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Geschicklichkeit, durch welche Germanus den Briten in einem Kriege mit den Picten und Sachsen zu Hülfe kam, fochten zus gleich gegen Pelagius. Auf einer zweiten Reise im Jahre 446, welche der obgedachten Sendung der Briten vielleicht vorangegangen, gewiß aber mit derselben in engerm Zusammenhange steht, begleitete auch Severus, Bischof von Trier, den Germas nus nach Britannien, wo sie eine der legten Äusserungen der römischen Gewalt in diesem Lande durch die Verbannung der Pelagianer bewirkten '); eine Maßregel, welche die Schwäche der bald ganz vernichteten religiösen Überzeugung andeutete und die uns den Verlust der ersten römischen Provinz an die Heiden durch dieselbe Krankheit dialektischen Sectengeistes ers kennen lässt, durch welche ein Jahrtausend spåter die legte Feste des ungeheuren Staatenconglomerates gleichfalls die Beute der Ungläubigen wurde.

Das Schauspiel welches Britannien jezt darbot, ist eines der traurigsten, aber zugleich der merkwürdigsten in der Weltgeschichte. Es war erlöset von der Habsucht des römischen Procurators, es war befreiet von dem übermuthe der Cohors ten der Cäsariaden; aber diese Freiheit dankte die Nation nicht ihrem Muthe und höheren Trieben. Daher ward Freiheit für fie Schußlosigkeit, Unabhängigkeit ward Anarchie. So sehr der Geschichtsforscher sich auch bemüht nachzuweisen, daß das Verderben jenes Land allmålig umspann, daß die Verwaltung fich allmålig ånderte und die Vorgänge und Ansichten späterer Zeit schon Vorbilder in der früheren fanden, daß manche feste Grundfäden sich stets erhielten, während nur die äussere Hülle wechselte: so können wir doch nicht leugnen, daß nie ein Land so schnell eine gebildete Sprache abwarf, welche vielen Generationen der Eingebornen, geschweige den Ansiedlern die Muttersprache geworden war, daß nie die christliche Religion so schnell und spurlos gegen Heidenthum und Unglauben vertauscht ist, daß eine ähnliche politische und moralische Entwürdigung, wie sie in dem größten Theile des romanisirten BritenLandes stattfand, nach so mancher traurigen Lehre ein unerFlärliches Räthsel scheint. Dieses war das beklagenswerthe

1) Beda l. I. Vita S. Germani.

Geschick des Landes, dem die römische Eroberungssucht die Nationalität zerstört hatte, nach deren Vernichtung es nicht die Kräfte zum Widerstande gegen die rohsten Feinde behielt. Und auf diesem Boden sollte binnen kurzem ein Volk erstehen, wel ches eines der festesten Bollwerke des Christenthumes zu wer den bestimmt war, bald die edelsten und weisesten Herrscher hervorbringen sollte, eine Literatur, wie keine der Zeitgenossen in jenem Jahrhunderte aufweiset und eine Macht zu erreichen bestimmt war, welche nicht nur die übrigen Staaten der neuen Welt, sondern auch die des alten Roms weit überflügeln sollte, jedoch auch zu häufig das Beispiel seiner Vorfahren vergessend, der Nationalität von Millionen vernichtend entgegen getreten ist und dadurch seiner natürlichen Bundesgenossen und Stüßen sich beraubt hat.

Zweite Abtheilung.

Von der Ankunft der Angeln und Sachsen bis zur festeren Vereinigung der von denselben gestifteten Staaten.

Britannien war mehrere Jahrzehente nach dem Ersterben der römischen Oberherrschaft die Beute innerer Zwietracht und auswärtiger Feinde gewesen, als ein in Kent und im südlichen Britannien einflußreicher Fürst, Vortigern, mit seinen Rathgebern, im Geiste vererbter römischer Staatsklugheit, den Beschluß fasste sich der Hülfe germanischer Krieger, welche seit Jahrhunderten diesem Lande als furchtbare Feinde bekannt waren, zu bedienen, um seine nördlichen Feinde zu bekämpfen. Dieser Gedanke wurde ausgeführt, doch benusten die deutschen Soldlinge die Schwäche des Landes, um mit Hülfe nachfol= gender Stammgenossen und Verwandter sich desselben zu be= mächtigen; ein Schauspiel, welches im folgenden Jahrhundert in derselben Weise im nördlichen Italien durch die von Narses gerufenen, den Sachsen verwandten und verbündeten Longobarden sich wiederholte. Daß die Anwerbung der jütischen Herjoge oder Seekönige Horsa und Hengist, welche, aus ihrem Vaterlande verbannt, eine neue Heimat sich zu erkämpfen gezwungen waren 1), weder ein so auffallender Schritt, noch die Zahl

1) Die Verbannung berichtet nicht nur Galfrid, sondern auch Rennius. Beda gedenkt nur der Einladung, und Wittekind berichtet ausführlich von einer Gesandtschaft der Briten an die Sachsen und gibt deren Rede wieder, wegen des Weitern auf eine historia Anglo-Saxonum fich beziehend.

Sappenberg's Geschichte Englands I.

