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,,könne glauben, daß durch eine so falsche Methode, durch Gesichts,,und Gefühlserscheinungen, welche in nervenschwachen kranken "Personen hervorgerufen werden, die Eristenz einer neuen Natur,,fraft begründet werden könne." Und warum war denn diese Methode nicht falsch, als Hr. von Liebig fie in sieben Abhandlungen durch seine chemischen Annalen veröffentlichte? -Ich kann ihm hierauf nur erwidern, daß kein Verständiger durch so falsche Behauptungen und so unlogische Einwürfe sich wird blenden und Thatsachen sich wird wegreden lassen, die großentheils so einfach sind und von denen eine Menge so sehr auf flacher Hand liegen, daß bald wörtlich ein Kind sie contastiren kann. Wenn das die Verständigen des Hrn. von Liebig sind, die so reden, so habe ich in meinem Leben keine unverständigeren Einwürfe gehört. Es gibt nichts Lächerlicheres, als wenn ein gescheidter Mann etwas Albernes sagt.

Eine neue Naturkraft könne nicht durch die odischen Erscheinungen begründet werden, meint Hr. von Liebig. Jede Erscheinung in der Welt ist die Wirkung einer sie erzeugenden Ursache. So viel wird er wohl einräumen. Ist die Ursache eine verborgene, so nennt man sie überhaupt Kraft. Kraft ist die unbekannte Ursache der Erscheinungen, „das Wirkende in dem Geschehen" um mich in philosophischer Sprachweise auszudrücken. Dieß wird Hr. von Liebig im Eingange jedes Lehrbuchs der Metaphysik gefunden haben, wenn er je Eines in die Hand genommen hat, woran seine Münchner Rede einige Zweifel einflößt. Wo also Erscheinungen auftreten, da muß irgend eine Kraft zu Grunde liegen. So lange man bestimmte Erscheinungen auf bereits angenommene Kräfte zurückführen kann, so stößt man auf keine Schwierigkeit in ihrer Erklärung. Wenn aber irgendwo Erscheinungen auftreten, welche in diesen angenommenen ihre Erklärung nicht finden; wenn man vorkommende neue Thatsachen auf bekannte Ursachen zurückzuführen sich außer Stande sieht: da macht sich die Nothwendigkeit geltend, auf neue unbekannte Gründe, und namentlich in der Naturwissenschaft auf neue, bisher verborgen gebliebene Kräfte zu schließen, sie den Fakten hypothetisch zu unterstellen. So wie nun odische Erscheinungen von mir ans Licht gezogen werden, deren Ursache er aus feiner der bekannten Naturkräfte zu erklären vermag, so geht ihm alle logische Befugniß ab, der Annahme irgend einer unbekannten Kraft sich zu widersetzen. Entweder ist die Grundursache der odischen Erscheinungen eine bekannte, oder wenn nicht, so ist sie eine unbekannte;

so lange Hr. von Liebig nicht im Stande ist, eine bekannte Ursache derselben nachzuweisen, so muß er sich der Annahme einer unbekannten fügen; er muß, daß Denkgeseß zwingt ihn dazu.

Von hier bohrt sich dann die Frage in rückgängiger Entwicklung noch tiefer ein, ob nämlich die odischen Erscheinungen auch wirklich wahr seyen oder nicht, regelrecht mich auszudrücken: ob sie eine complere wissenschaftliche Thatsache ausmachen oder keine. Einfache metaphysische Betrachtungen zeigen uns überzeugend, daß wir von feinem sinnlichen Gegenstande die Erkenntniß seines absoluten Bestandes unmittelbar erreichen können, sondern daß wir überall uns mit der Erscheinung begnügen müssen; mit dem Wenigen also, was davon unsern Sinnen geboten wird. Die objektive allgemeine Wahrheit dessen stellen wir nach den Regeln des Denkens für uns und für andere durch die Induktion fest. Der induktorische Beweis, wird durch Zeugschaften geführt. Dieß ist für die Wissenschaft unumgänglich, weil nicht Jeder alles und jedes mit eigenen Sinnen befühlen und anschauen kann. Die Zeugen müssen glaubwürdig, bei der Sache uninteressirt, unter sich unzusammenhängend, in ihren Angaben aber übereinstimmend seyn. Je größer die Zahl solcher Zeugen, je mannigfaltiger ihre Verhältnisse zum Gegenstande, desto höher schwellt die Kraft des induktorischen Beweises an und erhebt sich endlich so, daß er nahezu mit dem apodiftischen Beweise zusammenfällt. Wenn die Wahrnehmungen und Aussprüche solcher Personen, die einander nie gesehen haben und die ihre Beobachtungen unter den verschiedensten Umständen anstellen, hundert und tausendweise übereinstimmen, so steigert sich die Induktion zur vollen und somit zur logischen Gewißheit. Ein anderes Kriterium für Wahrheit, als diese durchgängige Uebereinstimmung besißt die Philosophie nicht. Es ist nicht nöthig, daß jeder von uns Amerika gesehen habe; wenn nur recht viele dort gewesen sind und den festen Boden betreten haben, so werden ihre unter ihnen unzusammenhängenden, in sich aber übereinstimmenden Zeugnisse. schon hinreichen, uns für das Daseyn des großen Westlandes Sicherheit zu geben; wenn wir ihren Angaben nachgehen, werden wir es dort finden, es wird in Wirklichfeit da seyn. So die odischen Gefühls- und Lichterscheinungen. Sie sind bei mir allein schon durch mehr als 160 übereinstimmende, mit Namen genannte Zeugen und durch viele Tausende der verschiedenartigsten Beobachtungen zur Anerkenntniß gebracht; tausende von Zeugen aber haben sie, in Folge meiner Schriften, im deutschen Vaterlande,

