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zu gelen, als man dieß gewöhnlich zu treffen pflegt. Den weiblichen Sen, sitiven aler, die ich kennen lernte, wohut im Allgemeinen unstreitig ein tieferer Sinn für Sittlichkeit inne, als er in der Regel in unsern Tagen verbreitet ist. Es herrscht begreiflich unter den verschiedenen Ständen ein verschiedenes Maaß von äußerer Schamhaftigkeit im Benehmen, allein dieses ist es nicht, was ich hier meine; ich rede nicht von den angelernten Manieren und_anerzogener berechneter Zurückhaltung. Ich handle hier von den natürlichen Trieben und den unbewachten unverfälschten Gefühlen. Wie das unmittelbar sinnliche Empfindungsvermögen bei den Sensitiven in einem erhöhten Zustande sich befindet, so ist es bei ihnen offenbar auch mit dem geistigen, die „ävlische Harfe der fühlenden Seele der Frau erzittert“ leichter, stärker und schneller bei den Sensitiven, als bei den Nichtsensitiven. Die Folge davon ist ein feineres und stärkeres Gefühl für das Rechte und das Sittliche, und folglich in geschlechtlichen Dingen tiefere Erkenntniß des Würdigen und des Schicklichen. So wenigstens habe ich fast alle die weiblichen Charaktere gefunden, die ich im Laufe gegenwärtiger Untersuchungen zu beobachten Gelegenheit hatte.

Damit ist jedoch nicht gesagt, daß das, was die Geschlechter gegenseitig anzieht, bei ihnen schwächer oder minder entwickelt sey. Im Gegentheile, es ist vielleicht weit leichter, eine sensitive Weiblichkeit zu gewinnen oder zu verführen, nur nicht auf dem groben Wege, sondern auf dem zärteren besserer Gefühle. Ein sensitives Weib wird Sinnlichkeiten mit mehr Abschen von sich weisen, einer delikaten Behandlung aber und einem Achtung einflößenden Benehmen leichter unterliegen, als Andere, sie mag aus höheren oder niedern Ständen seyn. Ich habe in den untern Ständen mitunter Mädchen von einer Reinheit der Sitten und der Gesinnungen gefunden, die ich, in Wien wenigstens, wahrhaftig nicht erwartet hätte. Nach sinnlicher Befriedigung sind die Frauen, soweit meine Nachforschungen reichen, nicht sehr verlangend, cher zurückweisend; im Genusse selbst aber auffallend heftig. Es ist möglich, daß dieß nicht bei allen so ist, meine Erkundigungen vermochte ich über viele Personen nicht auszudehnen.

§. 806. Die sensitiven Frauen, welche in dieser Schrift vorkommen, sind fast alle fruchtbar und haben zum Theil zahlreiche Kinder. Sie sind vortreffliche Mütter, die ihre Kinder mit äußerster Hingebung pflegen.

§. 807. Sehr bemerkenswerth ist, daß in den Menstruen ihre senfitive Reizbarkeit bei weitem stärker ist, als außerhalb derselben. Eine Menge edischer Beobachtungen, welche im gewöhnlichen Zustande der Gesundheit nicht gemacht werden konnten, ergaben sich vollkommen deutlich, wenn ich die Periode der Menstruation dazu benüßte. Daß ich hier namentliche Zeugenaufführung unterlasse, wird man natürlich finden.

§. 808. Was hier von den Menstruen gesagt ist, das gilt ebenso von ter Schwangerschaft. Die Reizbarkeit in diesem Zustande ging genau

gleichen Schrittes mit der in den Menstruen. Vier verschiedene Frauen, mit denen ich früher außer und inner der Katamenien odische Versuche ge= macht und ihre Gefühlsstärke kennen gelernt hatte, besuchten mich im Zustande der Schwangerschaft wieder. Die Vergleichung ergab, daß ihre Reizbarkeit unter dem letzten Verhältnisse genau übereinstimmte mit der in den monat= lichen Reinigungen. Es stimmte diese physiologische Erscheinung zusammen mit der erhöhten moralischen und physischen Reizbarkeit, die man am weiblchen Geschlechte überhaupt sowohl in den Katamenien, als in der Schwangerschaft kennt.

