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Jene ursprünglich vorhandenen, wenngleich nicht starken Gegenfäße unter den Einwanderern müssen uns aber auch zu der einfachen und doch so sehr vernachläffigten Bemerkung führen, daß so Manches was wir als Religion, Recht, Sitte und Sprache der Angelsachsen zu bezeichnen pflegen, erst im Laufe mehrerer Jahrhunderte, durch die Verschmelzung der vers fchiedenen Bestandtheile, entstand. Da eine fernere und auss führliche Darstellung dessen was die Einwanderer aus ihrer Heimat brachten hier nicht gestattet ist, so wird von demjeni gen was wir angelsächsisch nennen dürfen, erst später, bei ges eigneter Veranlassung, die Rede sein, und dann zuweilen an dasjenige was ursprünglich den Sachsen oder den Angeln und Jüten anzugehören scheint, erinnert werden.

Dies waren die Volksstämme, welchen es gelang in dem Laufe von anderthalb Jahrhunderten sich des größeren östlichen Theiles Britanniens zu bemächtigen. Je römischer die einzelnen Gegenden gewesen waren, je früher wurden nunmehr die verlassenen Städte und Burgen die Beute der Barbaren. Von dem Widerstande welchen die Loegrier oder Briten den Sies gern anfänglich entgegenseßten, haben sich wenige Nachrichten erhalten. Die Zwietracht der britischen Fürsten, welche das Vordringen der Fremden so sehr erleichterte, hat selbst eine Gleichgültigkeit der britischen Geschichtssage gegen die abgefalles nen oder verlornen Staaten erzeugt. Gleichzeitig mit Vortigern, jedoch unvereinigt, zugleich auch im Kriege mit einem britischen Fürsten Guitolin oder Wetheling verwickelt, bekämpfte Ambrofius Aurelianus, welcher selbst ein römischer Abkömmling, vielleicht einer der britischen Provinzialkaiser war, die vordringenden Sachsen mit römischer Kriegskunde. Vielleicht waren noch selbst römische und romanisirte Krieger in einzelnen festen Stellungen, welche jedoch die allgemeine Verwirrung nur noch mehr beförderten '). Eine Niederlage welche die sächsischen Seeräuber erlitten und die fie veranlasste zu ihrer Heimat zurückzukehren, um mit neuen Helfern sich zu vereinigen, wurde von

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1) Gildas c. 25. und aus ihm Beda l. I. c. 16. Gorthiger– urgebatur a romanico impetu necnon a timore Ambrosii.

Nennius c. 28. Id. c. 1. und Gale daselbst.

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A. Aurelianus geschickt benußt, um die Loegrier zu ermuthigen und gegen ein ferneres Vordringen der Feinde zu kräftigen. In vie len auf einander folgenden Treffen und Scharmüßeln waren die Loegrier bald Sieger bald verlierend. Die lezte bedeutende Niederlage welche die Briten den Sachsen beibrachten, erfolgte 516. bei der Belagerung von Bath '); einige einzelne erfolglose Kämpfe sind uns nur durch die Geschichte der Gründung einzelner angelsächsischer Reiche bekannt. Der Zeitgenosse welcher von diesem in seinem ersten Lebensjahre erfochtenen Siege bes richtet und der dessen vortheilhafte Folgen seit 44 Jahren bezeugt 2), Gildas Cormac, der Weise genannt, hält es für unnöthig den Namen des viel gefeierten Siegers niederzuschreiben. Auch ist seine vielverbreitete Schrift, selbst in den noch weiter verbreiteten Auszügen des Beda, in keine Gegend gelangt, wo der Ruhm des Königs Urthur nicht vorangeeilt wäre. Der edle Kámpe, welcher Freiheit, Sitte und Sprache des uralten Vaterlandes vor der Zerstörung wilder Feinde erhielt, welcher das Kreuz vor den Heiden schüßte und den durch Alter und manche Kunde ausgezeichnetsten Kirchen, aus denen einem großen Theile Europas das Christenthum und berühmte Klöster zukamen, ein sicheres Bollwerk erfocht, er war zu so sehr weltgeschichtlichen Thaten berufen, daß er der Geschichtschreiber nicht bedurfte, um glänzender als die Helden der Annalen fortzuleben. Zu den Lestern ist er seit dem Buche des Galfrid von Monmouth gerechnet; aber abgesehen von den Werken welche bereits ums Jahr 720 Eremita Britannicus vom heiligen Gral und vom Könige Arthur und seinen Thaten verfasst haben soll, bezeugt die schnelle Verbreitung von Galfrids Werk in den meisten Ländern Europas, daß der Glaube an den Helden desselben tief eingewurzelt war. Im zwölften Jahrhunderte ward ein kürzlich wieder aufgefundenes griechisches Gedicht zur Feier Arthurs und der Helden der Tafelrunde geschrieben 3).

