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Geistesgaben. Ausser andern Büchern konnte er sämmtliche Psalmen, nach der bei den Schotten geltenden Verdolmetschung (emendatio) des Hieronymus, hersagen. Seine Sehnsucht die Kirche des Apostels Petrus zu sehen und anzuflehen, konnte der Königin und ihren römisch-katholischen Begleitern um so willkommener sein, je feltner und unerhörter dieser Wunsch bei feinen Landsleuten bisher gewesen war. Sie sandte ihn daher zu ihrem Bruder Erconbert, dem Könige von Kent, wo er mit der römischen Kirchenlehre sich vertraut machte, wozu auch die Erlernung der Psalmen nach der fünften römischen Ausgabe gehörte. Er wurde als Reisegefährte dem Biscop, genannt Benedict'), mitgegeben, einem ausgezeichneten Manne, welcher um das Kirchenwesen und die Bildung Northumbriens sich spåter sehr verdient machte, und der als Abt des von ihm gestifteten und durch Künfte und wissenschaftliche Schäße nicht minder als seinen berühmten Priester Beda verherrlichten Klosters zu Wearmouth starb 2). Als der herrliche Jüngling durch Lyon wanderte, wurde der dortige Erzbischof Delfinus von der ihm wunderbaren, milden und geistvollen Erscheinung so sehr ges rührt, daß er den Angelsachsen lange bei sich behielt, ihm anbot ihn als Sohn anzunehmen und ihm seines Bruders Tochter Hand sowie die weltliche Herrschaft über einen Theil Galliens zu verschaffen.

Wilfrid eilte jedoch nach Rom, lernte die vier Evange= lien besser als bei den Schotten kennen, die römische Lehre

1) Baducing bei Eddius Cap. III. ist vielleicht der echte Geschlechtsname, wie die Endung vermuthen lässt.

2) Es sei gestattet in der Geschichte der Angelsachsen, welche so häufig auf eine höhere Bildung, als denselben zugetraut wird, hinzudeu: ten hat, auf die in unsern Kunstgeschichten unerwähnten Gemålde aufmerksam zu machen, welche Benedictus seit dem J. 678 aus Rom nach Wearmouth brachte. Wir erkennen daraus, wie viel zu Rom gearbeitet oder doch gesammelt wurde, und bemerken bei diesen Gemålden dieselben Gegenstände und dieselbe Darstellung, welche seit långer als einem Jahrtausend bei den bildenden Künsten sich erhalten haben. S. Bedae vita abbat. Wiremuth. bei Smith p. 295 et 297. Ein hier nicht speciell 'angeführtes, doch vielleicht unter den imagines evangelicae historiae begriffenes Bild scheint dem Beda vorgeschwebt zu haben, als er die heil. drei Könige beschrieb.

von Ostern, welche er, wie wir oben gesehen haben, hernach fiegreich anwandte, sowie er auch die Benedictinerregel, das römische Kirchenrecht und was sonst den Geistlichen dieser Kirche eigenthümlich war, sich vertraut machte. Auf seiner Rückkehr verweilte er drei Jahre bei seinem Freunde Delfinus und ers weiterte seine gelehrten Kenntnisse durch den Besuch der bes deutendsten Lehrer. Er bekannte sich auch nunmehr als gångs lich der römischen Kirche ergeben, indem er die Tonsur des heil. Petrus annahm, aus einem die Dornenkrone Christi`nachbildenden Kranze von Haaren bestehend, während die der Schotten einem ganz kahlgeschornen Kopfe nur ein Büschel Haare am Hinterkopfe ließ. Er wurde hier in die Verfolgung der Königin Bathilde und des Majordomus Ebruin gegen den Erzbischof verwickelt, jedoch der schöne Jüngling durch ein wunderbares Mitleid seiner Verfolger vom Mártyrertode befreit. Er eilte jest in sein Vaterland zurück, wo er, von dem Könige Alchfrid ehrenvoll aufgenommen und zum Abte des Klosters Hrypum ordinirt, gleich einem Propheten von Hohen und Niederen verehrt wurde. Nach der Disputation mit dem Bischofe Colman zu Streonesheale erwählten die Könige Ofs wiu und sein Sohn mit den Weisen ihres Volkes den Abt Wilfrid zum Bischofe von York, und dieser ging nach Paris um sich daselbst von Ügelberct ordiniren zu lassen. Auf der Rückkehr nach Northumbrien warf ihn ein Sturm an die Kůsten der noch heidnischen Südsachsen, welche das strengste Strandrecht gegen die gelandeten Fremben ausüben wollten. Der Oberpriester der Heiden stand auf einer kleinen Erhöhung, um durch Fluch und magische Künfte die Fremden zu ents kräften, deren einer jedoch mit Davids Muth und Glück einen Stein gegen ihn schleuderte. Des Heidenpriesters Fall ents zündete die Wuth der Seinigen gegen die kleine Schaar der Fremden, welcher es jedoch, nach viermal wiederholtem Gefechte, mit der wiederkehrenden Fluth_gelang sich einzuschiffen und nach Sandwich zu entkommen.