§. 809. Ein sensitives Mädchen theilte mir die Beobachtung mit, daß Alles, was kühl und fortsstrichartig auf sie wirke, auch ihre Menstruen immer befördere, rückstrichart ges aber sie hemme.

Die Aerzte sind häufig der Meinung, daß die Reizbarkeiten, welche wir als sensitive hier abhandeln, bei Mädchen, wo sie sich vorfinden, sich verlieren, wenn sie Frauen werden und Kinder haben. Innerhalb meines Erfahrungskreises hat sich dieß ganz und gar nicht bestätigt. Sensitive Mädchen habe ich als Mütter nicht nur nicht minder, sondern überall in verstärkter Sensitivität gefunden. So Frau Preinreich (5), Cecilie Bauer, Neureitter Eheleben und Kindergebären vermindert also die Sensitivität und die damit verbundenen Reizbarkeiten auf keine Weise.

§. 810. Eine fremde rechte Hand, in die Gegend weiblicher Genitalien gelegt, bringt bei Höhersensitiven sehr bald Ruhe, Schläfrigkeit und Schlaf hervor. Dieß enthält aber gar nichts ungewöhnliches, wenn man aus dem Vorhergehenden sich erinnert, daß alle negative Behandlung, alle ungleichnamigen Fertstriche gegen die Füße herab beruhigend und schlaferzeugend wirken.

B. Odische Wandelzustände in der Ermüdung und im Schlafe.

1) Die Ermüdung.

§. 811. Mit Hrn. Delhez (13) machte ich im Sommer 1847 einen botanischen Ausflug durch ein Stück des Wiener Waldes. Wir gingen Morgens acht Uhr vom Reisenberge weg über das Hameau nach der Sofienalpe, Scheiblingstein von da ins Thal hinab nach Weidlingbach, dann wieder über die höchste hiesige Bergspitze, den Hermanskogel nach Hause. Wer die Gegend fennt, weiß, daß dieß beständig bergauf und bergab ging und geeignet war, uns innerhalb beiläufig sieben Stunden, die wir unterwegs zubrachten, vollkommen zu ermüden. Ehe wir weggegangen, hatte sowohl Hr. Delhez, als als auch Frl. Zinkel (589) unsere odische Stärke geprüft. Eine halbe Stunde nach unserer Rückkunft wurde diese Prüfung wiederholt. Bei jenem bewerkstelligte ich dieß auf die Weise, daß ich ihm Gesichtsstriche, Armstriche, Leib

striche, geradaus und gekreuzt gereichte Hände, auch Gypsspath zwischen beite Hände gab, Fingerspitzen auf Fingerspiyen sette und Trennungsschmerz auf Fingerspitzen erzeugte. Bei allen diesen Reactionen fand er keinen merklichen Unterschied in der odischen Stärke sowohl vor als nach dem Spaziergange; er empfand jeden Angriff ungefähr gleich stark in beiden Fällen; und wenn je ein Unterschied stattfand, so war er so schwach, daß er ihn nicht wahrzunehmen vermochte. Hiebei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, daß der Versuch nur eine halbe Stunde nach unserer Zuhausekunft gemacht wurde, wo die Aufregung unseres ganzen Organismus sich noch nicht wieder gelegt haben konnte. Wir seßten uns nun zur Mahlzeit und da jezt die Einwirkung der eingenommenen Speisen hinzutrat, so ließ sich der Versuch nicht weiter fortsetzen.

Abends um 10 Uhr aber, also sechs Stunden nach der Mahlzeit, hielt ich es für thunlich, eine Prüfung noch einmal vorzunehmen. Ich ließ mich von der Frl. Zinkel (***) untersuchen, die meine mittlere odische Stärke aus täglicher Erfahrung genugsam kannte. In ihrer linken Hand empfand sic jezt meine Rechte ohne Vergleich odisch schwächer als gewöhnlich; sie nannte sie leer, matt, ja fast unangenehm; sie fand sie so, wie sie ist, wenn ich mich etwas unwohl fühle. Ungleichnamige Fingerspißen gegen einander ge= bracht, zeigten ungleich weniger von der gewöhnlichen Anziehung, als sonst; Striche, die ich ihr dann gab, fand sie matt und ziemlich wirkungslos, mit einem Worte, meinen ganzen odischen Gehalt auffallend herabgestimmt und geschwächt.