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ihrer Gefolgschaft auf ihren drei Cyulen ') bedeutend war, erhellt aus dem Dunkel, welches die Geschichte Englands in den nächsten nach und den ihrer Ankunft vorhergehenden Jahrzehenten umhüllt, sowie aus den fabelhaften Sagen, mit welchen, wenngleich Gildas Cormac sowie der Angelsachse Beda sie nicht kennen, von den spåtern walisischen Schriftstellern diese Jahre ausgefüllt sind, sobald die später erfolgte Wichtigkeit der Sachsen auf den britischen Inseln die Phantasie erfolgreicher als das Gedächtniß aufregte.

Hengist, berichtet die britische Sage, nachdem seine Schaar die fruchtbare 2) und durch ihre den Themsestrom beherrschende Lage wichtige Insel Ruithina (Ruim), von den Angelsachsen Thanet genannt3), nach Weise der Dido mit einer Haut gemessen oder richtiger nach römischer Sitte zum Solde ange= wiesen erhalten hatte, holte neue Bundesgenossen aus seinem Vaterlande, sowie auch seinen Sohn Ochta, den Sohn des Horsa, Abisa *), und seine wegen ihrer Schönheit hochgepriesene Schwester Rowenna. Der Britenfürst Vortigern, bei einem Gelage der durch ihre Schlemmerei und Trinksucht in den Schilderungen jener Zeit berufenen Sachsen, erhielt von

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1) Gildas c. 23. cyulis i. e. navibus longis. Der Kiel ist bei uns nur ein Theil des Schiffes; doch bedeutete er noch das Ganze, als die Stadt Kiel Namen und Wappen von demselben erhielt. Lange Böte heissen auf der Elbe noch Idllen und führen den alten Namen gleichfalls auf den northumbrischen Flüssen.

2) Felix Tanet sua fecunditate Insula arridens bona rerum copia, regni flos et thalamus, amenitate, gratia, in qua tanquam quodam elysio etc. conf, Jocelinum de vita Milburgae. Eund. de vita ̇ 8. Augustini apud Leland collectan. Vol. III. p. 170. Vol. IV.

P. 8.

3) Der britische Name dieser Insel, welcher noch im Jahre 692 urkundlich (Thorne p. 2234.) vorkömmt, beweist, neben andern BeLegen, daß in Kent die britische Sprache von der römischen nicht verdrängt war. Die Isle of Thanet bezeugt, wie sehr die Gestalt der Küste sich verändert hat, da sie schon lange, nur noch durch ken ge= ringfügigen Wantsum River vom festen Lande getrennt, die östliche Spige desselben, durch die Lage von Margate und Ramsgate bezeich= bildet.

net,

4) Von einer spåtern Sage über diese beiden Namen wird hernach bei der Gründung von den Reichen in Northumberland die Rede sein.

ihr den gefüllten goldnen Becher mit dem altdeutschen Gruße Waes heil und lernte die Erwiederung Drinc heil 1). Vortigem vergaß jede Berücksichtigung des Christenthums, zu dem er sich ausserlich bekannte, und von Wein und Liebe entbrannt, erflärte er die schöne Jütin für sein Gemahl, welche der Bruder Hengist ihm gegen Abtretung der damals von einem Unters könige des Bretwalden Vortigern, Gnoirangon 2), schlecht verwal= teten Provinz Kent gestattete. Seine Unterthanen sahen mit Unmuth die Parteilichkeit, zu welcher ihr König für die Fremdlinge durch dieses Verhältniß veranlasst war, und seßten dessen Sohn Vortimir auf den Thron. Hengist, der viele Landsleute, 300,000 fagt Galfrid, nach Britannien berufen hatte, unter dem Vorwande, die Peghtenmauer gegen die Scoten zu vertheidigen, und diese hernach sich verbündete, wurde durch Vortimirs siegreiche Waffen, welche auch den Horfa tödteten, in drei Schlachten am Darenthflusse, zu Aylesford am Medway 3) und Folkstone *) besiegt, wieder auf einige Jahre vertrieben, doch von seinem Schwiegervater zurückgerufen, als dieser, nachdem Rowenna dessen Sohn vergiftet hatte, wieder den britischen Thron bestieg. Da ihm aber die früheren Besitzungen von den Briten verweigert wurden, so ward eine Berathung von 300 Sachsen mit einer gleichen Anzahl jener veranstaltet, wo auf das Be= fehlwort des Hengift, Nimedeure seaxes, die Seinigen die anwesenden Gegner mit ihren versteckt gehaltenen langen Mes

1) S. über denselben von Arr zu Monum. germ. hist. II. Schon Galfrid von Monmouth leitet von jener Begebenheit die damals und noch heute bei den Engländern übliche Sikte des gegenseitigen Zutrinkens zwischen zwei Tischgenossen her.

2) Nennius c. 37. Geryngus bei Will. Malmesb. 1. I. c. 1. Wir würden dergleichen kleinere und nicht immer durch die ålte= ften Quellen beglaubigte, doch deshalb nicht verwerfliche, Nachrichten gern übergehen, wenn nicht selbst Turner, der es am wenigsten durfte, sie übersehen hätte.

saxon.

3) Nennius c. 46. sagt Episford. Für obige Lesart des Chron. spricht die Tradition, welche das in den Kirchspielen Aylsford belegene altbritische Denkmal, jest Kitscotyhouse genannt, für das Grab des Catigern erklårt.

4) Für lapis tituli super ripam gallici maris bei Nennius scheint mit Somner und Stillingfleet zu lesen: lapis populi,

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