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diejenige, die mir die meisten Stacheln entgegenhielt und mich unzählige Male auf Irrwege abführte, bis ich endlich, ohne die Geduld zu verlieren, die Herrschaft über sie errang, d. h. ihre Geseze ermittelte und ihren Einfluß gründlich einsehen lernte. Wir werden sie später von einem andern Gesichtspunkte noch einmal berühren.

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§. 636. Demnach: Die streichende Hand darf weder parallel der Strichlinie, noch ins Kreuz mit ihr über den Gestrichenen geführt werden; in allen diesen Haltungen wirkt sie unvortheilhaft, sie muß in senkrechter Richtung darauf fortgeleitet werden.

15) Geschwindigkeit des Striches.

§. 637. In unmittelbarem Zusammenhange mit der Handrichtung beim Striche steht die Geschwindigkeit, mit welcher er ausgeführt wird. Sie ist nicht nur gar nicht gleichgültig, sondern in Rücksicht auf seine Wirkung von wesentlicher Bedeutung.

Bei der Frl. Krüger (106), (September 1845,) fiel es mir auf, daß bei einer gewissen Geschwindigkeit der Fortstrich eine viel geringere Wirkung that, als wenn ich ihn mehr langsam über sie hinführte. Frau Josephine

Fenzl (7) machte mir bemerklich, daß der Strich etwas gewisses Schmerzliches für sie enthalte, wenn ich ihn nicht langsam genug vollziehe. — Hr. Dr. Pfretschner (") und Hr. Schuler (61) fanden zu schnelle Striche schmerzlich, zu langsame aber Rückstrichen ähnlich. Frl. Beyer (37) traf ich bei den ersten Besuchen im Hause ihres Arztes, des Hrn. Dr. Blaß in Wien. Er strich sie auf die allgemeine übliche Weise und gab mir die Erlaubniß, meinerseits ihr auch einige Striche zu ertheilen. Kaum fühlte das Mädchen die Wirkung meiner etwas schnellern Striche, als sie sich höchlich erfreut und gelabt davon bezeugte und bat, man möchte dieß künftig immer nach diesem veränderten Zeitmaße thun. - Hr. Delhez (108) fand, daß die Geschwindigkeit durchaus keine willkürliche seyn dürfe, wenn der Strich wohlthätig werden soll, sondern an ein gewisses, bestimmtes Zeitmaß gebunden. sey. Sei sie zu schnell, erklärte er, so werde ein eigenthümlicher Schmerz erzeugt, (auf den ich weiter unten §. 728 zu sprechen komme), sey sie zu langsam, so gewähre der Strich keine erfrischende Kühle, sondern es mische sich Empfindung von Läue und schwache Widrigkeiten ein, die sein Wohlgefühl stören. Hr. Gustav Anschütz (165, 228) machte mir die nämlichen Bemerfungen mit der Zuthat, daß ihm zu langsamer Strich Magenweh erzeuge, ganz wie ein Rückstrich. - Die Frl. Zinkel (829) empfand bei zu schnellem Striche Schmerzliches, das sie mit einem Gefühl verglich, wie wenn ihr aus ihrem Innern der Leibesinhalt durch den Arm herausgerissen wurde.

Zu langsame Striche fügten der Kühle Lauwidrigkeit bei.

Gab ich der Frl. Beyer (37. 309) zu rasche Fortstriche über die Arme herab, so fingen nach mehreren Wiederholungen Krämpfe sich zu melden an; bei zu langsamen Strichen aber waren erst Beängstigungen, dann die Krämpfe selbst in der That sogleich da.

