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zunächst aus dem verschiedenartigen Umfange der Staaten der Jüten, Angeln und Sachsen zu erklären. Selbst das seinem Wesen nach uns so sehr undeutliche Bretwaldathum Üthelberts von Kent ist seinem Umfange nach in den zahlreichen Diöcesanen des Meotropolitanen und Primaten von ganz England zu erkennen; der Primat von England 1) mit nur zwei Didcesanen in so sehr umfassenden Landschaften, erhält das Gedächtniß der Siege Edwins und Oswius sowie der Festigkeit und der Thatkraft des heil. Wilfrid.

Ein Kloster mit einer Kirche war das erste Bedürfniß des neueingeführten Christenthums, ein Sammelplah und Obdach für die Missionare, Lehrer und Schüler und andere der An= dacht sich hingebende Fromme. Die Zahl derselben vers mehrte sich sehr schnell in den großen Staaten, und die reiche Begabung derselben sowie die Anzahl der Geistlichen aus den angesehnsten, selbst königlichen Geschlechtern erklärt uns den bedeutenden Einfluß, welchen Übte und Übtissinnen bald gewannen. Sigebert von Esser ist früher erwähnt, sowie die heilige Königin Üthelthryda, deren Schwester Serburga ihre Nachfolgerin in Ely wurde. Übba, eine Schwester des Königs Oswiu, wurde Übtissin zu Coludesburch (Coldingham an der Seeküste von Berwickshire); Hilda, eine Enkelin des Königs Üdwin, bekleidete dieselbe Würde zu Hereteu (Hartlepool in Durham), hernach zu Streanaesshalch (Whitby in York). In letterem folgte ihre Nichte Ülfleda, Oswius Tochter. Dem Kloster zu Berking an der Themse, von der Schwester des Eorconwald, Bischofs von London, Üthelburge, gestiftet, stand später eine Königin von Wesser, Inas Gemahlin, vor. Vor Errichtung dieser Klöster hatte sich das Bedürfniß derselben bei den Angelsachsen so sehr ausgesprochen, daß sie häufig ihre Söhne und Töchter in die fränkischen Klöster sandten, um sie zu erziehen und dem geistlichen Stande zu weihen. In der großen Anzahl angesehner Nonnenklöster sowie der weiblichen Heiligen bei den neubekehrten Angelsachsen gibt sich der reingermanische Geist zu erkennen, welcher den Römern in der Ach

1) Primate of all England et Metropolitan ist der Titel des Lord Erzbischofs von Canterbury; primate of England der des Lord Erzbischofs von York.

tung und Verehrung der Frauen aufgefallen war und der durch den Einfluß der Priesterinnen sich bewährte. Sowie uns der altgermanische Charakter jenes Volkes am deutlichsten vor die Augen tritt, wenn wir seine Sprache und Gesetze mit den ersten schriftlichen Denkmälern ihrer in Deutschland zurückgebliebenen Stammverwandten vergleichen, so werden Charakter und Sitten nicht minder dadurch erläutert; wie denn auch in Beziehung auf die Frauen hier der Gegensaß sich darbietet, daß Lettere südlich von der Elbe sehr wenige, nördlich von derselben vor dem dreizehnten Jahrhunderte gar keine Nonnenklöster errichtet hatten, und also so spåt, daß wir hier nur das Verschwinden des alten Nationalcharakters erkennen können. Kleine Klöster entstanden aus den frommen Bestrebungen einzelner Männer, wie in Northumbrien aus einem Oratorium, welches Wilpis, der Vater des frisischen Apostels Willibrord, begründet, dem heil. Andreas gewidmet und erweitert hatte, in dessen Cellen Willibrords berühmter Biograph Alcuin seine Jugend zubrachte 1). Viele der älteren Klöster wurden in den Kriegen der heidnischen Dänen zerstört; doch wurden ihre Dotationen oft sorgfältig wieder gesammelt, prachtvollere Gebäude erhoben sich, und der schönste architektonische Schmuck, mit welchem England als Münster, als Schloß des protestan= tischen Earls, als der Ruinen herrlichste, prangt, steht für die Nachwelt als die versinnlichte Rede des begeisterten sächsischen Mönches da.

