Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Archiv

für

katholisches Kirchenrecht,

mit besonderer Rücksicht auf

Oesterreich und Deutschland.

Herausgegeben

von

Dr. Ernst Freiherrn v. Moy de Sons,

ordentl. öffentl. Professor des Kirchenrechtes und der deutschen Rechtsgeschichte in
Innsbruck, Commandeur des päpstlichen St. Gregorius-Ordens etc.,

'und

Dr. Friedrich H. Vering,

Professor der Rechte an der Universität zu Heidelberg.

Achtzehnter Band.

Neue Folge.
Zwölfter Band

Mainz,

Verlag von Franz Kirchheim.

1867.

Printed in Germany

AUG - 51925

Mainz,

Druck von Franz Sausen.

Die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft zwischen ab

gesondert lebenden Ehegatten,

von Dr. Karl Dworzak, f. e. g. Rathe in Wien.

Die eheliche Lebensgemeinschaft ist (§. 205. d. A. f. d. g. G. Oesterr.) die Vorbedingung zur Erfüllung der durch die Ehe übernommenen Pflichten: sie darf daber nur in den von dem Kirchengesetze bestimmten Fällen und beziehungsweise in der von dem Kirchengesetze vorgeschriebenen Form aufgehoben werden.

Es liegt sowohl in dem Interesse der Kirche als des Staates, darüber zu wachen und dahin zu wirken, dass nur jene Ehegatten von einander geschieden leben, welche, aus den in dem Kirchengesetze normirten Gründen, ohne Gefährdung des zeitlichen und ewigen Heiles eines Ehetheiles oder beider Ehetheile nicht miteinander leben können.

Daher hat auch die Staatsgewalt in dem §. 41. des kaiserlichen Ehepatentes vom 8. October 1856 Anh. I. R. G. Bl. Nr. 185., welcher in seinem Inhalte mit dem §. 93. des allgem. bürgerl. Gesetzb. übereinstimmt, verordnet: »Es ist den Ehegatten nicht gestattet, die eheliche Verbindung, auch wenn sie darüber einig wären, eigenmächtig aufzuheben, sie mögen nun die Ungültigkeit der Ehe behaupten, oder auch nur eine Scheidung von Tisch und Bett vornehmen wollen.<

Diesen kirchlichen und staatlichen Gesetzen zuwider, leben dennoch zahlreiche Ehepaare nicht in ehelicher Gemeinschaft, obwohl sie durch kein gerichtliches Erkenntniss hiezu ermächtiget sind, oder bei welchen die Gründe, aus welchen die Scheidung ausgesprochen worden ist, nicht mehr bestehen.

Welch' unberechenbarer Schaden daraus für die Kirche, die Familie und die bürgerliche Gesellschaft entsteht, braucht nicht erst des Weiteren dargelegt zu werden.

Welche Mittel stehen nun der Kirche bei dem jetzigen Stande unserer Gesetzgebung zu Gebote, um dieses unchristliche, ärgernisserregende und verderbliche Getrenntleben der Ehegatten aufzuheben? Indem ich meine hierauf bezüglichen Erfahrungen der Oeffent

lichkeit übergebe, richte ich zugleich an meine Amtsgenossen im In- und Auslande die Bitte, über diesen wichtigen Gegenstand die in ihren Diöcesen bestehenden Uebungen und gesetzlichen Mittel zur Erreichung dieses Zweckes gleichfalls zu veröffentlichen.

Ich behandle in Nachstehendem folgende fünf Fragen:

A. Wie ist von Seiten der kirchlichen Behörde dahin zu wirken, dass Ehegatten, welche mit gegenseitiger Uebereinstimmung und eigenmächtig die eheliche Gemeinschaft aufgehoben haben, wieder zur ehelichen Gemeinschaft zurückkehren?

B. Welche Massregeln sind von Seiten der kirchlichen Behörde zu treffen, wenn ein Ehetheil gegen den Willen des anderen Ehetheiles eigenmächtig die eheliche Gemeinschaft aufhebt, und der verlassene Theil darauf besteht, dass die eheliche Gemeinschaft wieder hergestellt werde?

C. Welche Massregeln sind von Seiten der kirchlichen Behörde zu treffen, wenn ein Ehetheil, welcher aus nichtigen Gründen die Scheidung angestrebt hat, sachfällig geworden und angewiesen worden ist, die eheliche Gemeinschaft fortzusetzen, resp. wieder aufzunehmen, dem Ausspruche des geistlichen Gerichtes keine Folge leistet?