§. 638. Diese Beobachtungen gehen mit anderweitigen Erfahrungen gut überein. Ein zu schneller Strich erzeugt in den Gliedern jene odischen Perturbationen, denen wir schon oben begegnet sind. Es wird erst Lauwärme vor dem Striche her nach vorne gegen Hand und Vorderarm getrieben und hinten folgt Kühle nach. Da die odischen Verladungen und Fortleitungen aber leicht allzu schnell vor sich gehen, so gerathen diese Vertheilungen in eine gewisse Unordnung, wenn sie durch Geschwindigkeit übereilt werden und sich ihre Natur nach zu ordnen verhindert werden; laue und kühle Stellen kommen dann durcheinander, überstürzen sich gewissermaßzen und es entsteht ein unangenehmes Durcheinanderwurln entlang des Armes. Zu langsamer Strich aber kann zerlegt werden in theilweise angemessenen Strich und theilweises Innehalten. So wenigstens läßt es sich betrachten. Beim jedesmaligen Innehalten geschieht eine kleine Odverladung in widersinniger Richtung, wenn die Hand flach auf dem Arme liegt, die einem vollkommenen, wenn gleich kurzen Rückstriche gleichkömmt. Stehen die streichenden Finger aber, wie sie sollen, senkrecht auf dem Arme, so ist die Ladung zwar nicht widersinnig und darum in ihrer Wirkung auch weniger rückstrichartig, jedoch immerhin so groß, daß Abstoßung vom geladenen Theile aus eintritt, die vom Sensitiven lauwidrig empfunden wird, bei Hochsensitiven aber bis zu Krämpfen steigt, wie ich es bei Frl. Beyer gesehen habe. Ein deutliches Beispiel gab Frl. Zinkel (531, 1006). Wenn ich während des kühlenden Fortstriches meine Hand von Zeit zu Zeit auf ihrem Arme innehalten und einige Augenblicke liegen ließ, so ließ unverzüglich die Kühle nach, und ohne Verzug folgten Lauwidrigkeiten und Gruseln auf dem Flecke. Seßte ich nun den Strich fort, so verschwand plößlich die Läue, Kühle kehrte zurück, um so wie ich wieder anhielt, aufs Neue der Läue das Feld zu räumen. So sette ich es entlang beider Arme abwechslungsweise bis zu den Händen fort. Die rückstrichartigen Lauwidrigkeiten zu langsamer Fortstriche aber haben alle Sensitiven gerügt, selbst so schwache, wie Hr. Dr. Pfretschner.

§. 639. Nun wie geschwind aber soll der Strich seyn, damit er recht ist, gut wirkt und weder lauwidrig aus Rückwirkung erregt, noch Krämpfe erzeugt, noch die Glieder in Wurln versezt? Ist das Zeitmaaß für Sensitive von verschiedenen Graden ein verschiedenes? Darauf antworteten meine Freunde alle, daß es für sie sämmtlich ein ganz gleiches sey. Das Zeitmaß habe ich so gefunden, daß es gut war, wenn ich in einer Minute 5 höchstens 6 Striche über die Arme herab vollbrachte. Selbst bei Luftstrichen, solchen nämlich,

bei denen ich die Sensitive nicht berührte, sondern in kleinen Abständen von 1-2-3 Spannen über ihren Leibern den Strich führte, z. B. bei Frl. Zinkel (8) mußte ich gerade diese Geschwindigkeit einhalten, um richtig und angenehm zu wirken.

§. 640. Das Ergebniß ist also: Der Strich hat keine willkürliche, sondern eine bedingte Geschwindigkeit, und diese beträgt für eine Armlänge ungefähr den fünften Theil einer Minute oder etwa 12 Sefunden.

16) Mittelbare Striche.

§. 641. Alles bis hieher vom Striche Gesagte galt von der unmittelbaren Anwendung des streichenden Odquells auf den gestrichenen Leib. Es ist der Strich aber bis auf einen gewissen Grad auch mittelbar ausführbar durch Dazwischenkunft eines dritten Körpers, ohne daß Streicher und Gestrichener mit einander in Berührung kommen. Wir wollen die hierüber von mir gesammelten Versuche durchgehen.

