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Cynric dehnte die Grenzen des Reiches von Wesser, dessen Hauptstadt die alte Venta Belgarum (Vintancestir, Winchefter) war, allmålig aus. Ein sehr großes Heer von Briten wurde zusammengezogen um ihn zu überfallen; er eilte ihnen jedoch, mit den Heerschaaren seiner Freunde vereinigt, bei Searobyrig (Altsarum bei Salisbury) entgegen, schlug die großen Kriegerhaufen auf allen Seiten und trieb sie in die Flucht. Nicht 552. völlig so glücklich für Cynric und seinen Sohn Ceawlin war, einige Jahre später, eine große Schlacht, zu welcher die Briten sich wieder vereint hatten und in welcher sie es der nach römischer Kriegsweise aufgestellten Schlachtordnung 1) verdankten, daß sie von der Niederlage, welche die Kraft und der Muth der Sachsen ihnen zu bringen drohten, errettet wurden. Die Chronisten geben seine Regierungszeit auf sechsundzwanzig Jahre an, lassen ihn jedoch im fünfundsechzigsten Jahre nach seiner Landung in Britannien sterben; es scheint aber auch 560. eine Berechnung vorhanden gewesen zu sein, nach welcher auch er, gleich dem Sohne des Hengist, im vierundsechzigsten Jahre nach seiner Ankunft und also im vierundzwanzigsten nach dem Tode Cerdics, starb 2). Der Widerstreit zwischen historischer Tradition und den Abschnitten in des Sångers Liede war schwierig auszugleichen und ist es jezt noch mehr. Uns kann nur daran liegen auf die große Unsicherheit der einzelnen Angaben hinzuweisen, wenngleich wir die Thatsachen, welche gefeiert werden, in ihren allgemeinen Umrissen gern möglichst anerkennen.

Wenn es uns auch nicht überrascht, daß die Besignahme

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1) Henr. Huntend. p. 314: novem acies tribus scilicet in fronte locatis et tribus in medio et tribus in fine, ducibusque in ipsis aciebus convenienter institutis, virisque sagittariis et telorum iaculatoribus equitibusque iure Romanorum dispositis Eine ähnliche Stelle findet sich daselbst von den nördlichen Briten S. 315: Cum autem Britones iure Romanorum acies distincte (distinctas?) admoverent.

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2) Henr. Huntend. p. 313: Regnum Westsexe incipit anno ab incarnatione Domini 519. Cerdic regnavit 17 annis in Westsexe. Nach dieser Rechnung war also Cynric im I. 536 oder 24 Jahre vor seinem Tode seinem Vater gefolgt; doch lässt derselbe Geschichtschreiber S. 314 den Cynric 26 Jahre herrschen.

Eappenberg's Geschichte Englands I.

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einzelner Küstenstrecken in den Zeiten der allgemeinen Auflösung der entzügelten Provinz anfänglich wenig beachtet blieb und erst spåter den mächtig gewordenen neuen Landesherren der Preis geschichtlichen Ruhmes zugetheilt wurde: so möchten wir doch hoffen, daß an die Schicksale des in allen Jahrhunderten durch Handelsverkehr und die demselben unentbehrlichen Künste bedeutungsvollen London sich auch zur Zeit der Sachseneinwanderung wichtige und sichere Nachrichten knüpften. Doch der Griffel des Handelsgeistes ist wie das Netz des Fischers nur dem ersehnten Erwerbe gewidmet. Kein Land ist so unbemerkt in den Besitz des Feindes gelangt als das nördliche Themseufer, wo das Königreich Ostsachsen die Grafschaften Essex und das wahrscheinlich einige Zeit unabhängig bestandene Middleser umschloß. Das Jahr 527 wird als der Anfangspunct der Landungen der Sachsen_daselbst genannt, und der erste Herrscher Üscwin oder Erkewin 1), der Sohn Offas, eines Abkömmlings des Sarnote, deffen hochgefeierter Götfername mit denen des Thor und Wodan von den nach Jahrhunderten bekehrten Sachsen abgeschworen werden musste 2), soll die patriarchalische Zeit von sechzig Jahren daselbst geherrscht haben. Während uns der Name Üscwin an den Herrscher der Jüten am füdlichen Themseufer, Üsc und den Stamm der Üscingen erinnert, weist der Name seines Vaters auf die Uffingen, den Stamm der englischen Könige von Mercia, und der sächsische Gößenname der Ahnen sowie der des Reichs sprechen für die rein sächsische Abkunft. Die geographische Lage begünstigt die fich vordrängende Vermuthung einer Vermischung verschiedener Ståmme, welcher auch die Angabe des mehr kritischen Geschichtschreibers 3), welcher den Sleda seit dem Jahre 587 als ersten König von Esser angibt, nicht entgegenzutreten scheint.

