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hundertmal vor, bisweilen in Einem Tage wohl zwölf und zwanzigmal, ja in Einer Stunde drei- bis viermal, und so ward die Sache bald etwas, das man kaum mehr beachtete. Ich sah einmal die Frl. Sturmann, das halbjährige Kind ihrer Schwester auf dem Arme, zur Zimmerthüre hereintreten. Mit dem einen Fuße noch auf der Schwelle blieb sie stehen. Man hieß sie die Thüre schließen, weil kühler Zug im Zimmer entstand, sie gab aber weder Antwort, noch schloß sie die Thüre, noch rührte sie sich von der Stelle: sie war kataleptisch geworden. Man konnte die Thüre nicht schließen, weil sie unbeweglich auf der Schwelle stand. Die Mutter wollte ihr das Kind abnehmen, es war aber nicht möglich, sie hielt es so fest und krampfhaft umschlossen, daß man dem Kinde hätte wehe thun müssen, wenn man es ihr aus den Händen gerissen hätte. Die Augen hatte sie offen, starr nach einem Punkte hingerichtet. Wir umstanden sie in ängstlicher Sorge um das Kind. Aber nach etwa 5 Minuten kamen ihre Augen wieder in Bewegung und gleich darauf trat sie hergestellt in das Zimmer. — Hier hatte ich den ersten Fingerzeig nach dem Umstande hin, der den Auftritt veranlaßt haben konnte, es war ein messingener Thürschnallengriff, den sie mit der linken Hand erfaßt hatte; unmittelbar nach dieser Betastung war sie in Katalepse gerathen. Katharina Rupp (10) konnte kein Fensterbeschläge, keinen Thürgriff von Metall ergreifen, ohne auf der Stelle kataleptisch zu werden. Berührungen von kupfernen Küchengeschirren thaten dasselbe. Sie (27) konnte von einem Brunnen kein Glas Wasser schöpfen, weil sie dabei an eine eiserne Kolbenstange gerieth, die sie bei der geringsten Berührung sogleich in Katalepse versetzte. Ein angefaßtes Biegeleisen, ein metallener Topf, allerlei Metallstückchen, die ich ihr im Laufe von Versuchen in die Hand gab, reichten hin, die Frl. Reichel in eine Bildsäule zu verwandeln.

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Es waren also odpositive Stoffe, deren Einfluß überall die nächste Veranlassung zu Hervorrufung von Katalepse gab.

§. 999. Es geschah zum ersten Male bei der Frl. Nowotny (55) (April 1844), daß ich sie kurz nach dem Abnehmen des Ankers von einem schweren neunblätterigen Magnet fataleptisch werden sah. Das Hufeisen stand aufrecht, die Pole in die Höhe gerichtet. Den folgenden Tag geschah dieß, in anderer Absicht, wieder, die Sensitive fiel aber wieder in Katalepse, die jedesmal etwa 10 Minuten dauerte. Bei Frl. Sturmann (5) stellte ich mich mit einem großen Hufeisen unter ihre Füße in Entfernung einiger Schritte; dieß beunruhigte sie, hatte aber sonst keine wesentlichen Folgen; sie lag dabei mit dem Kopf nach West. Sie wurde nun mit ihrer Bettstätte gerückt, den Kopf nach Nord. Als ich mich nun mit dem Hufeisen einige Schritte hinter ihrem Kopfe aufstellte, die Pole gegen sie gerichtet, ward sie unverzüglich fataleptisch. Ein andermal öffnete ich sieben Schritte unter ihren Füßen, ein drittesmal dreizehn Schritte unter ihnen (20) einen neun

blättrigen Hufmagnet; es dauerte eine halbe und eine ganze Minute, so war sie kataleptisch geworden; nach kurzer Pause erwachte sie wieder zum Bewußtseyn. Wieder ein andermal gab ich ihr (19) einige wenige Striche mit einem kleinen Stabmagnete, mit dem negativen Pole, den ich in meiner nega tiven Hand hielt; die Striche gingen ebenfalls über ihre negative Seite. Alsbald war sie kataleptisch geworden, jedoch nur wieder auf etliche Minuten Andauer.

