Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

der Freundschaft Lesbia's Einer dem Andern Platz machten, lässt sich kaum annähernd bestimmen, doch hatte sich jeder von ihnen wohl nicht zu lange der Gunst Clodia's zu rühmen; „ideo ego pacem Pyrrhi diremi, ut tu amorum turpissimorum quotidie foedera ferires?" wirft ihr der von Cicero pro Cael. §. 34 heraufbeschworene Schatten des alten Appius Claudius Caecus vor. Für das Verständniss der Gedichte ist es nothwendig, mit denen an Gellius zu beginnen.

L. Gellius Poplicola.

In sieben Spottgedichten erscheint der Name Gellius. Aber er bezeichnet nicht ein und dieselbe Person. Nur vier von ihnen sind gegen Catulls Rivalen gerichtet (es sind diejenigen, welche in der alten Handschrift continuirlich neben einander standen, vgl. S. 31), die drei übrigen schmähen dessen gleichnamigen Oheim. Dieser ältere Gellius war einer der eifrigsten Anhänger des Clodius, jenes „, Scyllaungeheuers mit den wüthenden gegen die Rostra beissenden Mäulern, von denen eines Gellius war", de harusp. resp. § 53. Wie wacker er dem Demagogen zur Seite stand, zeigt besonders ad Attic. 4, 3, wo Cicero triumphiren zu können glaubt, dass jetzt Clodius von seinem Anhange verlassen sei und ihm kaum noch der designator Decimus, kaum noch Gellius zur Seite stehe. Zugleich war aber Gellius ein Mann von wissenschaftlichem und poetischem Sinne, er war ein grosser Freund der griechischen Literatur: er war auch selber Poet und hatte namentlich Lustspiele geschrieben. Dies war besonders das Band, welches seinen Umgang mit Catull vermittelte.

Der Clodianer Gellius hatte einen jungen Neffen. Wie jener mit dem Bruder Clodius, war dieser mit der Schwester Clodia liirt. Auch mit ihm hatte Catull vielen Verkehr (91, 7 quamvis tecum multo coniungerer usu), doch hielt er niemals viel von ihm und hatte ihn nie von einer guten Seite kennen gelernt (91, 3 non ideo quod te cognossem bene constantemve putarem aut posse a turpi mentem inhibere probro). Dennoch hatte er nicht ahnen können, dass Gellius ihn hätte um seine Liebe zu Lesbia betrügen und sich selber deren Gunst erwerben wollen. Aber nun hat es Gellius doch gethan und Catull rächt sich durch folgende vier Gedichte, die wohl in derselben Reihe, wie wir sie angegeben, auf einander gefolgt sind:

1.

91. Non ideo, Gelli, sperabam te mihi fidum

5

10

in misero hoc nostro, hoc perdito amore fore, quod te cognossem bene constantemve putarem aut posse a turpi mentem inhibere probro.

Sed neque quod matrem nec germanam esse videbam hanc tibi, cuius me magnus edebat amor.

Et quamvis tecum multo coniungerer usu,

non satis id causae credideram esse tibi.
Tu satis id duxti: tantum tibi gaudium in omni
culpa est, in quacunque est aliquid sceleris.

90.

5

2.

Nascatur Magus ex Gelli matrisque nefando

coniugio et discat Persicum aruspicium:
nam Magus ex matre et gnato gignatur oportet,
si vera est Persarum impia relligio,

gnatus ut accepto veneretur carmine divos
omentum in flamma pingue liquefaciens.

3.

89. Gellius est tenuis: quid ni? cui tam bona mater tamque valens vivat tamque venusta soror

5

tamque bonus patruus tamque omnia plena puellis cognatis, quare is desinat esse macer?

qui ut nihil attingat, nisi quod fas tangere non est, quantumvis quare sit macer invenies.

4.

88. Quid facit is, Gelli, qui cum matre atque sorore prurit et abiectis pervigilat tunicis?

quid facit is, patruum qui non sinit esse maritum? ecqui scis quantum suscipiat sceleris?