1) Florent. Wigorn. p. 99. Henr. Huntend. P. 318.

2) Sowohl die Darsteller der angelsächsischen Götterlehre als die ter sächsischen haben diese merkwürdigen Stammbåume nicht gehörig gewürdigt.

3) Will, Malmesb. l. I. c. 6. Er nennt den Vater nicht, sondern gedenkt nur seiner Abstammung von Wodan in zehnter Zeugung, was mit den übrigen Nachrichten nicht im Widerspruche steht.

Höchst wahrscheinlich reichen die ersten Niederlassungen der Sachfen an diesen Ufern schon in frühe Jahrhunderte hinein und knüpfen fich an die Benennung des littus saxonicum.

Nördlich von den Ostsachsen bildete sich das Reich der Oftangeln, bei denen ein nördliches und füdliches Volk (Norfolk und Suffolk) unterschieden wurden. Wahrscheinlich waren in diesem Lande schon in den lezten Zeiten der Römer Deut sche ansässig; eine Vermuthung welche uns durch die vielen altsächsischen Sagen, welche nach Ostanglien und in die Zeit vor der Ankunft des Hengist und Horsa verlegt werden, nicht wenig an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Das Land der Gyrwa, 1200 Hydes groß, welches gleichfalls in zwei genau abgemes sene, eine füdliche und nördliche, Hälften getheilt wurde, ums fasste die angrenzenden Marschdistricte bei Ely und Huntingdon bis gegen Lincoln.

Das benachbarte Reich Mercia ging von den Marschländereien der Lindiswaren aus, den Herren des alten Lindum (Lincoln). Mit ihnen waren die Mittelangeln) vereinigt. Dieses durch den Trentfluß in eine südliche und nördliche Hälfte getheilte Reich werde allmålig bis gegen die Grenzen von Wales ausgedehnt. Zu den Staaten welche es umschloß, gehörte auch das Reich des Hwiccas (der Umfang des nachherigen Bisthumes Worcester oder die Grafschaften Gloucester, Worcester und ein Theil von Warwick), welches lange Zeit in einer lehnsherrlichen Verbindung zu Mercia blieb. Im Bisthume Hereford finden wir auch noch den Staat des Hecana, welcher mit dem des Hwiccas den germanischen Namen des Landes der Magesåten trug.

Der sagenkundigste Geschichtschreiber, der Eingeborne oder Einwohner dieser Gegenden, Heinrich von Huntingdon, kennt über die Gründung beider Reiche keine Überlieferungen. Seit der Zeit des Sieges bei Cerdicsford und vermuthlich früher 519. schifften unzählige Häuptlinge aus Deutschland in diese Gegenden hinüber und bemächtigten sich wetteifernd einzelner Districte, deren Menge ihre Namen hat vergessen lassen, die aber erst gegen Ende des Jahrhunderts mit den zwei oben ge1) Beda l. I. 15. III. 21. Will. Malmesb. de antiq. glaston. eccl. apud Gale I. 295.

nannten Reichen vereinigt wurden 1). Bei den Ostangeln wird Gueta 2), gewöhnlicher dessen Sohn Uffa oder Wuffa, als erster 571. König genannt, durch dessen Namen sein Geschlecht sich ge= feiert glaubte 3); während das Volk ihnen den altanglischen Namen der Wikingen oder Seekönige ließ *). Mercia soll vierzehn Jahre später an Creoda oder Cridda, dem Sohne Kinewolds, des zehnten Abkömmlings von Wodan ), den ersten König erhalten haben.