Doch fehlte es auch hier nicht an Misbräuchen jeder Art. Einer der ersten Bischöfe von London hatte seinen Sik vom Könige Wulphere von Mercien erkauft. Viele Geistliche waren der Kirchensprache so unkundig, daß Beda ihnen das Symbolum und das Vaterunser aus dem Lateinischen in die Landessprache übersehte. Ein eigenthümliches Verbrechen seiner Zeit bestand in der Leichtigkeit, mit welcher angesehnen Laien, den Aldermannen und andern Beamten des Königs die Errichtung von Klöstern für sich und ihre Frauen gestattet wurde. Das Land wurde vom Könige als erbliches Eigenthum wohlfeil gekauft, um hernach auf demselben und in Klostergebäuden

1) Alcuini vita Willibrordi 1. I. c. 1.

nach Willkür zu leben; der Laie ergriff den Stab des Abtes, um allen weltlichen Neigungen, frei von jeder Herrschaft und jedem Dienste, nachzuhängen, und mit Schaaren abtrünniger Mönche oder seinem ehemaligen, nunmehr mit der Tonsur versehenen Gefolge umgeben, ohne Disciplin und Regel zum Schaden des Landes dort zu hausen 1).

Das Entstehen der zahlreichen Klöster wurde durch den Mangel der Pfarrkirchen sehr begünstigt. Die Kunde von der Entstehung derselben und der damit verknüpften Kirchspieleinrichtung gewährt uns, wo sie erhalten ist, eine lehrreiche Anschauung von der Bevölkerung und der Wohlhabenheit der Ge= meinden sowie ihrer Vergrößerung in Zeiten, wo wir nach andern Nachrichten dieser Art vergebens suchen. Doch fehlen auch in England die Nachweisungen über die ältesten Pfarrkirchen. Sie scheinen erst unter dem Erzbischofe Theodor im südlichen, und ein halbes Jahrhundert später, vor und zu der Zeit Erzbischofs Ecgbert von York, im nördlichen England aufgekommen zu sein. Der heilige Cuthbert, Propst von Mailros2) († 687), wanderte noch von Dorf zu Dorf, um die Gläubigen durch das Wort seiner Predigt zu stårken und zu begeistern. Doch wenn Beda dieser Erzählung hinzufügt, daß dieses die Sitte der Geistlichen jener Zeit gewesen sei 3), so folgt daraus wohl, daß es in seiner Zeit schon in diesen nördlichen Provinzen bereits anders geworden, wenngleich es nicht zu bezweifeln ist, daß die Sprengel dort, wie in andern Låndern, anfänglich zu groß waren. Entdecken wir doch in dem von dem Angelsachsen Willehad bekehrten Holstein sehr bald die Errichtung von vier Taufkirchen, aus deren Sprengeln die spätere Parochialeintheilung sich bildete *). Ühnliche Taufkirchen scheinen es auch gewesen zu sein, welche schon vor dem Erzbischofe Theodor der Bischof von Effer, Cedd, zu Ythancester

1) Bedae epistola ad Ecgbertum ad a. 734 apud Smith p. 310 sq.

2) Das durch Sir Walter Scott viel gefeierte Melrose Abbey. 8) Beda 1. IV. c. 27. Deffen Schreiben vom Erzbischofe Ecg= bert bei Smith S. 306.

4) Remberti vita S. Anscharii c. 19.

und Tilbury gründete 1). In den spåtern angelsächsischen Gesehen fehlt es nicht an Verfügungen, welche das Parochialwez sen regulirten 2). Daß die Gemeinden schon früh ihre Rechte bei der Verwaltung des Kirchenvermögens wahrnahmen, lässt sich aus der ähnlichen Erscheinung im christlichen Norden und der Gemeinschaftlichkeit alles angelsächsischen Besitzes schliessen; fehlt uns jedoch ein Beleg für England aus ältester Zeit, so dürfen wir vielleicht annehmen, daß die Geistlichkeit später den Laien nicht größere Rechte einräumte, als diese früher besaßen 3).

