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. Hagedorn, Oft ist der Ruhm, der Schriftverfasser hebt,

Ursprünglich schwach; doch hilft die Kunst ihm weiter.
Der Gönner Huld, nach der die Zuschrift strebt,
Macht kleine groß, und dunkle Namen heiter,
Und wer zuerst um Nachsicht bitten muß,
Gebeut zuleht, und ist ein Pansophus.

So, wie ein Bach, der tråg und dürftig quillt,
Durch Kies und Schlamm trüb' und verächtlich fließet,
Sich krümmt und schleicht, von fremden Wassern schwillt,
Dann rauscht und glänzt, sich stolz ins Land ergießet,
Dort Bächen folgt, hier Bäche selbst regiert,
Und endlich gar des Stromes Namen führt.

Des Beifalls Kraft begeistert den Verstand
Mit allem Wih der Neuern und der Alten,
Wird zum Beruf, heißt jeden, der ihn fand,
Das Richteramt auf dem Parnaß verwalten,
Und macht den Mann, den Muth und Glück erhöhn,
Oft zum Virgil, noch öfter zum Mácen

Sein Häß entehrt. Warum? Weil seine Gunst
Kaum weniger als mancher Pfalzgraf adelt.
Nur er versteht wie meisterliche Kunst
In Zeilen lebt, in ganzen Blättern tadelt.
Sein Ausspruch nur, der stets die Regel trifft,
Entscheidet schnell den Werth von jeder Schrift.

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Die Ungeduld der Fremden, Ihn zu schaun,
Spornt ihren Fuß auf den gelehrten Reisen.
Sie müssen sich aus seinem Mund erbaun,
und Ihm, Ihm selbst, sich und ihr Stammbuch weisen,
Vergleichen Ihn mit Seinem Kupferstich,

Sehn, wie Er lacht, freun, und empfehlen sich.

Er lehrt die Welt. Sein Ton, Sein Vorrang steigt,
Und seine Stirn umstralt der Glanz der Ehre:
Das was Er sagt, und das, was Er verschweigt,
Ist wie ein Licht und Nebel seiner Lehre,

Das,

Das, wann Er will; der Schlüsse Band entdeckt,
Der, wann Er muß, des Bandes Grund versteckt.

Dèr. Körper Stoff, was ihre Kraft erhålt,
Wie jede wirkt, sieht Er von allen Seiten;
Sein Wih durchstreift so gar die Geisterwelt,
Das dunkle Land entlegner Möglichkeiten,
Und spåhet dort mehr Dinge seltner Art,
Als ein Ulyß bei seiner Höllenfahrt. *)

Der Wahrheit Reich macht Er sich unterthan;
Er herrscht allein, mit sieggewohnten Sähen
Empdret sich des Zweiflers kecker Wahn,
So kann doch das Sein Ansehn nicht verleßen.
Umsonst erregt ein Aeol Sturm und Fluth:
Neptun erscheint, und das Gewässer ruht.

Doch, wenn Er sich von jenen Höhen schwingt,
Wo, auffer Ihm, den größten Weisen tråumet,
So reizt auch Ihn, was s Thalia singt;
Er spielt ein Lied, ein leichtes Lied, und reimet:
Wie Sokrates der so viel Geist besißt,

Zur Werkstatt eilt, und Huldgöttinnen schnißt, **Y'

Dann übt er oft, die Musen zu erfreun,
Die Wissenschaft ein Leb recht auszuzieren,
Die Fertigkeit viel Glück zu prophezeihn,
Die strenge Kunst empfindlicher Satiren,

Und

v. Hagedorn.

*) S. das 11te Buch der Odyssee.

**) Post arcis ingreffum, qui hodie exftat, Mercurium, quem Propyleum nominans, et Gratias item, Socrates, Sophronisci filius, effinxiffe dicitur: quem fumma inter homines fapientia fuiffe praeditum teftis Apollo eft, etc. PAUSANIAS in Atticis, Abrahamo Loefchero interprete, p. 26.

Socrates practerea, Sophronisci filius, ante arcis veftibulum Gratiarum fimulacra Athenienfibus fabricavit, IDEM in Boeoticis, p. 380.

Hagedorn. Und gleich an Wiß, an Einsicht und Geschmack;
Dem Despreaur, fast wie ein Cantenac. *)

Sein Ruhm wird reif, und güldner Zeiten wehrt,
Der dankbaren, doch långst vergeßnen Zeiten,
Wo den Petrarch das Capitol verehrt, **)
Und Dichter noch auf Elephanten reiten. ***)
Ogroßer Tag! o altes Heldenglück!

Kommt wiederum, doch nur für Ihn, zurück.

