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was ein armer Soldat auszustehen bekömmt, der das Unglück hat, sensitiv zu seyn und dessen Obrist Lust am Exerciren hat. Von rechts und von links seyn ́und stets zwischen zwei eingezwängt, von vorn und von hinten mit Mannschaft dicht umgeben, was mögen da für Gefühle einen solchen Menschen peinigen! Wie weit das geht, das sehen wir an Hrn. Anschüß (202), der auf der Pa= rade ohnmächtig umfiel und der schon auf der Wachtstube wie auf der Tortur lag; wie nun erst, wo mehrere in den Kasernen Ein Bette oder Einen Bund Stroh theilen müssen! ·

§. 144. Wie häufig Menschen aus dichtem Volksgedränge ohnmächtig weggetragen werden, ist bekannt; die Ursache liegt weniger im Drängen und Drücken, als in der Sensitivität, deren Wirkungen dicht unter zahlreichen Menschen alle, die in etwas höherem Grade dafür empfänglich sind, ohne jedoch noch irgend kränklich genannt werden zu können, auf einige Dauer durchaus nicht vertragen. Können sie, wenn der Einfluß auf sie einmal überhand zu nehmen anfängt, nicht noch zeitlich entfliehen, so treten bei Manchen Krämpfe, Erbrechen und Ohnmachten ein. So klagten es mir Hr. Alexander Baumann (22), Ritter von Perger (70), Major Philippi (45), Mauch (2), Dr. Natterer (55), von Neuwall (2o), Dr. Köller (86), Weidlich (97), Weiner (2o), Preinreich (»), Tischler Bollmann (5o), Czapek (1), Fichtner (1), Enter (53), Anton Müller (4), Alois Bayer, Klein ("), Baron von Oberländer (37), Frau Delhez (18), Anna Tschik (22), Freifrau von Natorp (“5), von Offenheim (15), Hr. Dr. Nied (55), Prälat von Schindler (105), Leopol der (120), Profeffor Unger (7), von Siemianovski (2), Steiger (27), die Grafen Ernst und Karl von Coronini (24), von Offenheim (82), Ritter von Sidorowicz (5o), Schiller (23), von Neuwall (155), Schuler (32), Alois Zinkel (3°), Frau Müller (57), Preinreich (3o), Hek (16), Heintl (17), Frl. von Unchrechtsberg (62), Caroline Ebermann (19), Karhan (82), Rupp (30), Josephine Geraldini (131), Zinkel-Baier (32), Schwarz (23), Bernazke (3), Frau von Vivenot (6), allen find große Gesellschaften, Volksgewühl auf Märkten, Festen, Aufläufen, ganz unleidlich und fie beeilen sich, aufs schnellste herauszukommen, wenn sie durch Zufall hinein gerathen. Das Theater meiden sie größtentheils, bloß weil sie zwischen zwei Menschen eingezwängt zu werden fürchten. Frl. Beyer kann nicht einmal schlafen in einem Zimmer, in welchem noch mehrere Personen sich befinden, nicht wegen der Unruhe, sondern der odischen Emanationen allein wegen. Hr. Superintendent Pauer (15) verträgt nirgends nahe ihn Umstehende, bei Grabreden, die er halten muß, muß er deßhalb eigens immer Vorsorge treffen, daß ihn die Leute nicht durch zu große Annäherung belästigen. Wilhelmine Glaser (16), Frau Kienesberger (2) und Frl. Beyer (105) find so empfindlich für dichtere Menschenanhäufungen, volle Bälle, Volksgewühl, daß, wenn sie unvorsichtig zu lange darin verweilen, es ihnen unfehlbar übel und ohnmächtig wird. Frl. Apmanns

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dorfer (468) befand sich einmal auf der Klinik der Wiener Universität. In der Ordinationsstunde kamen täglich 50 bis 60 Studenten zugleich an ihr Bette. Im ersten Augenblicke verursachte ihr dieß angenehme Kühle; schnell aber ging dieß über in Sättigung, dann Erhizung, Pulsbeschleunigung bis ins Fieberische, Erhizung und Röthung, sofort oftmals in Ohnmacht und die heftigsten Krämpfe. Der ganze Schwarm der Doctoren mit dem Herrn Professor Ordinarius an der Spite wußten nicht, wie diese tagtägliche Erscheinung komme, schüttelten die Köpfe und schöpften Verdacht, es möchte dabei Affectation seyn. In Berlin würde man dieß wieder für lauter „Lug und Trug und Aberglauben" erklärt, die Natur aber Niemand erkannt haben. Fünfzig Studenten, dicht um eine hochsensitive Persen herumgedrängt, alle mit dem Gesichte gegen sie gekehrt und mit ihrer Aufmerksamkeit auf sie gerichtet, sind eine Dosis odischer Latung nach Einem Brennpuncte concen= trirt, die in reizbaren Naturen die heftigste Wirkung nicht verfehlen kann. Bei Hrn. Klein (") steigt das Uebelbehagen, wenn er in Volkshaufen geräth, bis zum Erbrechen.