Bei den Zweifeln welche gegen die Abstammung und sogar gegen den Namen der Angeln erhoben sind, erregen die Nachrichten über die Stammbäume ihrer Könige einige Aufmerksamkeit. Und es belohnt sich diese: denn wir entdecken in denen der Könige von Mercia drei unzweifelhafte auf einander folgende Namen, welche mit einer ähnlichen ununterbrochenen Reihe in den dånischen Königssagen übereinstimmen, nämlich die Nachkommen Wodans, Withlåg, Wärmund und Offa'), welche bei den dånischen Chronisten Wichleth, Wers mund und Uffo, als von Odin abstammend und Vorfahren der Eroberer Britanniens genannt werden). Selbst die Ühnlichkeit in den Namen der Nachkommen des Offa, Angeltheow und Eomar, mit den Dånen Ingild und Jaomar sollte nicht

1) Henr. Huntend. p. 313. Matth. Westmon. ad a. 527. Radulphus bei Higden Polychron. 1. V. p. 224 hat das Jahr 492. Florenz sagt von Mercia nur, daß es spåter als das kentische Reich gegründet sei, aber über die Gründung von Oftanglien, daß sie nach der von Kent, aber vor derjenigen von Wesser geschehen sei, also vor 495. 2) Nennii app. c. 64.

3) Beda l. II. c. 15.

4) Ich glaube so die Nachricht des Higden a. a. D. deuten zu dürfen: Uffingas, quos nunc Fikanos seu Fikeys appellamus.

5) Ich hebe diese übersehene genealogische Notiz (aus Chron. saxon. ad a. 626 und Radulphus bei Higden 1. V. ad a. 626) hervor, sowie eine ähnliche oben bei Esser, weil in der Abstammung von Wodan ein Kennzeichen des Volksstammes gesucht worden ist.

6) Chron. saxon. bei Nennius: Guithleg, Guardmund und Offa. 7) S. chron. Erici in einem schleswigschen Kloster geschrieben. Svens Aggonis histor. reg. Daniae c. 1. hat nur die beiden Legs teren. Der isländische Langfedgatal hat gleichfalls nur Wermund und nennt den Uffo, Olaf.

unbemerkt bleiben. Daß auch die Vorfahren des Wodan in den angelsächsischen wie in den nordischen Genealogien viele übereinstimmende Namen haben und daß unter diesen Sceaf von letteren als ein König in Schleswig oder dem Lande Angeln angesehen wird, dürfte nach dem Vorerwähnten desto bes merkenswerther erscheinen. Den historischen Gehalt, der diesen Namen beigelegt werden möchte, zu erörtern, darf uns hier nicht beschäftigen; wohl aber muß der wichtige Beweis hervorgehoben werden, welchen diese Übereinstimmung der Sagen dafür darbietet, um die Abstammung der Angeln und Mercier aus den Ländern nördlich von der Eider zu erörtern. Zwar haben würdige Geschichtforscher behauptet, daß spätere angelsächsische Priester ihre Sagen nach Dånemark gebracht hätten; sie håtten dieselben aber auch noch dafür beloben müssen, daß sie nicht die Geschlechtssagen der mächtigen westsächsischen oder doch der alten jütischen Könige in England, sondern grade die für die Dånen passendsten, in England långst verschollenen Könige von Mercia ausgesucht haben. Bedeutender könnte der Einwurf scheinen, daß die Dånen jene Sage nach England gebracht hätten, wenn es irgend wahrscheinlich wäre, daß durch diese die Abstammung der von ihnen besiegten Könige verherrlicht sein könnte.

Auf merkwürdige Weise erhält die Geschichte der Angeln einiges Licht durch einen byzantinischen Geschichtschreiber, welcher schon verstorben war, ehe Uffa in Ostangeln herrschte. Schon Prokop') († 562) gedenkt eines Königes der Angeln in Britia oder Britannien in den Jahren 534-547, dessen Schwester mit Radiger, König der Warner, verlobt, diesen mit Kriegsgewalt durch ein über das Meer gesandtes bedeutendes Heer zur Erfüllung des gegebenen Versprechens zwang. Wie fabelhaft auch manche der übrigen durch jenen Geschichtschreiber von einigen Angeln, welche nach Konstantinopel an den Kaiser Justinian gesandt waren, mitgetheilte Nachrichten lauten, so ist dies doch sehr wichtig, daß schon von ihm Angeln und Friesen als Bewohner der Insel mit den Briten angeführt werden, sowie ein König der Angeln in jener Zeit, und, wie in den

1) De bello gothico 1. V. c. 20.

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