Den andern Tag, um 11 Uhr Morgens, ließ ich mich wieder von ihr prüfen. Sowohl meine Hand in der ihrigen, als meine Striche über sie, fand sie noch eben so schwach, ja fast noch schwächer als den Abend zuvor. Selbst am zweiten Tage, wo ich wieder eine Probe an mir vornehmen ließ, fand sie mich zwar gebessert, aber noch immer nicht zu meiner gewöhnlichen Kraft zurückgelangt.

§. 812. Ein andermal machte ich mit Hrn. Delhez einen kürzeren Spaziergang, nur um den benachbarten Latisberg herum, was in einer kleinen Stunde vollbracht war und uns nicht ermüdete, und da es kalt Wetter im December war, auch nicht erhißte. Frl. Zinkel (1044) prüfte unsere Hände vor und nach dem Gange und fand uns beite nach der Rückkunft ein wenig schwächer geworden, matter an odischer Tension, wenn der Ausdruck erlaubt ist.

Verschiedene ähnliche Versuche, die ich nicht aufgezeichnet habe, gaben mir ungefähr dasselbe Resultat, daß nämlich schließlich:

§. 813. Die Ermüdung, Schwächung der odischen Kraft, Herabstimmung ihrer Propulsion wenigstens mit sich führt.

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2) Der Schlaf.

§. 814. Da der Nachtwandel eine Erscheinung ist, die innerhalb der Sphäre der odischen Erscheinungen fällt, so ist der Schlaf und seine bessere Kenntniß eine von den wichtigsten Aufgaben vorliegenden Stoffes und wird noch lange die Physik und Physiologie von seinem Standpunkte aus beschäftigen. So viel mir gelungen seyn wird, zu seiner Aufklärung beizutragen, will ich in dem folgenden mittheilen.

a) Bedingung zum Schlaf

§. 815. Um schlafen zu können, und um gut und ruhig zu schlafen, ist es für den Sensitiven bei weitem nicht genug, sich wie ein Nichtsensitiver, wenn die Nacht kommt, etwa auf das nächste beste weiche Lager niederzulegen. Ich habe noch nicht Einen Sensitiven kennen gelernt, der mir nicht einbekannt hätte, daß er entweder überhaupt unruhig schlafe, oder doch ganze Zeiträume über bald immer mehr ruhig, bald wieder beständig unruhig geschlafen habe, ohne daß auch nur einer die Gründe davon gewußt hätte. Hr. Dr. Machold (") schläft ganze Zeiträume über Nachts nur eine oder zwei Stunden. Häufig wacht er um ein Uhr auf und schläft dann nicht wieder ein. Frl. Karhan (3) schläft viele Nächte gar nicht; andere Zeiten über wacht sie jede Nacht genau zu derselben Stunde auf, um vier, um zwei, um zwölf Uhr und kann dann nicht wieder einschlafen. Die meisten klagen über fortwährende Ruhelosigkeit im Bette. Ritter von Neuwall (22), Schuler (7), Hr. Alexander Baumann (25), A. Müller ("), Leopolder (1), Medicinalrath Eccard, die Grafen Ernst und Karl von Coronini (28), Hr. von Sitorowicz (3), Schiller (*), Professor Paulus (2), Dr. Manross (5), Sturm (*), Prof. Schrötter (6), Dr. Tillich (3), Prof. Unger (25), Stephan Kollar (4), Frau Gabriele von Neuwall (7), von Vivenet, Frau Sophie von Offenheim (7) u. v. a. sind lauter mehr oder weniger unruhige Schläfer. Manche reden und schreien im Schlafe, seßen sich auf und verrichten allerlei Dinge. -Hr. Delhez (2) stand in seiner Jugend auf und stieg aufs Dach, so daß man ihm die Fenster zunagelte, um Gefahr abzuwenden. Ritter von Rainer (2) stand in der Jugend samt seinen Brüdern aus dem Bette auf; Hr. Prof. Ragsky (15) trug Bettstücke im Schlaf mit sich herum. — Prof. Endlicher (2) verrichtete nicht selten allerlei ungereimte Dinge. Fr. Weidlich (25) schläft kaum den vierten Theil der Nacht. Frau Hofräthin Besque von Büttlingen ("), Frau Müller ("), Hek (""), von Peichich ("), Frau von Varady (2.3) reden und rufen im Schlafe, Lettere stand in Kinderjahren oftmals vom Bette auf. Prälat Freiherr von Schindler ist in Jugendzeiten öfters schlafend umhergewandelt, und das Traumreden ist bei ihm nichts