1) Gildas c. 26.

2) Beda hat diese Stelle misverstanden und jene Schlacht in das 44. Jahr nach der Ankunft der Sachsen, also ums Jahr 492 gesegt. Die Annales Cambriae geben das Jahr 516. Matthaus von Westminster das Jahr 520.

3) Das wieder entdeckte Fragment von 306 Verfen desselben hat.

Noch deutlicher aber zeugen für die uralte geschichtliche Sage die vielen Localerinnerungen, welche im ganzen damals christlichen Europa, von den schottischen Gebirgen bis zum Ütna herab, an den Namen Arthurs geknüpft sind 1). Andererseits ist die mehr gemäßigte Verehrung walisischer Dichter für Arthur, welche mehr als den König dessen Heerführer Geranit preisen und sogar berichten, daß jener, nicht immer siegreich, den Sachsen Hamptonshire und Sommerset abgetreten habe, als ein nicht verächtliches Zeugniß für das geschichtliche Dasein Arthurs hervorzuheben 2). Sogar diejenige von den Sagen über Arthur, welche auf den ersten Anblick aller historischen Wahrheit am stärksten Troß zu bieten scheint, die von seinem Zuge gegen die Römer, auf deren Auffoderung, sich zu unterwerfen, erscheint nicht ohne alle Glaubwürdigkeit, wenn wir wahrnehmen, daß ein ähnlicher Kriegszug in Gallien ausge= führt wurde, und wir wirklich, aus den unbestrittensten Geschichtsquellen, von dem auf Auffoderung des Anthemius im Jahre 468 vollführten Zuge des britischen Anführers Riothamus mit zwölftausend über den Ocean herbeigeführten Bri

v. d. Hagen in seinen Denkmalen des Mittelalters. Berlin- 1824. 8. zuerst herausgegeben. Auch Gottfried von Viterbo beweist, wie schnell sich durch Galfrid von Monmouth jene Sage durch Europa verbreitete. Pars XVIII. feiner Chronik enthålt einige in Herame= tern und Pentametern abgefasste Erzählungen von Voltiger, Orsus, Engist, Corinna (Rovenna), Uterpendragen, Merlin, Hierar (Hibernia) 2c.

1) Gervas. Tilbur. bei Leibnitz scrr. rer. brunsvic. I. 921. Dessen Ütnasage von Arthur, welcher im Kampfe mit seinem Neffen Mordred (Medraud) und dem Sachsenherzoge Childerik fiel, deutet jedenfalls auf andere Quellen als die des Galfrid, welche ein sehr his storisches Gewand tragen. Vgl. auch den Fortseger des Nennius Cap. 62,

2) Turners history of the Anglo-Saxons B. III. c. 3. Er hålt den Elywarch Hen und andere Dichter für die Zeitgenossen Urthurs. Ähnliche Nachrichten finden sich auch bei zwei Zeitgenossen des Galfrid von Monmouth, nämlich in Ricardi Divisiensis historia Angliae ad primordia regis Stephani und in Chron. Radulfi Nigri; jene ums Jahr 1138, diese zuerst 1161 abgefasst. Beide, bis jegt nur handschriftlich vorhanden, werden in der neuen Sammlung der scrr. rer. Britanniae erscheinen.

ten gegen die Westgothen in Gallien und dessen Gefechte an der Loire vernehmen 1). Diese sehr schäßbare Nachricht gibt uns einen sehr beachtungswerthen Wink über die Verbindungen und die Hülfsmittel derjenigen Theile in Britannien, welche noch nicht von den sächsischen Seeräubern belästigt wurden. Arthur 537. fiel in einem Kampfe in Cornwallis gegen Medraud 2), sein

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Tod wurde jedoch lange verheimlicht und seine Landsleute harrten viele Jahre auf seine Wiederkehr und seinen Schuß vor den Angelfachsen. Die Wiederauffindung seines lange verheimlichten Grabes bei dem Kloster zu Glastonbury ist von sehr glaubwürdigen Zeitgenossen berichtet 3) und gab damals zu keinem Verdachte religiösen oder politischen Betruges Anlaß. Hätten den König von England, Heinrich II., welcher im Jahre 1189 die Wiederaufgrabung des Sarges veranlasste, die Waliser nur von dem Tode ihres Nationalhelden durch ein Blendwerk überzeugen wollen, so würde wohl schwerlich er selbst bet demselben eine so hervorstechende Rolle übernommen haben.

