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untersuchen, als es gewönlich bei allgemeiner Darstellung geschieht, und der Gewinn, den die Wissenschaft wie das Leben aus der genauen Kenntniß solcher Einzelheiten zieht, ist nicht gering anzuschlagen. Die kleinen Verhältnisse der landschaftlichen und örtlichen Geschichte dürfen nicht nach dem Maßstabe ber Reichsgeschichte beurtheilt werden, ihre Würdigung liegt vielmehr in der eigenthümlichen Wirksamkeit, die sie in ihrem Kreise auf das Leben und den Charakter der Personen ausgeübt haben. Denn jeder Mensch wird durch seine Umgebung gebildet, weil sie unmittelbar auf ihn einwirkt; es es gehört deswegen auch zur geschichtlichen Selbstkenntniß eines Volkes, daß es seine landschaftliche Entwicklung nicht außer Acht lasse. Die Länder am Oberrhein waren im Mittelalter von Bedeutung, es mag daher seyn, daß die Bekanntmachung ihrer Geschichtsquellen selbst für die allgemeine Geschichte unseres Volkes einigen Werth hat.

Von mehreren Gelehrten erhielten wir Ergänzungen und Berichtigungen zu unsern Arbeiten, die wir dankbar benugt haben. Wenn wir dagegen mit den abweichenden Meinungen anderer Beurtheiler nicht übereinstimmen konnten, so wurden die Gründe dargelegt, die uns bewogen, bei unserer Ansicht zu bleiben. Die Erklärung der Quellen, die wir bekannt machen, ist unser nächstes Bedürfniß, diesem suchen wir zu genügen, ohne für die Resultate eine größere Geltung anzusprechen, als sie für jenes Bedürfniß haben. Wenn wir dabei zuweilen auf eine weitere Brauchbarkeit solcher Resultate hindeuten, so geschieht es nicht, um unsere Arbeit zu überheben, sondern eine allgemeinere Forschung zu erleichtern und zu fördern.

Karlsruhe, im Januar 1852.

Der Herausgeber.

Beiträge zur Kunstgeschichte

vom 10. bis 16. Jahrhundert.;

Bei der Kunstgeschichte ist neben der ästhetischen auch die praktische Seite wohl zu berücksichtigen, weil die Bildung der Künstler und ihre Werke vielfältig von den Umständen abhängen, die fördernd oder hindernd auf ihre Leistungen einwirken. Wohl ist nicht jeder zum Künstler berufen, aber es kann doch mancher zur Förderung der Künste etwas beitragen, wenn er neben gutem Willen die Kenntniß besigt, die rechten Mittel zu wählen. Die Erfahrung der Geschichte ist da= für nicht unerheblich, weil man die besondern Verhältnisse kennen lernt, unter welchen in früherer Zeit die Künste gediehen sind.

Das Mittelalter hatte zwei wirksame Bildungsmittel für die Künste, die uns jegt fehlen. Jede Kirche war gleichsam eine Gallerie für Werke der Malerei, Sculptur, Schnigerei und Gießerei, und jede Kirche oder Kapelle mit ihren Stiftern und Bruderschaften war zugleich eine regelmäßige Bestellerin oder Abnehmerin der Kunstwerke. Man darf nur diese Umstände in ihren Hauptzügen überschauen, um die große Wirksamkeit dieser Einrichtung für die Kunstleistungen zu begreifen und zu verstehen, warum das Mittelalter so außerordentlich viele Kunstwerke besaß. Wenn ich die Kunstsammlungen der Kirchen mit den Gallerien vergleiche, so will ich sie damit nicht gleichstellen, denn es ist bekannt, daß der Eindruck eines Kunstwerkes zu einem nicht geringen Theile von seinem Aufstellungsort abhängt, und z. B. ein Gemälde oder eine Statue an einem feierlichen Plage in der Kirche eine größere Wirkung hat, als wenn man dasselbe in eine Gallerie versezt.