ungewöhnliches. Frl. Fleischer (1) schläft Nachts überaus unruhig und findet in keiner Lage Behagen. Frau Kowats (12) ist früher häufig Nachts schlafend aus dem Bette gestiegen und schläft stets in unruhigem Treiben. Frau Heintl ist im Schlafe so unruhig, daß sie oftmals zum Bette hinausstürzt und zu ihrem Schuße Bettscheeren anlegen muß. — Hr. von Cevallos (6) bindet sich seine Decke alle Nacht an.

a) Himmelsrichtung.

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§. 816. Forschte ich nun bei solchen nach der Stellung ihrer Bette stätten, so ergab sich gewöhnlich, daß die Leute, wenn sie schlecht schliefen, mit dem Kopfe gegen Süd oder gegen West gelagert waren, und wenn sie gut schliefen, der Kopf gegen Nord oder gegen Oft gerichtet war. Hierüber habe ich in dem Vorhergehenden schon soviel gesagt, daß ich unter Berufung hierauf, mich hier auf Nachträge werde beschränken und kurz fassen können. Hr. Mauch (2) ist bei seinen Freunden als Schläfer sehr übel berufen. Nicht bloß daß er sie als Traumredner beunruhigt, sondern sie sagen ihm, daß er sich in einer Nacht mehr als 200mal umdrehe. Ich prüfte mit ihm die Stellung seiner Bettstätte, es ergab sich, daß sie mit dem Kopfe nach West gerichtet war. Hr. Med. Dr. Pfretschner (30) schlief in seiner Tyroler Heimath immer sehr unruhig und war verwundert, in seinem Wiener Gasthause, dem Matschackerhofe, in ungewohnter Ruhe seine Nächte zu verschlafen. Wir prüften seine Bettstellen und es ergab sich, daß die in Kufstein den Kopf nach Süd, die in Wien denselben nach Nord gerichtet hatte. Hr. Med. Dr. Mielichhofer (26) schlief sehr gut; man änderte aber einmal die Lage seines Bettes und sogleich konnte er die ganze Nacht über keine Ruhe mehr finden. In der That steht sein Bette mit dem Kopfe nach Norden gerichtet und die Veränderung hatte ihm eine andere Richtung gegeben; so wie er die alte Richtung wieder eingenommen hatte, schlief er wieder so gut wie zuvor. Hr. Med. Dr. Stainer (3) liegt mit dem Kopfe nach Süd gerichtet, gesteht aber, daß er überaus schwer einschläft und gewöhnlich mehrere Stunden, oft halbe Nächte schlaflos liegt, ehe er zur Ruhe gelangt. Achnliches erzählt Frau von Varady (3) von sich. Hr. Dr. Köller (3), der schon früher, ehe er mich kannte, von den Fingerzeigen, die ich in Wien für Bettstellungen durch meine frühern Schriften gegeben habe, gehört hatte, säumte nicht, sein Bette selbst in die Nordsüdrichtung zu bringen und schläft seit dieser Zeit gut. Frl. Zinkel (514), die mit dem Kopfe nach Süd lag, wachte jede Nacht regelmäßig 10 bis 12mal auf; dieß hat aufgehört von dem Augenblick an, da sie ihr Bette umkehrte. — Frau Johanna Anschütz (*), Fräulein Sophie Bauer (2) und Freifrau von Tessedik (7) schliefen immer unruhig ehne die Gründe zu kennen, die sie einem gewissen allgemeinen Uebelbefinden zuschrieben. Es fand

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