1) Jornandes de rebus geticis c. 45. Sidon. Apol. III. ep. 9. Wenn man jedoch mit des Pistorius Lexte des Sigebert von Gemblours den Riothamus für durchaus identisch mit Arthur halten wollte, so würde auch dessen Chronologie angenommen werden müssen, deren Ungewißheit ihm selbst nicht entging. S. Denselben bei den Jahren 470, 472, 473, 482 u. 491. Die merkwürdige Stelle bei Sigebert, worin dieser seinen Zweifel über die Glaubwürdigkeit der historica narratio nuper de Britannico in Latinum translata ausdrückt (non omnia pro veris affirmamus), bezeugt gleichfalls das Vorhandensein der Volkssagen über Arthur (cuius mirabiles actus etiam linguae personant populorum). Diese Stellen der sigebertschen Chronik würden, da Sige= bert im J. 1112 starb, noch wichtiger sein, wenn daraus gefolgert werden könnte, daß dieser åltere Quellen als der erst etwa 40 Jahre spåter erschienene Galfrid von Monmouth besessen haben sollte; doch ist zu bemerken, daß in dem Abdrucke des Miråus alle diese Stellen fehlen, welche Pistorius in der von Robert de Monte ume Jahr 1210 fortgesezten und ohne Zweifel überarbeiteten Chronik Sigeberts fand. Die historia Britonum, welcher Alberich folgte, sest Arthurs Regierung in die Jahre 459-475.

2) So auch annal. Cambriae a. 537. Nach Galfrid B. XI. Cap. 2. legte Arthur im I. 542 die Krone nieder.

3) Guilelm. Malmesb. Girald. Cambrens. de institutione princip. bei Bouquet. T. XVIII.

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Die Dichtung und die Sage zeugen für den Geist, wie seine Asche und der Grabstein für das Leben und den Namen Arz thurs; der Glaube an das Dasein dieses christlich - celtischen Hektor kann durch kurzsichtige Zweifelsucht nicht erschüttert werden, wenngleich noch Vieles für die Geschichte der Briten wird geschehen müssen, um den historischen Inhalt der Dichtungen begeisterter Barden, welche oft nur in entseelter Nachbildung auf unsere Tage gelangt find, in der nüchternen Sprache kris tischer Forschung wiederzugeben.

Während britisches Volksthum gegen die Gewalt der Sachsen sich vertheidigte, wie es gegen die Römer sich bewährt hatte, wurde der größere Theil der Insel allmålig Beute und Heis mat der Fremden. Die britischen Nachrichten werden hier sehr selten; doch auch die angelsächsischen Nachrichten, besonders ihre Zeitrechnung, erscheinen stets höchst sagenhaft.

Hengist lebte noch, als im Jahre 477 Ülla1) und seine drei Söhne Cymen, Wlencing und Cissa auf der gleichen Dreis zahl Chyulen bei Cymeneŝorn (Keymor auf Selsea im westlichen Susser) landeten. Bei der Landung der Sachsen erhoben die Briten ein lautes Geschrei, unzählige derselben flogen aus den nahgelegenen Ortschaften herbei und sogleich begann der Krieg. Die Sachsen, an Körper die größten, an Kraft die stärksten, empfingen jene mit keckem Muthe, diese aber rückten unvorsich tig hervor und wurden, wie sie getrennt und allmålig herankamen, von den vereintstehenden Sachsen niedergemehelt. Den Nachs eilenden kam schon die unerwartete Schreckensbotschaft entges gen. Die Briten wurden bis in den benachbarten Wald Undredesleage getrieben. Die Sachsen liessen sich am Meeresstrande nieder und dehnten langsam ihre Niederlassungen aus, bis im achten Jahre nach ihrer Landung in Susser die Fürsten und Herren der Briten sich vereinten und ihnen bei Mearcredesbarn eine große Schlacht lieferten, deren Sieg fast zweifelhaft blieb. Jedes der Heere, sehr mitgenommen und geschwächt, verwünschte das Zusammentreffen mit dem andern, und sie kehr

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1) Beda 1. II. c. 5. kennt nur seinen Namen. Die obige Darstellung ist aus der ausführlichen Chronik des Heinrich von Huns tingdon, dessen Genauigkeit in der Excerpirung seiner uns bekannten Quellen diefelbe Eigenschaft für die uns unbekannten verbürgt.

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