Magnete also, und wie es schien, (jedoch in jener Anfangszeit noch nicht genau genug unterschieden) wenn sie rückstrichartig angewendet wurden, erzeugten unverzüglich Katalepse, doch nur vorübergehende.

§. 1000. Fuhr ich mit einem großen Bergkrystalle an der Frl. Sturmann nur ein einziges Mal hinauf, so wurde sie kataleptisch. Leider waren dieß meine Erstlingsversuche, und ich finde die näheren Umstände in meinen Papieren nicht aufgezeichnet. Frl. Weigand (8) erhielt einige Striche mit dem positiven Ende eines Gypsspathes über ihre linke, also gleichnamige Hand hinab. Beim zweiten Striche sank sie bewußtlos in Katalepse, beim dritten ward der Arm krampfig, starr und bebend. Es war vorauszusehen, daß Krystalle wie Magnete Katalepse hervorzurufen ver mögen.

§. 1001. So war es mit Handstrichen. Es bedurfte nur eines einzigen Rückstriches, um die Frl. Nowotny, Reichel, Sturmann kataleptisch zu machen und dieß kam in meinem Umgange mit ihnen se alltäglich vor, daß ich davon, als einer gewohnten Sache leider nur zu wenig Aufzeichnungen machte.

§. 1002. Auf keine dieser verschiedenen Zustände waren aber moralische Einflüsse so wirksam, als auf die Katalepse. Die unbedeutendsten Gemüthsbewegungen konnten hinreichen, sie hervorzurufen. Vor allen war dazu Schrecken geeignet. Frl. Sturmann (38) hörte in einem Nebenzimmer Jemand einen raschen Ruf ausstoßen, unverzüglich versant sie in Katalepse. Einige Male war ich bei ihr (48) als ein Gewitter vorüber zog. Jeder Donnerschlag machte sie kataleptisch); bei den stärkeren Schlägen traten nechh Krämpfe in den Armen hinzu. ' Aber auch als das Gewitter schon vorüber war, man die Schläge nur noch aus der Ferne hörte und jede Furchtsamkeit, von der fie übrigens nicht beherrscht war, verschwunden seyn mußte, fuhr sie dennoch fort, von jedem Donner in Katalepse zu verfallen. Bemerkenswerth war, daß niemals der Blit, sondern immer nur der Schall des Deuners dieß bewirkte. Die Dauer solcher Anfälle überschritt nie einige wenige Minuten. Katharina Rupp (38) wurde von jedem Donnerschlage kataleptisch. Frl. Sturmann, Katharina Rupp (15) und Frl. Reichel wurden jedesmal kataleptisch, so oft irgend etwas im Zimmer laut zu Boden fiel. Frl. Azmannsdorfer sah ich öfters fataleptisch werden von einem etwas stark zugemachten oder

vom Winde ergriffenen Fensterflügel. Der Katharina Rupp (15) genügte eine rasch zugemachte Zimmerthüre, ein umgefallener Stuhl, ja irgend ein unerwarteter Schrei von Jemand, sie plößlich in Katalepse zu versehen. Sie blieb dann meist bewegungslos und bewußtlos stehen, manchmal fiel sie auch um und blieb regungslos liegen. Es dauerte nur einige Minuten und sie war wieder hergestellt, wiederholte sich aber unzählige Male. — Unter vielen Beispielen von Ursachen zu Eintritt der Katalepse ist das folgende wohl ziemlich bezeichnend. Frl. Sturmann (4) wehnte zu Wien auf der Wieden in der Ferdinandsgasse; nicht allzu ferne davon ist der Bahnhof der Südeisenbahn und man hörte bis dahin noch den Pfiff der Dampfpfeife, obwohl durch die Entfernung schon sehr gedämpft. So oft aber die Pfeife sich hören. ließ, ward das Mädchen von einem Anfalle von Katalepse getroffen. Er verging wieder nach einigen Minuten; jezt aber ertönte wieder ein Pfiff und Angelika war wieder kataleptisch. So sah ich es nicht selten in einer Stunde ein Dugendmal sich wiederholen. Ja dieß ging soweit, daß wenn ein Gassenjunge, der unter ihren Fenstern vorüber ging, zufällig zu pfeifen anfing, das Mädchen augenblicklich kataleptisch wurde. Davon war ich selbst Zeuge. Es geschah, während ich mit ihr sprach und ihr in die Augen schaute. 3ch gewahrte nicht die geringste Veränderung an ihr, so gar nicht, daß ich, als sie plötzlich mitten in einem Redesaße zu sprechen aufhörte, die Fortsetzung ihrer Worte erwartete. Erst als sie stumm blieb, erkannte ich, welche entsetzliche Veränderung mit ihr vorgegangen war. Ich griff ihr mit meinen Fingern in die offenstehenden Augen, sie machte nicht die mindeste Bewegung weder mit diesen, noch mit den Lidern, sie war zur lebenden Statue umgewandelt, ohne nur die Gesichtsfarbe geändert zu haben. Hier war es offenbar nicht Schrecken, der den Parorism hervorbringen konnte, es war nur die schnell geweckte Aufmerksamkeit, die plötzliche Reizung gegen den Kopf hin.