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in England, Frankreich und überall dieß und jenseits des Oceans an sich und ihren Freunden bewährt; ein guter Theil von ihnen ist so allbekannt, volksthümlich könnte man sagen, daß ich sie nur zu nennen brauche, um ihrer allgemeinen Anerkennung gewiß zu seyn. Die Abneigung gegen Gelb und die Vorliebe für Blau; die Unfähigkeit, zwischen andern auszuhalten; der Abscheu vor dem Spiegel; die Peinlichkeiten enger Räume; die Ohnmachten in der Kirche; die Unmöglichkeit, links zu schlafen; der Eckel vor Metallgefäßen; der Schauder vor allen längeren Händeberührungen; die Nervenanfälle beim Tischrücken; der Schreiberkrampf und hundert ähnliche, gebieterisch und gemeinsam über eine große Anzahl Menschen verbreitete Erscheinungen fennt alle Welt, und Hr. von Liebig mag sich gebärden wie er will, er ist unfähig, fte abzuläugnen, von tausend andern von mir beweislich nachgewiesenen. physiologisch-odischen Vorgängen zu geschweigen. Die Thatsache der odischen Erscheinungen besteht also zu logischem Rechte. - Sind aber die Thatsachen in ihrer wissenschaftlichen Bedeutung einmal festgestellt, so tritt, nach den Gesezen der logischen Evolution, die Bildungsform der Hypothese ein, als der einzige Weg, den Umfang unserer Kenntnisse zu erweitern; sie ist nicht nur erlaubt, sondern sie ist dann denkgeseßlich geboten. Unsere Vorstellungen von Wärme

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Licht von einem magnetischen, einem elektrischen Principe find Hypothesen, unter welche wir Gruppen von ursächlich unbegreiflichen Thatsachen vereinigen, und anderes nichts. Die zahlreichen neuen Erscheinungen, welche ich vorführe, bilden eine ähnliche, weitumfassende, unter sich zusammenhängende Gruppe in gleicher Weise unerklärlicher Thatsachen. Da nun Hr. von Liebig einer Erklärung derselben aus bekannten Dynamiden ermangelt, und seine Unfähigkeit, sie aus solchen abzuleiten, eingestehen muß, so ruht die vorläufige Annahme einer eigenthümlichen und bisher unbekannten Naturfraft, aus der sie in wissenschaftlichem Zusammenhange hervorgehen, die Hypothese des Odes also, auf wohlberechtigtem Grunde. Den logischen Bedingungen des Induktivbeweises und der ihm folgenden hypothetischen Unterstellung ist überall mit Ueberschuß Genüge gethan. Mehr wäre unnüßer Lurus. Wem dieß nicht zureicht und wer in den Tag hinein in frivolen Einwendungen sich gefällt, wie wir sie so eben gelesen haben, der ermangelt der Kenntniß der Kriterien für wissenschaftliche Wahrheit, d. h. er ist kein philosophisch gebildeter Kopf und dessen ungeordnetes Gerede ist hierin weiterer Beachtung nicht werth.