In der Kirche bildete sich der Kunstsinn des Talentes von Kindesbeinen an durch die tägliche Anschauung, der Ernst und die Vollendung der Vorbilder bewirkte ebenfalls den Ernst des Berufes in dem erwachenden Talente, und bewahrte vor nuglosen Versuchen der Stümperei, wie sie heutzutage oft gemacht werden. Die jeßige Anforderung an den Künstler geht so ziemlich auf Alles oder Nichts,

während die Vorzeit eine Menge Abstufungen hatte, auf welchen sich auch beschränkte und bescheidene Talente in ihrer Sphäre vollkommen ausbilden und darin Vortreffliches leisten konnten. Der Künstler brauchte in früherer Zeit weniger Mittel zu seiner Ausbildung, während er jegt mit großen materiellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, und wenn er von seiner Kunstschule getrennt ist, an andern Orten selten Vorbilder findet oder Gelegenheit, sie zu studiren. Es kann nicht geläugnet werden, daß große Kunstsammlungen auch hie und da auf den Irrweg der Allseitigkeit und Zersplitterung führen, die beschränkten Gallerien alter Kirchen concentrirten dagegen das Streben des Talentes auf bestimmte Studien je nach vorhandenen Mustern, und gaben dem Gemüthe eine religiöse Bildung, wodurch die Erfindung und Ausführung der Kunstwerke erst ihre wahre Vollendung erhält. Denn hierin liegt die Eigenthümlichkeit und Tiefe des Künstlers, und daher auch seine dauernde Anerkennung, während er nur eine vorübergehende Geltung erreichen kann, wenn er den Zeitansichten huldigt und mit ihrer Oberflächlichkeit verschwindet.

Der Künstler hatte nur seinem Besteller zu genügen, und dieser ließ in der Regel die Kunstwerke an öffentlichen Orten, in Kirchen, Kapellen oder Rathhäusern aufbewahren, wodurch sie ihre Bestimmung behielten und zugleich jedem Beschauer zugänglich blieben. Mit der Vermehrung der Kunstwerke war auch zugleich die Leichtigkeit ihrer Benugung gestattet, weil sie nicht in Privatsammlungen verschlossen wurden, wie es oft heutzutage geschieht.

Die lange Dauer der Bestellungen wirkte für die Beschäftigung der Künstler auf mehrere Generationen, denn war die gebaute Kirche schon eine fortwährende Anstalt zur Bestellung von Kunstwerken, so gaben die im Bau begriffenen Kirchen durch ihre lange Bauzeit noch mehr eine stete Gelegenheit, Künstler und Arbeiter zu beschäftigen und auszubilden. Die technische Fertigkeit gerieth nicht in Gefahr, zeitenund provinzenweis unterzugehen, wie es hie und da vorkommt, wo lange nichts Großes gebaut wird.

Es läßt sich daher nicht läugnen, daß die Kenntniß der Kunstmittel früherer Zeit für unsere jegigen Verhältnisse sowohl eine wissenschaftliche als auch eine praktische Bedeutung hat, welch lettere ich hier vorzüglich beachte. Für die Bekanntmachung und Beschreibung der alten Kunstwerke am Oberrhein ist schon Vieles geschehen, diese Arbeiten bedürfen weder meiner Mitwirkung, noch bin ich im Stande, dazu wichtige Ergänzungen zu liefern, sondern kann nur einzelne Angaben mittheilen, die ihres Orts brauchbar seyn mögen 1. Ueber

das Künstlerleben ist dagegen weniger bekannt, daher ist die Einrich tung der alten Zünfte und Künstlerwerkstätten von Belang und man hat auch darüber bereits für die Baukunft schägbare Untersuchungen angestellt 2. Hierzu kann ich etwas Erhebliches beitragen, indem ich aus den Rechnungen der Münster zu Konstanz und Freiburg Mittheilungen mache, die eine klare Einsicht in die Verhältnisse der Bauhütten jener Kirchen im 15. und 16. Jahrhundert gewähren. Als we= sentliche Ergänzungen dazu gehören die Zunftordnungen, deren im Freiburger Archiv eine für die Steinmegen von 1498 und eine andere für die Maler und Glasmaler von 1513 vorhanden ist, die beide in den Zeitraum der Erbauung des Münsterchors fallen, aber für diesesmal hier wegbleiben. Wie lehrreich für die Kenntniß früherer Zustände alte Rechnungen überhaupt sind, hat man erst in neuerer Zeit angefangen einzusehen, und in wie vielen Beziehungen folgende Auszüge Aufschluß geben, wird ein aufmerksamer Leser selbst finden. Ich will daher nur einiges über den ältesten christlichen Kirchenbau hier vorausschicken, weil durch die Fortwirkung der altchriftlichen Ansichten und Gebräuche der Kirchenbau im Mittelalter bestimmt wurde, und man diesen nicht gehörig begreift, ohne jene vorher zu kennen.