§. 145. Größere Gesellschaft, wo die Gäste die Zimmer füllen, vertragen nirgends die Sensitiven. Frau Ebermann (9), Johanna Anschütz (19), Frl. Azmannsdorfer (74), Nowotny, Mair, Freifräulein von Oberländer (''), Sophie Bauer (5), die Herren Prälat von Schindler (105), Sartorius (31), Rotschy (50), Dr. Löw (27. 72), Sturm ("), von Siemianovski (22), Baron von Oberländer (7), Schiller (1), Professor Endlicher (17), Prof. Schabus (25), Dr. Med. Ragsfy (12), Dr. Machold (35), suchen sich von allen zahlreichen Gesellschaften ferne zu halten, ziehen sich bald daraus zurück oder suchen. leergelassene Stellen darin. Frl. Kynast (59) fürchtet dieß besonders in kleinen Zimmern, wo ihr übel wird. Der Frl. Weigand und Hrn. Dr. Med. Diefing (6.0) wird es in dichter Gesellschaft so unleidlich und heiß, daß Letterer nur kurze Zeit bleibt; muß er aber bleiben, so verliert er ohne andern Grund alle gute Laune und wird unwillkürlich mißgestimmt. — Anka Hetmanek (13) fühlt die Pein gefüllter Stuben bis zur Müdigkeit und Erschlaffung steigen, wenn sie nicht bei Zeiten sich daraus entfernt. Fran von Peichidh (25) und Hr. Dr. Med. Mielichhofer sind große Freunde der geselligen Vergnügungen und Abendvereinigungen in geistiger Hinsicht, aber ebenso peinlich werden sie ihnen in physischer, wo sie ihnen Vangigkeiten erzeugen, die sie nicht selten zum Weggehen zwingen. Hr. Fernolendt (1) sieht sich wider seine Neigung schon seit Jahren gezwungen, Abendgesellschaften und Kaffeehäuser, die er liebt, zu meiden. Es geht dieß bei ihm so weit, daß er überall, segar in seiner eigenen Familie nicht mit der Gesellschaft speisen. kann, sondern sich abgesondert auftragen lassen muß. Ein merkwürdiges Beispiel, das hieher gehört, erzählte mir Hr. Gustav Anschütz von sich; die Pein größerer voller Gesellschaften, Rathhausversammlungen u. tgl.

nöthigt ihn, immer von Zeit zu Zeit wegzugehen und einige Augenblicke Einsamkeit zu suchen, um sich zu erholen, und wenn er den Umständen nach nirgends hingelangen kann, so geht sein Drang so weit, daß er sich entschließt, ohne andere Ursache nach irgend einem Abtritte sich zu retten und da einige Zeit zu verweilen, nur um allein zu seyn und sich von der eingesogenen odischen Peinlichkeit auf einige Zeit wieder frei zu machen.

§. 146. Daß es den Sensitiven in den Theatern, Concerten und ähnlichen Schaustellungen für viele Menschen nicht besser geht, folgt von selbst. Hr. Fernolendt (1o), Kotschy (72), Nied (55), Ragsky ('2), Frl. Kynast (72), Frau von Varady, Alois Bayer (9) und viele andere sehen sich dadurch wider Willen genöthigt, auf diese Versammlungen größtentheils Verzicht zu leisten, in denen es ihnen theils beinahe, theils völlig übel wird. - Zwei Herren (*) aus den allerhöchsten Ständen, welche zu nennen ich Anstand tragen muß, finden große Hofversammlungen überaus peinlich, ja nach einiger Zeit so unerträglich, daß sie sich daraus zurückziehen müssen.

Daß dasselbe von Kirchen gilt, versteht sich wohl von selbst; ich will jedoch davon hier keine ausführlichere Erwähnung thun, daß in ihnen noch ein anderer Grund zum Uebelwerden obwaltet, auf dem ich schon früher (Dyn. §. 68.) aufmerksam zu machen Gelegenheit hatte, auch später seines Orts darauf zurückkommen werde.