§. 1003. Frl. Apmannsdorfer (145) und Frl. Nowotny (2) bekamen ihre kataleptischen Anfälle, wenn sie spontan waren, in der Regel zur Zeit des Untergangs der Sonne. Erstere wurde bei Tage nicht leicht_kataleptisch. Lettere wurde regelmäßig zur Zeit des Sonnenuntergangs von Katalepse ergriffen, und zwar von Tage zu Tage später, wie die Sonne später unterging.

§. 1004. Wenn Frl. Nowotny (3. 41. 78) in Katalepse verfiel, so geschah es gewöhnlich in der Weise, daß sie sich plötzlich, aber unwillkürlich auf den Rücken warf und dann starr da lag. Dieß war das Werk eines Augenblicks wie bei Epileptischen. Aber diese Starre war nicht die Katalepse, es war Starrkrampf und Katalepsis zugleich, von denen sie ergriffen ward, und die es gelang, recht gut von einander zu scheiden. Ich habe es schon oben gesagt, daß es bloß eines Fortstriches mit einem großen Hufeisen über den

Leib, ja nur eines Aufsehens beider Pole auf den Leib bedurfte, um den Opisthotonus des Rückens oder den Tetanus beider Arme unverzüglich zu lösen; dann aber blieb die Katalepse allein zurück (6), die Glieder waren alle biegsam und beweglich geworden, konnten von Jedermann in jede beliebige Richtung gebracht werden, in der sie dann wie eine Gliederpuppe andauernd verharrten, wenn sie auch noch so peinlich war. Hielt man jeßt die Magnetpole eines Hufeisens einer ihrer Hände entgegen, oder berührte sie damit (), so entstand jene unwillkürliche seltsame Bewegung, mittelst deren die Bewußtlose dem Magnete folgte, wie wenn ihre Hand von Eisen wäre und vom Magnete angezogen würde, wovon ich bereits im Kapitel von der odischen Anziehung und Abstoßung gesprochen habe (§. 449). Auch ohne Magnet konnte ich dasselbe mittelst meiner eigenen leeren Hände und Fingerspitzen bewirken und that es oft nicht bloß bei Frl. Nowotny, sondern auch mit Frl. Reichel, Sturmann, Azmannsdorfer, Krüger u. a. m.' — Wäh rend Frl. Nowotny in der Katalepse ohne Krämpfe lag, konnten diese jeden Augenblick willkürlich erzeugt und ebenso willkürlich wieder gelöst werden. Ein Stückchen Schwefel, Bleiglanz, Zinnober, Schwerspath, Flußspath, Kupfer, Chromeisen u. a. dgl., ihr in die Hand gelegt, machte augenblick= lich den kataleptischen Arm steif und versetzte ihn in Tetanus. Ein Rückstrich mit einem Krystallpole, einer Hand, oder einem starken Hufeisenmagnete that ganz dieselbe Wirkung. Wollte ich einen solchen künstlich erzeugten Krampf lösen, so bedurfte es wieder gar nichts anderes, als daß ich mit den Hufmagnetpolen darüber herabstrich, was Krystalle und Hände ebenfalls bewirkten, und die Starre wich der Weichheit und der kataleptischen, wachsartigen Biegsamkeit unverzüglich. Auch hier also, wie in früher erzählten Fällen folgte das Nervensystem den Winken des Odes und seines Meisters wie eine Puppe, wie eine Marionette, die man an ́ Fäden bewegt, niederfallen, aufstehen, wieder niederfallen macht, in willkürlichem Spiele! War der Arm vom Krampfe ergriffen, so folgte Frl. Nowotny (*. 6) mit der Hand dem Magnete und den Krystallen nicht; vielleicht deßwegen nicht, weil sie keine Anziehung empfand; ich will dieß dahingestellt seyn lassen, aber jedenfalls offenbar darum nicht, weil sie starr, d. h. unbeweglich und somit zu folgen außer Fähigkeit gefeßt war. Die Krankheit der Frl. Nowotny (4) fing damit an, daß sie nach Jahre langem Kopfweh eines Tages plötzlich umfiel und bewußtlos am Boden lag. Der Anfall dauerte nur 3 bis 4 Minuten; man nahm es für eine Ohnmacht. Dieß wiederholte sich des andern Tages, und dauerte dann 5 bis 6 Minuten. Die folgenden Tage stieg es auf 10 Minuten, auf eine Viertelstunde, sofort stufenweise bis auf 6 Stunden von Nachmittags 3 Uhr bis Abends 9 Uhr. In dieser Zeit lag sie beständig im Starrkrampf. Die Aerzte wußten für sie keinen Rath mehr. Endlich als auf gut Glück Magnet angewendet wurde, fand sich in ihm das v. Reichenbach, der sensitive Mensch. 1.