5 suscipit, o Gelli, quantum non ultima Thetys nec genitor Nympharum abluit Oceanus:

nam nihil est quicquam sceleris, quod prodeat ultra, non si demisso se ipse voret capite.

Einer jeden Art von Incest hatte sich Gellius schuldig gemacht, mit der Mutter, mit der leiblichen Schwester, mit der Tante, der Gattin seines Oheims Gellius. Mit diesen Schandthaten beladen wird Gellius für Alle erkennbar an den Pranger gestellt. Schon im ersten Gedichte, in welchem Catull ihm seine Fehde ansagt, hält er ihm dies in sarkastischer Weise vor: nur deswegen hätte er nicht geglaubt, Gellius würde der Lesbia nachstellen, weil sie weder seine Mutter noch seine Schwester sei. Im zweiten sagt er, das sei Barbarensitte, wenn Sohn und Mutter sich verbinden: so würden bei den Persern die Magier geboren; auch aus Gellius' Verbindung würde ein Magier hervorgehen. Das dritte und vierte Gedicht fügt noch den Incest mit seines Oheims Gattin hinzu, das dritte Gedicht in schnödem Spotte: „, wie darf man sich wundern, dass Gellius so zart ist?" (tenuis, zunächst als ein lobendes Prä-, dicat zu fassen, das ihm die Gunst der Lesbia erworben. cf. 79, 1; 24, 7); „er muss ja wohl zart und mager sein, da ihm das ganze Haus von wackeren Weibern seiner Verwandtschaft voll ist"; das vierte Gedicht im Tone ethischer Entrüstung: „Gellius hat eine solche Last von schmutziger Schande auf sich geladen, dass selbst im Ocean nicht Wogen genug sind, um sie abzuwaschen, nihil est quidquam sceleris quod prodeat ultra" (in der That gilt dem Bewusstsein des Römers der Incest als das grösste der Verbrechen, nur der Vatermord ist ein noch grösseres).

99

Der Gellius dieser Gedichte, ist nicht wie Drumann annimmt (Röm. Gesch. 3, 67), der Clodianer, den wir aus Cicero kennen, sondern der jüngere Gellius, von welchem Valer. Max. 5, 9, 1 erzählt, der Sohn des braven L. Gellius Poplicola, der im J. 72 das Consulat und 74 die Censur bekleidete (dieselbe Censur, in welcher die berühmte Musterung über Pompejus gehalten wurde). Der alte Gellius war ein sehr achtbarer Mann und Freund des Cicero, für den er nach der Unterdrückung des Catilinarischen Aufstandes auf die Bürgerkrone antrug und sich späterhin um die Zurück berufung aus dem Exile bemühte, post redit. § 17; in Pison. § 6; ad Attic. 12, 21; Gellius 8, 6. So achtbar der Vater, so verbrecherisch war der Sohn, der begünstigte Rivale Catulls. Es war seine Stiefmutter, mit der er nach Valerius Maximus in incestuosem Umgange lebte; Catull sagt zwar mater schlechthin, dass aber auch Catull darunter die Stiefmutter versteht, ergiebt sich indirect aus den Worten 91, 5: neque matrem neque germanam, d. h. die leibliche Schwester, nicht die Stiefschwester. Dann machte er einen An

[ocr errors]