§. 147. Aber ganz besonders leiden Kinder in Schulen hierunter. In diesem Alter, namentlich auf den Pubertätsentwicklungsstufen ist die Sensitivität ungemein stark ausgesprochen. Die Kinder sizen auf ihren Bänken eines neben dem andern, und sind oft in armen Landschulen dicht aneinander geschaart. Hr. Fichtner erzählte mir, wie viel Beunruhigung er hiedurch in seinen Schuljahren ausgesetzt gewesen. Frl. Zinkel (1120) war als ein sehr folgsames und lernfleißiges Kind beliebt, die einzige Klage, die ihre Lehrer über sie führten, war ihre beständige Unruhe, deren sie nicht Herr zu werden. vermochte. Sie erinnert sich vieler Beispiele; wenn die Ankunft eines Bischofs oder einer andern vornehmen Person Spaliere der Schulkinder veranlaßte, und sie in der Neihe derselben stehen und so oft längere Zeit warten mußte, so war es ihr eine unnennbare Pein, gedrängt zwischen andern Kindern_aushalten zu müssen, und wenn sie einen Augenblick erhaschen konnte, wo sie auch nur Einen Schritt aus der Reihe vorwärts oder rückwärts austreten konnte, so benügte sie ihn mit der Gier eines Gequälten; denn selbst dieser geringe Abstand von ihren Nebensteherinnen gewährte ihr die ersehnte Erleichterung. Vielmals mußte sie kleine Züchtigungen von ihren Lehrern aushalten, bloß ihrer Unmöglichkeit halber, zwischen andern steckend, sich ruhig zu verhalten. Josephine Zinkel-Baier (5) mußte oftmals aus der Schule ohnmächtig weggetragen werden.

§. 148. Sogar in Viehställen macht sich dieß fühlbar. Frl. Azmanns.

dorfer, Zinkel u. a. m., find nicht im Stande, in der Nähe vieler Kühe lange auszuhalten. Es erzeugt ihnen die nämlichen Peinlichkeiten, wie unter vielen Menschen.

§. 149. Da die Sensitivität in den höhern Stadien vieler Krankheiten start hervortritt, so kann man sich nun erklären, warum so viele Kranke nicht gleichgültig über die Art sind, wie sich Gesunde neben sie stellen und wird ihre Eigenheiten nun in vielen Fällen nicht mehr für Caprice halten dürfen. Zeuge war ich vielmals selbst von derlei. Fräulein Beyer (12) lag auf einem Sopha bei Hrn. Dr. Blaß, ihrem Arzte. Er setzte sich zu ihren Füßen, Gesicht und Rechte gegen sie gekehrt. So lange ging es hin, und das Mädchen blieb ruhig. Um mit Jemand zu sprechen, der von der Seite zu ihm trat, drehte er sich ein wenig, so daß er dem Mädchen den Rücken zukehrte. Sogleich ward sie unruhig und ungeduldig über Mißbehagen, ohne zu wissen warum. Er drehte sich zurück, um sie zu beschwichtigen, und nun war alles sogleich wieder gut. Er wendete sich nun wieder ab, um sein Gespräch auf der andern Seite fortzusehen: und die Klagen fingen Der Arzt drehte sich wieder der Sensitiven zu, und die Ruhe stellte sich her. So sah ich dem wunderlich scheinenden Spiel eine Weile zu, ohne darein zu reden, bis ich meinen Freund ungeduldig werden sah über die immer erneuten Unterbrechungen, und dann durch Hinweisung auf die Ursache der Uebelstände abhalf. Es war nichts als der Wechsel zwischen Front und Rücken, welche der Liegenden von unten her immer dargeboten wurde, und der jedesmal umgekehrt bald lauwidrig, bald kühl angenehm auf sie reagirt hatte. Frl. Nowotny duldete es, daß ich mich zu ihren Füßen auf ihr Bett sette; so wie ich mich aber etwas höher an sie heran ansette, so war es ihr unangenehm und ich mußte unten, unter ihren Füßen bleiben. Es war hier keine Ziererei, sondern so wie ich weiter oben saß, so gerieth ein Theil ihres Leibes hinter meinen Rücken und ihre Füße unter mich, außerdem ich dadurch mit meiner einen Seite neben die gleichnamige ihrige. Diese Störungen vermochte sie in ihrer sensitiven Empfindlichkeit nicht zu vertragen. Gerieth ich wohl gar über ihren Kopf, so war dieß durchaus nicht auszuhalten.