So groß war indeß die Willkürlichkeit, welche damals in den wichtigsten Verhältnissen Sitte war, so sehr schwankte Oswiu, so wenig galt selbst das königliche Wort, daß der König, während Wilfrids Abwesenheit, die Wahl eines Irlán

ders zum Bischofe von York durch die schottische Priesterpartei genehmigt hatte. Wilfrid zog sich demüthig in sein Kloster zu Hrypum zurück, wo er den römischen Ritus und die Regel des heil. Benedict von Nursia einführte, gelegentlich auf Auffoderung der Könige Wulphere von Mercien und Eg bert von Kent bischöfliche Handlungen versehend. Als indessen der Erzbischof Theodor Bernicien und Deira bereiste, bewirkte er die Wiedereinsetzung Wilfrids in sein Bisthum, während dem Ceadda das mercische Bisthum zu Lithfield wurde.

Mit so mancher anderen Kunde und Kunst zog damals auch die Baukunft im Gefolge der römischen Kirche einher. Die schottische Klerisei hatte, der Vorliebe nordischer Völker für dieses Material entsprechend, ihre Kirchen von Holz er bauet 1) und mit Schilf gedeckt, wovon der bischöfliche Dom zu Lindisfarne ein neues Beispiel gab. Erst später wurde der Schilf mit Bleiplatten vertauscht, mit denen auch zuweilen die Wände bedeckt wurden. Wilfrid entbot Maurer von Kent, so wie Abt Benedict Bauleute aus Gallien. Die von Paulinus erbauete, aber schmählich verfallene steinerne Basilica zu York wurde wiederhergestellt, das Dach mit Blei, die Fenster mit dem seinen Landsleuten noch unbekannten Glase versehen). Zu Hrypum ließ er eine neue Basilica ganz von geglättetem Stein aufführen, mit Säulen und Porticus gestüht. Die Könige Ecgfrid und Ülfwin waren bei der Einweihung zuge gen, welche mit einem an heidnische Sitte mahnenden Gaft mahle von drei Tagen und drei Nächten beschlossen wurde 3). Die vier Evangelien mit goldenen Buchstaben auf purpurfar

1) Die Angelsachsen kannten kein anderes Wort für bauen als getimbrian, zimmern.

rum morem facerent

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2) Eddius. Beda e hist. abb. Wiremuth. Benedictus - Gallias petens coementarios, qui lapideam sibi ecclesiam iuxta Romanomisit legatarios Galliam, qui vitri factores, artifices videlicet Britaniis incognitos ad cancellandas ecclesiae porticuumque et coenaculorum eius fenestras adducerent. lampadis ecclesiae claustris vel vasorum multifariis usibus non ignobiliter aptum.

artificium vel

3) Eddius c. 17. Wir finden hier den König Ülfwin 6–7 Jahre früher, als Palgrave ihn anführt.

benem und bemaltem Pergamente und eine Kapsel (bibliotheca) für dieselben, von reinem Golde mit kostbaren Edelsteinen, laffen auf den Reichthum und die Freigebigkeit der Verehrer Wilfrids schliessen. Einen noch merkwürdigern Bau vollführte der Bischof zu Herham, der seines Gleichen diesseit der Alpen nicht gefunden haben soll 1). Auch Benedicts Bau zu Wearmouth nach römischer Art wurde durch gallische Meister und Handwerker ausgeführt, und so vernehmen wir gleich bei den ersten bedeutenden Gebäuden, von denen die Geschichte * der Angelsachsen berichtet, wie ihre Baukunst dem Schooße der Kunst des alten Roms entsproffen, aber den klimatischen Verhältnissen und Bedürfnissen angeeignet ist.