schlag auf das Leben seines Vaters; dieser stellt ihn vor ein Senatorengericht, welches den Angeklagten freispricht. Dieser Versuch des Vatermordes fällt erst nach Abfassung unserer Gedichte, vielleicht in die Zeit, wo Catull nach Bithynien abgereist war, wissen wir doch, dass Gellius' Vater noch im J. 55 lebte, in Pison. § 6; Brut. § 174; Plut. Cic. 26. Denn wäre Gellius schon damals, als Catull jene Gedichte schrieb, dieses Verbrechens angeklagt worden, so hätte Catull sicher auch dies nicht unerwähnt gelassen, ja dies hätte dann sogar hinter 88, 7 (nam nihil est quicquam sceleris quod prodeat ultra) nothwendig erwähnt werden müssen an Stelle des obscönen non si demisso se ipse voret capite. Das spätere Leben des Gellius entspricht der Verruchtheit seiner Jugend. Nach Cäsars Tode zog er mit Brutus nach Asien, aber trotz der vielen von Brutus empfangenen Gunstbezeigungen machte er sich kein Gewissen daraus, auch gegen ihn einen Mordversuch zu wagen. Trotzdem, dass er von Brutus begnadigt wurde, trachtete er auch alsbald dem Cassius nach dem Leben und als ihm auf Verwenden seiner Mutter Palla (die von seinem Vater geschieden und dann mit Valerius Messala vermählt war), auch von Cassius verziehen wurde, lohnte er durch Verrath seiner Partei an Antonius und Cassius, Dio Cass. 47, 24. Endlich brachte er es trotz aller seiner Verbrechen noch zum Consulate im Jahre 36. Dio Cass. 48, 53; 49, 24; Fasti Cap. ad ann. 718: „L. Gellius L. f. L. n. Poplicola.“

Gellius Poplicola, der Oheim.

In den beiden letzten Spottgedichten auf den jungen Gellius (89 u. 88) ist auch der Oheim desselben in einer Weise erwähnt, die diesem gewiss nicht angenehm sein konnte, 88, 3: quid facit is, patruum qui non sinit esse maritum? 89, 3: cui vivat tam bonus patruus. Aber es liegt durchaus keine Bosheit gegen den Oheim darin, vielmehr nur die Denunciation der grossen Ruchlosigkeit, die sich sein Neffe gegen dessen Frau erlaubt. Anders in dem Gedichte

74. Gellius audierat patruum obiurgare solere,
siquis delicias diceret aut faceret.
Hoc ne ipsi accideret, patrui perdepsuit ipsam
uxorem et patruum reddidit Harpocratem.

5

Quod voluit fecit: nam, quamvis inrumet ipsum
nunc patruum, verbum non faciet patruus.

Hier ist mit Uebergehung der stupra des jungen Gellius mit der mater und germana, die in den vier vorausgehenden Gedichten vorwiegend der Gegenstand des Vorwurfs sind, blos vom Verhältniss des Neffen zum patruus die Rede und zwar in einer Weise, dass dadurch viel mehr der Oheim als der Neffe gehöhnt wird. Gutes wird freilich von dem Neffen nicht gesagt, aber der eigentliche Gegenstand des Spottes ist sichtlich der Oheim. Er that vordem so gross mit seiner Sittlichkeit, aber der Neffe hat ihn gründlich zum Schweigen gebracht, hat ihn zum völligen Harpokrates gemacht. Und zu dem stuprum mit der amita kommt etwas Neues hinzu: quamvis irrumet ipsum nunc patruum, verbum non faciet patruus. Dies letztere kann man freilich, wie die Worte lauten, auf zweierlei Weise verstehen: „Auch wenn er den patruus jetzt irrumiren will, wird dieser kein Wort sagen" oder „Obgleich er den patruus jetzt irrumirt, der patruus wird kein Wort davon sagen". Es ist aber nun auf die letztere Weise zu verstehen, das sehen. wir aus dem in der ursprünglichen Handschrift unmittelbar darauf folgenden Gedichte:

80. Quid dicam, Gelli, quare rosea ista Iabella

5

hiberna fiant candidiora nive,

mane domo cum exis et cum te octava quiete
e molli longo suscitat hora die?

nescio quid certe est: an vere fama susurrat
grandia te medii tenta vorare viri?

sic certe est, clamant, sunt oris rupta miselli

illi demulso labra notata sero.

Der Gellius, der hier angeredet wird, ist laut v. 5 nach dem Gerede des Volkes ein irrumatus, und deshalb sind seine früher so rothen Lippen jetzt weiss wie Schnee. Das Schlussdistichon ist in den Handschriften verdorben, es lautet im cod. D.:

Sic certe est clamant uictoris rupta miselli

ille demulso labra notata sero.

Das Wort ille ist prosodisch unrichtig, wir haben durch illi den Spondeus hergestellt (in den alten Handschriften mochte illei geschrieben

« ZurückWeiter »