Die Abtheilung der Kirche in Chor (absis) und Langhaus war schon im vierten Jahrhundert vorhanden, der Chor hatte einen höhern Boden als das Langhaus und daher Stufen (gradus) an seinem Eingang; er war hauptsächlich für die Geistlichkeit bestimmt und hatte Stühle (subsellia) für dieselbe. Da diese Eintheilung und Einrichtung schon in einem Briefe vom Jahr 411 bei Augustinus (epist. 126, S. 1) erwähnt ist, so ersieht man daraus, daß im Laufe des vierten Jahrhunderts nach der Annahme des Christenthums durch die römischen Kaiser der Kirchenbau eine Einrichtung bekam, wie sie durch das ganze Mittelalter geblieben ist. Dieß bestättigt Gregor von Nazianz aus der Mitte des vierten Jahrhunderts, der den Chor seiner Erhöhung wegen ßñua und seiner Abgeschlossenheit wegen äßara nennt, d. h. den Ort, welchen das Volk nicht betreten durfte (orat. 4 p. 126 u. 19 p. 305. ed. Lips.) 3. Die Richtung des Chors gegen Osten war auch schon vorhanden, denn die alten Christen wandten sich in der Kirche bei dem Gebete gegen Often, es mußte also auch der Hauptaltar im Chor gegen Osten stehen, damit der Priester gegen diese Weltgegend beten konnte 4. Wenn daher gesagt wird, daß man das Abendmal an einem bestimmten Orte in der Kirche gefeiert habe, so find darunter drei Bestimmungen verstanden, nämlich der Altar, der Chor und die östliche Richtung beider 5.

Das Langhaus der Kirche hatte Säulen und schon bei Augustinus wird die biblische Benennung der Apostel columnæ auf den Kirchenbau bezogen, eine Ansicht, die man in vielen Kirchen des Mittelalters wieder findet, die entweder auf jeder Seite 6, oder auch 12 Säulen haben, um auf die Zahl der Apostel, (einfach oder doppelt) hinzuweifen als auf die Träger der Kirche 6. Diese Beziehung wurde noch mehr versinnlicht durch die Statüen der Apostel und anderer Heiligen, die man an den Säulen und Pfeilern anbrachte. Das Langhaus selbst, welches wir wie die Alten auch Schiff nennen, hat diesen Namen nicht wegen der Lautähnlichkeit zwischen vaòs und vævs, sondern die Kirche wurde wurde von den alten Christen nach Luc. 5, 3 flg. mit einem Schiffe verglichen, wozu die biblische Benennung der Apostel als Menschenfischer die nächste und gegründetste Veranlassung gab7. Nach den Angaben Gregors von Tours wurden in Frankreich im fünften und sechsten Jahrhuudert so große Kirchen gebaut, daß man darnach den großen Umfang der Dome des spätern Mittelalters auch nicht als etwas Neues ansehen darf, sondern als die Nachwirkung alter Muster, welche schon lange diese Kühnheit in die Baukunst eingeführt hatten. Sie ist auch nicht in Frankreich entstanden, sondern wird schon bei den griechischen Kirchen im vierten Jahrhundert erwähnt 8. So liegt nach dem Geiste Christenthums in der Kirchenbaukunst viel Traditionelles, welches man beachten und anerkennen muß, sonst versteht man die Denkmäler nicht, und hält manches für eine spätere Erscheinung, weil man dessen Zusammenhang mit der Vorzeit nicht einsieht.

Dieser Zusammenhang der christlichen Ansichten im Mittelalter wirkte belebend und bildend auf die christliche Kunst, man muß daher die alten Kunstwerke in den Kirchen stets nach den christlichen Motiven, die darauf eingewirkt haben, betrachten, sonst begreift man fie nicht oder beurtheilt sie auf ganz verfehlte Weise. Wenn z. B. auf einem Taufsteine die Taufe Christi im Jordan abgebildet ist, so merkt wohl jeder gleich diesen Zusammenhang mit der christlichen Taufe; wenn aber auf dem Boden einer alten metallenen Taufschüssel Adam und Eva zu sehen ist, so gehört zum Verständniß dieser Beziehung schon die Kenntniß von der Erbsünde und deren Aufhebung durch die Taufe, also die dogmatische Einsicht von Ursache und Folge. Aber nicht nur dogmatische Beziehungen wie diese, und historische wie in obigem Beispiele, liegen den kirchlichen Kunstwerken zu Grunde, sondern auch liturgische und Ansichten der Kirchenväter und anderer alten Christen, die sowol zur Befriedigung des Nachdenkens dienten als

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