*) Von den Satyres nouvelles de Mr. BENECH de CANTENAC, Chanoine de l'Eglife Metropolitane et primatiale de Bourdeaux, ist das Jahr 1706 der Nouvelles de la Republique des Lettres, im März S. 341 ù. f. nach; zusehn.

**) Die Krönung des Petrarcha gehört in die Geschichte der

Gelehrten vom Jahre 1341, und ist nach allen Umüäns den, aus des TITON du TILLET Effais fur les Honneurs et les Monuments accordés aux illuftres Savans, p281. im Journal des Savans, T. CX. p. 20--23. be; schrieben worden.

***) Papst Leo X. hat diese Ehre dem Dichter Baraballi wiederfahren laffén. S. das sechste Buch der Anecdotes de Florence des VARILLAS, P. 295.

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(Gottlieb Wilhelm Rabener, geboren 1714, gestorben als Obersteuerrath zu Dresden, 1772, genießt schon lange einer allgemeinen Verehrung als klassischer Satirist der Deutschen. Sein reicher und ächter Wig, sein ungemein scharfer und feiner Beobachtungsgeist, seine von keiner Bits terkeit oder Misanthropie vergålte, sondern immer men schenfreundliche, Laune, seine leichte und anziehende Darstellungsgabe, und die korrekte Eleganz seiner Schreibart machten ihn dieses Vorzugs vollkommen würdig. Der Ton seiner Satiren ist mehr lachend als ernsthaft; und zum Theil treffen fie Thorheiten und Vorurtheile, die jest schon wenis ger herrschend, oder vielmehr nur anders modificirt sind. Für das Studium des Menschenforschers aber werden sie doch immer sehr schäßbare Sitkengemåhlde bleiben. Ihre Wens dung ist sehr mannichfaltig; und sie sind sämmtlich, bis auf diese Eine, deren Ironie nicht zu verkennen ist, in Prose ges schrieben.)

Beweis, daß die Reime in der deutschen
Dichtkunst unentbehrlich sind,

Nein! långer schweig ich nicht! Mein Zorn bricht end;

lich los.

Der Frevel wird zu kühn, der Uebermuth zu groß,
Womit die blinde Welt der edlen Dichtkunst spottet,
Ihr mit dem Falle droht, und sich zusammen rottet.
Drei ganzer Jahr' hab ich geduldig zugesehn
Wie ihre Feinde sich verschwören, sich zu schmähn,
Wie weit die Barbarei in ihrer Wuth gestiegen;
und dennoch hab ich stets vor Furcht und Gram ges
schwiegen.

Vor diesem, wenn Lucil, von Versen übel sprach,
So schlich ihm unvermerkt mein junger Satir nach,
Und riß, durch Zorn beherzt, dem Spötter der Gedichte
Mit ungestrafter Hand die Larve vom Gesichte.

Das

Rabener.

Rabener. Das aber wagt ich nur, als ich ein Jüngling war:
Mein reifender Verstand bemerkte die Gefahr;
Mein scheuer Satir sah das klägliche Geschicke,
Das Vers und Wahrheit traf; bestürzt wich er zurücke,
Warf seine Geissel hin, und fluchte seiner Kunst.
Die Muse winkte mir, und hielt mir ihre Gunst
Und mein Versprechen vor, sie-drohte, mich zu hassen,
Berhieß und bat. Umsonst! Ich schwur sie zu verlas

sen;

Ich schwur, und hielt es auch.

Pflicht;

Doch endlich siegt die

Ich breche meinen, Schwur, und schweige långer nicht.
Die größten Flecken sucht, durch freches Splitterrichten,
Der schönsten Poesie der Tadler anzudichten.

Will ein erhabner Geist, ein zweiter Lohenstein,
Des Phōbus Hofpoet und erster Günstling sein,
Und der geneunten Zahl, mit reingewaschner Lippe,
Im gläserhellen Quell des Pferdebrunns Enippe,
Der Andacht Weihrauch streun; bricht sein erhißter
Muth,

Beschwängert von der Kunst, durch Flammen Blitz und
Gluth;

Ruft er der Schwefelbrunst der donnerharten Flammen,
und ruft Megårens Zunft, und ruft den Styr zusams

men;

Tanzt er auf Stelzen her, wenn er Gewitter wälzt,
Und eine Feuersbrunst des Herzens Marmor schmelzt;
Låßt er rund um sich her des Unglücks Nordlicht gläns

zen;

Lacht er in Gleichnissen, seufzt Chrien, weint Sentens zen;

So kommt ein Zoilus, und ruft: Der Dichter schwillt!

Sein ganzer Vers ist Rauch, sein Kopf mit Dunst

erfüllt.

Seht, wie er die Vernunft in Demandketten füh

ret,

Im Parorismus singt, und Oden phantasiret!

Wenn

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