§. 642. Die einfachste Weise, dieß zu versuchen, war offenbar die, irgend einen Stab in die Hand zu nehmen und eine sensitive Person damit zu streichen. So verfuhr ich denn auch bei Frl. Zinkel (1281), indem ich einen armlangen Glasstab in meine rechte Hand nahm und sie damit über ihre linke Seite strich. Dieß that auf sie ganz dieselbe kühlende Wirkung, wie wenn ich sie mit meiner Hand unmittelbar gestrichen hätte, nur schwächer. Dasselbe vollzog ich dann mit einer ebenso langen Säbelklinge; der Effect war der gleiche, aber wiederum schwächer, als mit der Glasröhre; am schwächsten endlich wirkte eine dünne und schwankend biegsame Klafterstange von Buchenholz. Diese Ergebnisse ließen sich voraussehen, allein es handelt sich hier um eine Erscheinung noch anderer Art.

Bei Frau Kienesberger (24) hatte ich nämlich die Beobachtung gemacht, daß die Verladungswirkung, die meine Finger auf einen stabartig gestalteten Körper in ihrer Hand ausübten, nicht immer gleich waren, und daß sie sich änderten, wenn an dem Stabe meine Finger sich hin und her bewegten. Anfänglich glaubte ich, daß dieß besonders bei Metallstäben der Fall sey, fand aber bald, daß Holzstäbe, Glasstäbe, Papierrellen, ja seidene oder baumwollene Bänder sich alle ebenso verhielten.

§. 643. 3ch segte sie nun in Normallage und gab ihr einen Glasstab, eine gewöhnliche Barometerröhre an einem Ende in die linke Hand und ließ sie erst Gewöhnung davon nehmen. Darauf setzte ich an das andere Ende meine rechten Finger; sie empfand bald Kühle gemäß dem bereits oben entwickelten Gesetze der Durchleitung. Als ich nun aber an dem Stabe mit meinen Fingern gegen sie hinglitt, also daran aufwärts strich, änderte v. Reichenbach, der sensitive Mensch. I.

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sich plötzlich das Gefühl von Kühle und schlug in lau um. Darüber betroffen und ungläubig wollte ich denselben Strich noch einmal wiederholen und fuhr in dieser Absicht an dem Stabe zurück: augenblicklich änderten sich die Zustände, der Stab wurde jetzt wieder kalt. Fuhr ich wieder aufwärts, so erneuerte sich die Erwärmung des Glasstabes in der Hand der Sensitiven, fuhr ich abwärts, so wurde er wieder kalt. Ich sah somit, daß meine Finger auf den Stab in ähnlicher Weise eine strichartige Wirfung hervorbrachten, wie dieß auf menschlichen Armen und Gliedern vor sich geht, und daß die ihn haltende sensitive Hand die Veränderungen empfand, die mit dem Stabe hiebei vorgingen.

§. 644. Diese Versuche wiederholte ich mit zwei ungenannten Herren (7) aus den höchsten Ständen, Professor Endlicher (28), Professor Dr. Huß von Stockholm (45), Professor Ragsky (30) (mit diesem auf Holzstab), Professor Unger (*), Dr. Diesing (36), Schuler (53), Dr. Köller (39), Sartorius (64), Frl. Sophie Claudius (5), Caroline Ebermann (3) und Frl. Zinkel (845). Allen gab ich einen Glasstab in die linke Hand und strich mit meinen rechten Fingern daran auf und ab. Immer wurde der Strich abwärts gegen mich her fühl empfunden, d. h. das Glas erschien kühl in der sensitiven Hand, beim Striche aufwärts aber, gegen die sensitive Hand hin, lauwidrig. Es war also genau se: abwärts wie die Empfindung, welche meine Finger beim Armstrich hinter sich erzeugen, aufwärts wie die, welche sie beim Armstriche ver sich her hervorbringen.