Indem Hr. von Liebig mich „falscher Methode" anklagt, spielt er den naturwissenschaftlichen Streit hinüber auf das Feld der Logik, und da kommt er mir dann eben recht, einmal ihm und seiner ratiocinatio ein wenig das Gewehr zu visitiren. Dieß wollen wir denn thun und zwar dießmal ordentlich lege artis; mit diesem Herrn, der sich gerne übernimmt, muß man etwas genau reden. Da spricht er nun in seiner Rede vom Beobachten und sagt: „Es gibt keine „Kunst, welche so schwierig ist, wie die Kunst der Beobachtung: es "gehört dazu ein gebildeter nüchterner Geist und eine wohlgeschulte „Erfahrung (sic!) u. s. w." Merkwürdig! ich habe bis hier geglaubt, das Kind in der Wiege mache Beobachtungen und dieß recht viele, selbst die Hunde, die Kazen, die ungeschulten Affen machen Beobachtungen; hat man ja sogar Flöhen Dressur beigebracht, die nur auf ihren Beobachtungen beruhen kann. Die Beobachtung gehört zu den psychischen Elementarentwicklungen und liegt im Gebiete der untersten synthetischen Begriffsformen. Wenn der Ochs im Pfluge nicht weiter geht, so kommen über ihn Hiebe. Stehenbleiben und Hiebe associiren sich im Hirnkasten des Ochsen und bilden sich in demselben synthetisch aus zu der in die Erregung tretende Beobachtung, daß je aufs Stehenbleiben Hiebe folgen. In Folge der Ausübung dieser Kunst, welche Hr. von Liebig so schwierig findet wie es keine andere gibt, wogt dann Hansel Schritt für Schritt in der Furche weiter. Vielleicht aber soll die höhere, die wissenschaftliche Beobachtung eine andere Beobachtung seyn als die gemeine; dann ist es ein psychologischer Mißgriff, denn jene hat vor dieser im geistigen Hergange lediglich nichts voraus, als daß zur einfachen Wahrnehmung eine größere Menge beim wissenschaftlich Gebildeten vorräthiger gleichartiger Vorstellungen von selbst hinzufließt und die daraus erzeugte Beobachtung unterstüßt, bereichert, schärft; sie bleibt jedoch als Seelenaft überall derselbe primäre Proceß. Wie aber kann ein Mensch einen spontanen psychischen Vorgang eine „Kunft" nennen! Seine neue weltweisheitliche Entdeckung über die Attributionen der „Beobachtung" wendet Hr. von Liebig dann unmittelbar zu einem Ausfalle auf mich und meine unwillkommene „Odwissenschaft“ an, wie er sie betitelt. Blicken wir einen Augenblick zurück auf das bereits Gesagte. Zur Beobachtung müssen die Werkzeuge, die Sinn und Nervenapparate gesund seyn, hörten wir ihn sagen, und dann machte er folgenden Syllogismus:

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Alle Sensitive haben nichtgesunde Nervenapparate;

Nichtgesunde Nervenapparate sind zu Beobachtungen durchaus ungeeignet;

Ergo sind Sensitive zu Beobachtungen durchaus ungeeignet; und folgert dann unbedenklich weiter, daß solche Beobachtungen alle falsch und für keinen verständigen Menschen" brauchbar seyen. So gestellt, nehmen dieß die treuherzigen deutschen Leser und Bewunderer alles im Vertrauen in verba magistri an, und gewahren nicht, daß er sie in eine Falle führt. Denn einmal ist, zufolge vorangegangener Erörterungen, der Obersaß falsch, daß alle Sensitive nichtgesunde Nervenapparate haben; das andermal ist der Untersat unwahr, daß Nichtgesunde zum Beobachten unbrauchbar seyen; drittens endlich ist der Mittelbegriff: "Nichtgesunde Nervenapparate" ein Ausdruck, biegsam und knetbar, der in jeder Relation eine andere Bedeutung anzunehmen geeignet ist. Es gibt motorische Nerven, es gibt sensible, es gibt animale, es gibt vegetative Nervenapparate, in ihren Funktionen himmelweit verschieden; welche sind nun die von Liebig hier gemeinten? Alle fönnen es nie seyn. Man fann mit dem Augennervenapparate vortrefflich sehen, und mit dem der Ohren taub seyn; man kann Arm oder Beine verloren haben und gleichwohl auf das Feinste fühlen; man kann im sympathischen, im Pfortadersysteme in tiefem Nervenleiden liegen, und das Lungen- und Herznervensystem fann ferngesund seyn; man kann hören, verstehen und denken und dabei regungslos auch nur ein Fingerglied zu bewegen außer Stande seyn; man kann im Hirne bis zum tobenden Wahnsinne ergriffen seyn und dabei vortrefflich verdauen; - lauter verschiedene Nervenparthien und Nervenapparate, die da und dort schwer krank seyn können und darum dennoch den sensitiven Apperceptionen oft genug nicht den geringsten Eintrag thun. Welche Nervenapparate nun gemeint seyen, worauf hier alles ankömmt, darüber gleitet er lautlos hinweg. Aber wir wollen die Denfprocesse des Hrn. von Liebig, dem der Kanon für ihre Entwicklung abhanden gekommen, noch genauer analysiren. Wie viel Sinn und Nervengesundheit haben nach seiner Schäzung die Sensitiven nöthig, um richtige Geistesoperationen bei mir vollbringen zu fönnen? Was müssen sie zu leisten, zu beobachten fähig seyn? ich will es ihm sagen: sie müssen von der großen Kunst der Beobachtung" so viel besigen, um zu erkennen, daß das Helle leuchte, und daß das Nasse feuchte; daß blau nicht gelb, und roth nicht grün sey; daß warm nicht

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