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Gesundheit öfters kaum beachteten, das wird in den Katamenien ein tief empfundener Anstand. Ich habe schon früher davon gesprochen. Es ist jedoch nicht die ganze Periode der Menstruation, über welche die hohe Reizbarkeit andauert, sondern nur der Tag unmittelbar vorher und der erste Tag der selben selbst. Am zweiten Tage fand ich die Reizbarkeit bei sonst gesunden Individuen schon sehr gesunken und am dritten auf den gewöhnlichen Zustand herabgebracht. Die Schwangerschaft kommt an sensitiver Reizbarkeit den Menstruen vollkommen gleich).

§. 1535. Wie die Menstruen, fo find viele andere Krankheitszustände geeignet, die sensitive Reizbarkeit zu vermehren, ja ins Exceffive zu steigern. Es ist zur Genüge bekannt, daß Hysterie vorzugsweise sog. Nervofität und mit ihr Somnambulismus im Gefolge hat oder hervorruft. Wenn die Aerzte nur erst wüßten, was Hysterie ist! Wenn sie uns andern nur erst sagen möchten und könnten, was sie Hysterie nennen! wenn sie nur erst angeben wollten, welcherlei und wie vielerlei Zustände fie alle in den dunkeln und vagen Begriff von Hysterie hineinstopfen! Aber von den meisten sensitiven Kranken hörte ich nur immer: es seh eine ausgesprochene Hysterie vor handen. Man kleidete in ein Wort eine Reihe von abnormen vitalen Erscheinungen, die man nicht verstand und war nun sehr zufrieden, daß man ein Klangzeichen dafür gefunden. Aber die Krankheitszustände, welche die Frl. Nowotny, Maix, Sturmann, Aßmannsdorfer, Beyer, Reichel, Girtler hatten, waren alle unter sich unendlich verschieden, sie hatten nichts mit einander gemein, als daß sie alle in Somnambulismı, Katalepsie, Schlafsucht, Mondsucht u. s. w. ausliefen und zwar in alle diese Uebel um so tiefer verfanken, je höher die Stadien ihrer eigentlichen Krankheiten stiegen. Da nun aber weit mehr gesunde Personen fenfitiv find, als kranke, da ferner mit der Genesung aus Krankheiten die Sensitivität derselben abnimmt und aufs Maaß der Gefunden herabkönımt; so ist es klar, daß die hohen Sensitivitätszustände der Kranken nicht die Krankheit, sondern nur ein Symptom der Krankheit sind und daß sie in nichts anderem bestehen, als in einer Steigerung der natürlichen Sensitivität dieser Personen durch die Krankheit, die sie befallen hat. Die gesunde und sehr sensitive Frl. Zinkel (1081) wurde in meinem Hause von den Masern leicht befallen. Die Periode über, während dem sie hieran fitt und auch noch einige Tage nachher, war ihre Sensitivität ganz außerordentlich gesteigert, so sehr, daß sie odisch weit reizbarer war, als jemals während ihrer Menstruen. Hr. Fichtner (") wurde von Zeit zu Zeit schmerzlich von Migräne befallen; während dieß dauerte, befand er sich jedesmal in einem sensitiv sehr gesteigerten Zustande. Wie diese Fälle, so tragen sie sich täglich in unzählig abgeänderten Formen um uns her zu.

§. 1536. Es wird demnach die sensitive Reizbarkeit burch einige Krankheiten herabgestimmt, wie durch Katarrh; durch andere

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gesteigert, wie durch die Masern, die hysterischen Leiden; durch manche bis zum Somnambulismus, zur Katalepsie x. hinaufgetrieben. Der Grav der Reizbarkeit ist also größtentheils abhängig von den übrigen Gesundheitszuständen der sensitiven Individuen.

§. 1537. Der Einfluß, welchen der Mond auf Sensitive hat und daß er ihre Zustände gefährlich steigert, ist zu bekannt, als daß ich es hier zu beweisen brauchte. Ich werde diese Zustände und dann das Verhältniß zwischen den Wirkungen des Mondscheins und des Sonnenscheins besser unten näher beleuchten.

