nicht sowohl die Leidenschaft der Liebe, als die gekränkte Eitelkeit, die den Dichter zu diesen Versen treibt. Clodia's Liebhaber ist jetzt Egnatius, geil wie die Kaninchen seines Vaterlandes Celtiberien (denn das soll wohl der Zusatz 37, 18 besagen, vergl. 15, 1;. Varr., R. R. 3, 12, 6), stolz auf seinen Bart und seine weissen Zähne, fad und abgeschmackt sonder Gleichen, der fortwährend lacht, um seine weissen Zähne zu zeigen, obwohl man recht gut weiss, auf welche schmutzige Celtiberer- Weise er sie sich rein putzt. Auf den Alleinbesitz Clodia's macht er keine Ansprüche, er theilt ihre Gunst willig mit seinen guten Kameraden, mit denen er in einer liederlichen taberna, neun Pfeiler von dem Standbilde der Dioskuren, zusammenlebt. Dies ist natürlich keine taberna literaria, kein Bücherladen, sondern eine taberna von der Art, welche man sonst als gurgustium, ganea und popina bezeichnet. Solche Oerter wurden zwar vorzugsweise von Matrosen, Schinderknechten, Sargverfertigern, Sklaven und Diebsvolk frequentirt (Juv. 8, 173), aber schon seit der Zeit des zweiten punischen Krieges gab es Tabernen, die auch von jungen Söhnen rechtschaffener Eltern stark besucht wurden; da soll schon der Prätor Cn. Fulvius, der bei Herdonea vor Hannibal floh, seine Jugend zugebracht haben (Liv. 26, 2), das war ein Lieblingsaufenthalt für Clodius wie später für Caligula gewesen (pro Sext. § 20; Sueton. Calig. 11), da hatte auch der ehrenwerthe Consul Gabinius schon früh vor der elften Stunde ein Glas als Stärkung für seinen schlechten Magen getrunken, so entschuldigte er sich wenigstens, als er ganz nach Wein riechend von dort zu Haus ging und hier von Cicero erwartet wurde, in Pison. § 13. Solch eine Taberna war es, in welcher Egnatius und seine Kameraden die Stammgäste bildeten (sedetis continenter; sessores) und auch Lesbia hatte dort einst ihre Freunde besucht (consedit istic). Da waren denn die Zechgenossen sehr übermüthig geworden, hatten über die früheren, nunmehr verabschiedeten Liebhaber den schlechten Witz gemacht: sibi solis esse mentulas, solis licere quidquid est pullarum confutuere, die übrigen seien hirci. Dieser letztere Ausdruck bezog sich eigentlich

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