D. In welcher Weise und unter welchen gesetzlichen Formen geschieht die Wiedervereinigung geschiedener Eheleute? Wann haben diese vor dem Gesetze mit dem Erfolge als wiedervereiniget zu gelten, dass dadurch eine rechtskräftig zwischen ihnen ausgesprochene Scheidung ausser Wirksamkeit tritt?

E. Wie hat die kirchliche Behörde vorzugehen, wenn derjenige Ehetheil, aus dessen Verschulden dem anderen Ehetheile die Scheidung bewilliget worden ist, behauptet, dass die Gründe der ausgesprochenen Scheidung nicht mehr vorhanden seien, oder dass der klagende Theil kein Recht mehr auf diese Gründe habe, und die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft von dem Ehegerichte begehrt?

Ich sehe bei Erörterung dieser Fragen davon ab, dass der Kirche gegen ihre ungehorsamen, böswilligen Kinder kirchliche Censuren zu Gebote stehen 1), und werde nur in's Auge fassen, welche Mitwirkung des Staates der Kirche bei ihrem Vorgehen zu Gebote steht, um so mehr, als nach §. 3. der kaiserlichen Verordnung vom 18. April 1850 Nr. 156. R. G. Bl. L. die von der Kirche verhängten Strafen auf bürgerliche Rechte keine Rückwirkung üben.

[ocr errors]

1) X. Tit. de divortio. IV. 19. cap. 9. de despons. impub. IV. 2. de eo, qui cognovit IV. 13. cap. 8. 10. 13. de rest. spol. II. 13.

[ocr errors]

cap. 5.

[ocr errors]

Bei einigen dieser Fragen werden die Consequenzen der zweierlei Anschauungen über das Wesen der Ehe, wie sie derzeit nebeneinander sich geltend machen, für das gewöhnliche Leben deutlich hervortreten. Wer die Ehe für nichts Höheres ansieht, als einen blossen Gesellschafts- Vertrag zwischen Mann und Weib, muss consequent annehmen, dass der Staat -von der Kirche wollen die Parteigänger dieser Ansicht ohnedies nichts wissen an der Aufrechthaltung des ehelichen Zusammenlebens kein Interesse habe, und in Sachen des ehelichen Zusammenwohnens von Amtswegen einzuschreiten weder befugt noch veranlasst sei, dass ferner, auch wenn von Seite Eines der Vertragschliessenden die Hilfe des Staates um Verhaltung des anderen Ehetheiles zur Erfüllung der in dem Vertrage übernommenen Pflichten angerufen wird, eine solche Rechtssache eine reine Privatstreitsache sei, in welcher der Richter nichts ist, als >>Finder des Urtheiles.< und in welcher, auch wenn der klagende Gatte Recht bekommen hat, das betreffende Urtheil (weder der Art noch dem Grade nach) nicht von Amtswegen, sondern nur auf Ansuchen des dazu Berechtigten, und nur soweit executirt wird, als das Ansuchen reicht.

Dass die kirchliche Gesetzgebung in Ehesachen auf diesem Standpunkte nicht stehe, erst hier beweisen zu wollen, wäre Zeit- und Raumverschwendung; auf diesem Standpunkte steht auch die dermalige österr. Staats-Gesetzgebung in Ehesachen nicht, nachdem der Staat der Kirche zurückgegeben, was der Kirche gehört; — und selbst in jener Zeit, als der Staat die gesammte Gesetzgebung und das Richteramt in Ehesachen in seinen Bereich gezogen hatte und die einverständlichen Scheidungen nicht nur zuliess, sondern sogar begünstigte, hielt er die Aufrechthaltung der ehelichen Gemeinschaft für eine Sache, an welcher der bürgerlichen Gesellschaft und der Staatsgewalt sehr viel gelegen sein muss, und die Ehescheidungssachen nicht für reine Streitsachen, sondern für solche, über welche, wenn sie einmal vor Gericht anhängig und durch einen Vergleich nicht zu erledigen waren, von Amtswegen die Untersuchung zu pflegen war.

Die betreffende Instruction für die weltlichen Gerichte (Hofcanzleidecret vom 22. Juli 1819 an sämmtliche Länderstellen) besagt gleich Eingangs: »dass Se. Majestät, um das in den §§. 94. 97. und 107. des bürgerlichen Gesetzbuches angedeutete ämtliche Verfahren in streitigen Eheangelenheiten näher zu bestimmen, und eine gleichförmige Verhandlung dieser wichtigen Rechtssache bei den Gerichten zu bewirken,<< diese Vorschriften festzusetzen geruht haben; sie bestimmt im §. 1. »dass Streitigkeiten der Eheleute über die Scheidung von Tisch und Bett bei der im §. 107. des allg. b. G. B. vorge

« ZurückWeiter »