Die angelsächsische Geistlichkeit war im Ganzen keineswegs so frei und einflußreich als in den meisten Staaten des Fest= landes. Wenn auch zuweilen Geistliche sich einzelner Könige bemächtigten, so blieben diese Erscheinungen doch isolirt und ohne eingreifende Folgen. Es fehlte die enge Verbindung der Angelsachsen mit Rom, wodurch dieses seinen Dienern håtte kräftigen Schuß verleihen können. Der Erzbischof von Mainz, Bonifaz, selbst ein Angelsachse, erklärt in seinem Briefe an den Erzbischof von Canterbury, daß keine Klöster in solcher Sclaverei bestånden als die der Angelsachsen. Unbestreitbarer sprechen die Gabebriefe für die Klöster, welche nicht nur denselben stets die f. g. trinoda necessitas oder die brycgbote, burhbote und fyrd, d. h. die Beiträge zu dem Brücken- und StraßenBau, die für die Erhaltung der Festungen und den Heerbann, sondern auch noch ausdrücklich die Steuerpflichtigkeit der Geistlichen, die Verbindlichkeit die jagdliebenden Könige und ihre Waidmanner in den Klöstern zu beherbergen u. 2. auferlegte *).

Um so auffallender ist eine berühmte, vielgedeutete Schenkung, welche der König Üthelwulf von Wesser nach seiner 1) Cedd

fecit per loca ecclesias, presbyteros et diaconos ordinavit, qui se in verbo fidei et ministerio baptizandi adiuvarent. c. 655. Beda 1. III. c. 22.

2) Leges Edgari I. §. 1. Canuti I. §. 3.

3) Für spätere Zeit s. concil. exancestrense a. 1287.

4) S. Palgrave I, 156. und die dort angeführten Urkunden. Die legtgenannte Verbindlichkeit ward, wenngleich die karolingische Ge seggebung die Klöster davon befreit, denselben auf dem Festlande häufig aufgelastet.

854. Rückkehr von Rom der Geistlichkeit seines Landes machte. Ütere englische Geschichtsforscher, Ingulph, Wilhelm von Malmesbury und andere Mönche, und mit ihnen Selden, has ben darin die Einführung des Zehnten finden wollen; welche unhaltbare Deutung theils durch die Urkunde widerlegt wird, theils durch die viel frühere Einführung des Kirchenzehnten burch Übertragung ålterer dem Könige oder andern Grundherren gebührenden Abgaben an die Kirche '). Die neueste Ansicht ist, daß Üthelwulf für die Geistlichen und die Armen ein Zehntel seines Reiches in Wesser, sowie Kent und Susser, frei von allen Lasten und Abgaben habe abmessen lassen 2). Hier werden aber zwei verschiedene Schenkungen in einander geworfen. Die eine, auch bisweilen Üthelwulfs Testament genannt, legt lediglich je zehn Meyern oder Meyerhöfen in seinen Erbgütern3) die Verpflichtung auf, für einen Armen durch Speise, Trank und Kleidung zu sorgen und ist als ein Anfang weltlicher Armenpolizei bemerkenswerth. Die andere Urkunde, welche hier eigentlich gemeint ist, sagt, nach den ältesten Abschriften des lateinischen Textes des wahrscheinlich angelsächsischen Originales sowie nach der Deutung des ältesten, fast gleichzeitigen Schriftstellers, daß König Üthelwulf mit Rath seiner Bischöfe und Fürsten beschlossen habe, für Mönche, Nonnen und Laien, welche erbliches Land besitzen, je den zehnten Mansus ihres Eigenthums oder bei kleinern Besitzungen den zehnten Theil derselben von den obgedachten drei gewöhnlich als unablöslich betrachteten Pflichten und allen anderen Leistungen zu befreien; wofür denn gewisse Messen und Gebete von den Mönchen und Nonnen für

1) Excerptiones Ecgberti 4. 5. 24. Diese und spåtere Belege f bei Philipps angelsächs. Rechtsgeschichte §. 70., dem jedoch weder die Einführung des Zehnten durch König Offa in Mercien auf Brantomes schwache Autorität noch die Sicherung des Zehnten durch Üthelwulf zugestanden werden kann.

2) So Palgrave I, 158.

3) Asser de Aelfredo ad a. 855 und Dessen annales ad a. 855 hat per omnem hereditariam terram suam in decem manentibus.

Guil. Malmesb. in omnis suae haereditatis decima hida. Sim. Dunelm. p. 121 ad a. 855 — hat in X mansis. Matth. Westm. ad a. 857 in decem hydis vel mansionibus,

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