Oswiu hatte sein Reich auch durch Siege über die Picten sehr vergrößert und seine Staaten bis an sein Ende gehorsam 670. und ruhig erhalten. Sein ältester Sohn, König Alchfrid, war vor ihm verstorben, und das aus so sehr verschiedenen Bestandtheilen zusammengefehte Reich fiel auf die jüngeren Söhne Ecgfrid und Ülfwin. Deren Jugend geringschäßend versuchten alsbald die Picten und ihr König Birdei ihre alte Unabhángigkeit wieder zu erringen; doch unter Leitung des kühnen Statthalters (subregulus) Bernhaeth gelang es den northumbrischen Fürsten jene noch längere Zeit ihrer Herrschaft unterzuordnen. Gefährlicher drohte ihnen Mercien zu werden, def= sen König Wulfhere als Bretwalda betrachtet worden zu sein scheint. Dieser suchte die südlichen Staaten mit sich gegen Northumbrien zu vereinen und dieses Reich unter das Joch einer schmählichen Zinspflicht zu bringen. Doch gelang dieser Plan so wenig, daß Wulfhere von diesen Völkern besiegt, seine 674. eigenen Staaten vertheilt, zinsbar und das Land der Lindisfaren auch ganz zu Northumbrien geschlagen wurden 2). Wul

1) Eddius c. 22. Domus, cuius profunditatem in terra cum domibus mirifice politis lapidibus fundatam et super terram multiplicem domum, columnis variis et porticibus multis suffultam, mirabilique longitudine et altitudine murorum ornatam et variis linearum anfractibus viarum, aliquando sursum, aliquando deorsum, per cochleas circumductam.

2) Palgrave S. 311 segt dieses um das Jahr 678, weil Beda IV. 12. bei diesem Jahre erzählt, es sei nuperrime geschehen. Doch

fhere überlebte diese Niederlage nicht lange. Er war der erste Regent, welcher nach einigen Kämpfen mit Wesser Mercien in einer lange friedlichen und doch bedeutenden Stellung unter den angelsächsischen Staaten erhalten hatte; seine Bemühungen um die Verbreitung des Christenthums, zu welchem er den König von Suffer Ethilwald einst bekehrt, auch die Insel Wight durch den Priester Coppa zu gewinnen versucht 1), sowie seine freundlichen Verhältnisse zu Wilfrid und andern christlichen Glaubenslehrern zeigen, daß er für höhere Belehrung empfänglich war und die richtige Politik seiner Zeit begriff. Seine lehte That, welche mehr an seinen Vater Penda den Kraftvollen erinnert, können wir, lediglich auf northums brische Nachrichten gestüßt, nicht mit Zuversicht beurtheilen.

Mit der zunehmenden Macht Northumbriens wuchs in gleichem Maße der Einfluß des Bischofes von York, dessen geistlicher Sprengel mit Oswius und seiner Söhne Waffen sich ausbreitete. Der Einfluß der Geistlichkeit auf die Angelsachsen nahm sehr zu, und in dem neubekehrten kräftigen Volke finden wir bald dieselben Verirrungen religiösen Wahnes, woran in jenen Jahrhunderten das Festland so reich war. Üthelthryd, die Tochter des Anna, Königes der Ostangeln, zuerst dem Fürsten der Südgyrwier und nach dessen frühem Tode dem Könige Ecgfrid verlobt, hatte dem hohen Vorbilde christlicher Frauen auch in der Bewahrung ewiger Jungfrauschaft folgen wollen, und das Kloster und die Hoffnung auf dereinstige Kanonifirung gegen häusliches Glück und weltlichen Glanz vertauscht 2). Obgleich weniger durch Üthelthryd als durch Ermenburga, welche Ecgfrid, von jener geschieden, geheirathet hatte, begünstigt, beförderte Wilfrid den Ausbruch des mit seinem

Wulfhere war schon 675 gestorben, f. chron. saxon., und sein Nachfol ger Üdilred verwüstete Kent im J. 676, f. Beda IV. 12. Auch die Reihefolge der Erzählung des Äddi Cap. 20 fg., der diesen Sieg in primis annis Ecgfridi regis vor Wulfheres und mehrere Jahre vor Da= goberts Tode (678) segt, deutet die richtige Zeitfolge an. Die kleine Chronik bei Wanley S. 288 gibt uns die Jahreszahl 674.

1) Chron. saxon, ad a. 661.

2) S. Beda 1. IV. Will. Malmesb. I. IV. Vita S. Ethelthrydis bei Mabillon saec. II.

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