§. 645. Einen kleinen Schritt weiter ging ich mit Hrn. Kotschy (5), Sturm (5), Alois Baier (7), Frau Müller (66) und Frl. Beyer (176). Unter denselben Umständen vollzog ich bei ihnen auch den Etrich am Glasstab auf und ab mit meinen linken Fingern. Das Ergebniß war wesentlich nicht davon verschieden, abwärts wurden die Striche kühl, aufwärts lau empfunden; nur waren sie aufwärts wärmer und widriger, abwärts näherten sie sich mehr der Indifferenz. Mit Hrn. Elger (1) änderte ich in der Weise ab, daß ich ihm die Glasröhre auch in die rechte Hand gab und die Striche mit meinen rechten Fingern auch dort vollzog. Das Ergebniß glich dem meiner linken Finger gegen die linke Hand des Sensitiven in umgekehrter Ordnung.

§. 646. Mit Hrn. Anschütz (193), Alois Zinkel (11), dann mit Frau Kienesberger (254) und Frl. Zinkel (779) vollzog ich jedesmal die acht nächstliegenden Striche. Das Gesammtergebniß von allen den verschiedenen Versuchen, wie es sich ins Mittel darstellt, will ich zu Herstellung der Deutlichfeit hier zusammentragen.

Der Glasstab wurde empfunden:

4. In der linken sensitiven Hand gehalten

a. von rechten Fingern gestrichen, abwärts fühl, angenehm,

b. von rechten Fingern gestrichen aufwärts lauwidrig, gruslich, c. von linken Fingern

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abwärts kühlwidrig, schwächer,

ohne Gruseln,

aufwärts lauwidrig, gruslich bis zur Schulter.

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§. 647. Frl. Zinkel (779) hob dabei wieder die Bemerkung hervor, daß bei allen abwärts gehenden Fortstrichen hier ein Gefühl sich bemerkbar mache, als ob aus dem Leibe und Arme aller Inhalt herausgezogen würde; bei allen aufwärts gehenden Rückstrichen aber nächst dem Gruseln und Ameisenlaufen ein Gefühl von Hineinstopfen und Hineinschieben in den Arm; dieß ist aber nichts anderes, als dasselbe, dem wir schon bei der Frl. Reichel und Nowotny begegnet sind, das scheinbare Geben und das Nehmen bei positiven und negativen Reactionen.

§. 648. Alle Sensitiven erkannten in diesen Versuchen energischere Einwirkung auf ihre Hände, als beim gewöhnlichen Striche. Der Grund ist unschwer zu finden. Beim Striche vertheilt sich odische Ladung (oder odischer Reiz) auf die ganze Fläche des Armes, wird wohl auch noch durch zwischenliegende rückläufige Nerven gestört, being Striche über den Stab dagegen concentrirt sich die Wirkung auf die Hand allein, die das Glas hält. Da dieses aber ein guter Odleiter und die innere Hand der bestfühlende Theil des ganzen Armes ist, so wird die deutlichste und feinste Wahrnehmung hier durch die Umstände vorzugsweise begünstigt; auch dauert die Einwirkung auf ein und dieselbe Stelle, die Berührungspunkte der Hand, längere Zeit fort, so lange nämlich, als der ganze Strich entlang des Stabes währt, wogegen er beim Armstriche an jeder Stelle nur vorüberzieht. Alles dieß trägt bei, die Intensität der Wirkung aufs Gefühl zu erhöhen.

§. 649. Die Stärke der odischen Action war am größten immer dann, wenn meine Hand der sensitiven Hand am nächsten sich befand, nahm ab in dem Maße, als sie sich von ihr am Stabe hin entfernte und umgekehrt.

§. 650. Wenn ich solche Striche meiner rechten Finger mit Hrn. Delhez (122) versuchte, und im Zuge des aufwärts gehenden Rückstriches, welcher Wärme in seiner linken Hand erzeugt hatte, plößlich inne hielt, so verschwand in den ersten Augenblicken die Läue in seiner Hand und machte unverzüglich einer eintretenden Kühle Platz. So wie also der Schub nachließ, hörte auch alsbald seine eigenthümliche Wirkung auf, und die Negativität meiner

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