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Mittel, zunächst den Starrkrampf zu gewältigen. Es blieb dann die Katalepfe (6). Doch war es nöthig, daß man ihr beständig während des Anfalls eine ungleichnamige Hand reichte, sonst fiel sie alle Augenblicke in den Starrkrampf zurück (78). Als man ihr, die Methode Bulmerincqs einschla= gend, Magnete unter die Fußsohlen brachte (*), gelang es, diese, die seit Jahren immer kalt waren, endlich warm zu machen und in ausgiebigen Schweiß zu bringen. Von diesem Augenblicke an begann Besserung, tägliche Abkürzung der Anfälle, Rettung und Heilung. Die letzten Anfälle, die nur noch halbe und Viertelstunden, zuleßt Minuten lange dauerten, und denen ich fast täglich anwohnte, waren ohne Krämpfe und bestanden nur noch aus Katalepse ("), ein deutlicher Beweis, daß diese ein niederer Krankheitszustand waren, als die klonischen und tonischen Krämpfe.

§. 1005. Man könnte den Verlauf dieser Erscheinungen, wenn man wollte, recht wohl graphisch darstellen, und zwar durch folgende Linie ausdrücken: (Aßmannsdorfer 478)

a

f

h

a

wobei a a den natürlichen ruhigen Zustand bezeichnete, b b Magenweh und Kopfweh, c c Ohnmachten, d d somnambule Zustände, e e Katalepse mit klonischen, dann tenischen lokalen Krämpfen, f Starrkrampf. In der umgekehrten Ordnung schreiten dann die Anfälle rückwärts. Nicht selten werden einzelne Phasen übersprungen oder gelangen der Kürze ihrer Dauer wegen nicht zur Wahrnehmung; namentlich im Rückgange finden sich weniger Krämpfe, weniger Magenweh und Ohnmacht, dagegen mehr und länger andauernder Somnambulismus, in den sich meist alles verläuft.

§. 1006. Wenn Frl. Sturmann beim Entankern eines Magnets auf Entfernungen von 7, 10 und 13 Schritte bald kataleptisch, bald sogar von tonischen Krämpfen befallen wurde, und dieß zum Theil unter Umständen, wo sie, bewußtlos, weder sehen, noch wissen konnte, daß irgend Magnet auch nur im Zimmer war, so begreift sich, wie solche Menschen von hoher Sensitivität alle Augenblicke, während man ruhig mit ihnen redet und gar nichts sich zuzutragen scheint, in Katalepse und in Krämpfe verfallen. Jede unerwartete Bewegung einer Hand in ihrer Nähe, die zufällig aufwärts an ihnen verüberstreifen kann, jede Drehung eines Menschen neben ihnen, jede Näherung gegen sie von hinten gegen den Stuhl, worauf sie sien, jedes

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