§. 150. Um dieß näher zu erforschen, stellte ich genaue Prüfungen mit Frl. Zinkel (477) an. Ich legte sie inmitten eines großen Zimmers auf ein im Meridian stehendes Canapee in Normallage, d. h. Kopf gegen Nord, und zwar auf die rechte Seite, auf der Sensitive fast immer liegen. In dieser Lage fühlte sie durchaus im ganzen Leibe angenehme Kühle bis auf den untern linken Fuß, der bis zum Metacarpus Läue und schwaches (Gruseln, Wurln), Ameisenlaufen empfand. Nun seßte ich mich zu ihr und zwar so, daß ich ihren Füßen meine rechte Seite zufchrte, und damit unter der= felben mich befand. Das Gruseln im linken Fuße hörte segleich auf und

trat statt dessen im rechten Fuße ein. Dieß war ganz normal, da meine rechte zum linken Fuße ungleichnamig odisch sich verhielt, zum rechten aber gleichnamig. Kehrte ich mich nun um, so daß ich ihren Füßen meine linke Seite zukehrte, so hörte alsbald das Gruseln im rechten Fuße auf und trat dafür in linken mit Stärke ein.

Lag aber das Mädchen auf ihrer linken Seite, und ich seßte mich auf gleiche Weise zu ihr aufs Canapee unter ihre Füße, mit meiner Rechten ihr zugekehrt, so bewirkte dieß wieder, daß ihr linker Fuß ruhig, ihr rechter aber ins lauwidrige Gruseln kam. Kehrte ich mich wieder um, so daß ich ihr meine Linke zukehrte, so schwieg wieder der rechte Fuß und der linke fing zu grufeln an. Die Ursache ursprünglichen Fußgruselns, ehe ich mich zu ihr sezte, und die anderwärts liegt (ich werde sie später erörtern), wurde überwunden von dem Ode meines Leibes (Biod), das seine Herrschaft in allen Lagen dominirend ausübte.

Liegt die Sensitive mit dem Kopf nach Ost, Süd, West gerichtet, so modificiren sich theilweise diese Ergebnisse und gehen so sehr ins Zahlreiche, daß ich sie hier ohne allzuviel Weitläufigkeit nicht erörtern kann. Man braucht aber nur die entwickelten Gefeße mit einiger Umsicht darauf anzuwenden, so wird man leicht immer im voraus die Empfindung berechnen können, welche man einer kranken sensitiven Person verursacht, angenehm oder unangenehme, nüßliche oder schädliche, und ein verständiger Arzt wird ihren Umgebungen die nöthigen Vorschriften für die Behandlung der Patienten geben können. Sie sind aber sehr oft von der größten Wichtigkeit, denn sie verfügen über die Ruhe des Leidenden. Und wenn es schon nur das unschuldig scheinende Nebensißen gesunder Leute gilt, so kann es doch in vielen Fällen bis über Leben und Tod entscheiden, wo das Aufkommen von Ruhe und Wiedergewinnung der bis zum Erlöschen gesunkenen Kräfte abhängt. Durch verkehrtes Nebensißen aber können auch noch gute Kräfte so beunruhigt, schlaflos gemacht und dadurch herabgebracht werden, daß nun erst Gefahr eintritt, wo sonst keine war; Krankheiten, die sonst einen gutartigen Verlauf genommen haben würden, werden durch falsche odische Einwirkungen nun erst bösartig, wovon ich ein merkwürdiges und warnendes Beispiel an Frl. Reichel später mittheilen werde. Kein Mensch weiß die Ursache der Unruhe, Schlaflosigkeiten, Schwächungen, die daraus folgen, und sie liegt oftmals in nichts, als in einem geringfügigen odischen Mißstande.

Aber auch für die Aerzte gibt es hier etwas, das sie sich bemerken mögen. Wenn sie sich neben einen Kranken stellen, der im Bette liegt, und ihm den Puls fühlen, so ist es, wenn er nicht sensitiv ist, allerdings gleichgiltig, wie und wohin sie sich in dieser Absicht stellen. Ist der Leidende aber ein Sensitiver, zumal ein höherer, so ist dem ganz und gar nicht so. Dann muß der Arzt erwägen, was er thun darf und was nicht. Zunächst darf

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