§. 1538. Zu den Schwächungs- und Verstärkungsmitteln der Sensitiven gehört namentlich der Einfluß, den andere odemanirende Gegenstände auf sie nehmen. Ich habe (in der achten Abhandlung der Dy. namide §. 448, 449) gezeigt, daß, wenn gleichnamige Pole von Magneten gegeneinander gerichtet werden, die Polarflammen im Finstern gegenseitig zum Erlöschen kommen. Gleichnamige Pole wirken schwächend, ungleichnamige verstärkend auf einander. Diesen Erfahrungen entsprechend stieß ich auf die Beobachtung, daß, je nachdem ich Striche über eine sensitive Person im Finstern führte, ihr Beobachtungsvermögen sank oder wuchs. Es kam oftmals vor, daß einzelne Versuche, die ich angestellt, Magenweh oder sonst Mißbehagen verursachten. Gab ich nun einige ungleichnamige Fortstriche über Arme, Füße oder den Leib, so war immer die Unannehmlichkeit zwar leicht und schnell gehoben und das Wohlbefinden wieder hergestellt; aber wenn ich dann die Versuche fortseßen wollte, so traf es sich nicht selten, daß die Reizbarkeit, welche mir früher bei ihnen zu Diensten gestanden, plößlich verschwunden war, die Leute sahen das Odlicht nicht mehr deutlich wie zuvor und ihre Gefühle waren matt und unsicher geworden, so Frau Baronin von Natorp (“), Frl. Krüger, Nather, Hr. Delhez und jede andere Person, über welche ich den Versuch machen wollte. — Kehrte ich nun den Versuch um, und gab ich solchen Sensitiven, deren Reizbarkeit unerwartet gefunken war, einen oder zwei Rückstriche über den Leib herauf bis zur Stirne, so war die Scene augenblicklich geändert, die Reizbarkeit war nicht nur hergestellt, sondern sie war gegen zuvor noch fühlbar erhöht, die odisch blind gewordene Person fah plößlich wieder alle Lichterscheinungen um sie her und ihre Empfindlichkeit trat mit verstärkter Feinheit wieder ein. Wenn ich schwachen Sensitiven, wie Hrn. Dr. Fröhlich, Elger, Ritter von Rainer, Hochstetter, Dr. Diefing, Dr. Pfretschner, Major Philippi, Prof. Ragsky, Dr. Goldberg im Finstern Leuchten zeigen wollte, die sie nur undeutlich zu erkennen ver mochten, so stellte ich mich unmittelbar hinter sie und in wenigen Augenblicken wuchs ihre Reizbarkeit so fühlbar, daß sie die vorgeführten Gegenstände nun mit Bestimmtheit zu erkennen vermochten. Meine Stellung hinter den

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Sensitiven nahm ich so, daß meine linke Seite an ihre linke, und meine rechte Seite an ihre rechte kam, Arme und Hände legte ich ebenfalls gleichnamig auf einander und so erzeugte ich häufende lauwarme Reaction, in ihrer Wirkung einem andauernden Rückstriche über den ganzen sensitiven Leib gleich, die Erhöhung der Sensitivität in ihrem unmittelbaren Gefolge hatte. Ein nettes Beispiel hievon trug sich mit Hrn. Enter (116, 117) zu, wobei Hr. Leopolder und der Artilleriehauptmann, Hr. von Uchatius, ein gründlicher Phyfiler, als Zeugen zugegen waren. Wir befanden uns alle vier in der Dunkelkaminer. Ich hatte Hrn. Enter eine Violine in die Hand gegeben in der Erwartung, daß er die Saiten, wenn er sie strich, leuchtend werden sehen follte. Er sah aber nichts. Nun stellte ich mich dicht hinter ihn und nach wenigen Sekunden waren Saiten, Bogen und Resonanzkasten leuchtend ge= worden. Um ihn auf die Probe zu setzen, sagte ich ihm, ich werde mich nun anders stellen, wobei er besser sehen würde und kehrte mich um, so daß ich meinen Rücken an den seinigen lehnte. Auf diese Weise kehrte ich ihm nun ungleichnamige Pole zu und meine Wirkung auf ihn mußte einem starken Fortstriche gleichen, also sein Sehvermögen nicht nur auf die alte Unfähigkeit wieder herabstimmen, sondern gänzlich vernichten. In der That rief er im Tone der Betroffenheit: nein, jest sey ihm die ganze Erscheinung entschwunden, er sehe gar nichts. Nun das war es eben, was ich erwartete und worüber ich ihn geflissentlich getäuscht hatte. Hierauf kehrte ich mich noch einmal um, lehnte mich wieder mit gleichnamigen Polen an seinen Rücken an und nun sprang die Bioline augenblicklich wieder leuchtend aus der Finsterniß. Objectiv war sie immer gleich leuchtend geblieben, so oft er die Saiten mit dem Bogen strich, nur ihm, dem Sensitiven, war sie bei Herabsetzung seiner Neizbarkeit unsichtbar und bei Steigerung derselben wieder sichtbar geworden, lediglich je nachdem ich ungleichnamige oder gleichnamige Seiten meines Leibes mit denen des feinigen paarte; nur ein subjectiver Wandel war vorgegangen. Ein schlagenderes Beispiel des Umschlags sensitiver Reizbarkeit durch rückstrichartige oder fortstrichartige Behandlung wird es kaum geben.

Eine Reihe ähnlicher Beispiele werde ich aufführen beim Kapitel über das Sehvermögen, woron gegenwärtiges anticipirt ist.

7) Dertlichkeiten der sensitiven Reizbarkeit.

§. 1539. Der menschliche Leib ist nicht auf allen Punkten in gleichem Maße reizbar für odische Einwirkungen; er hat Stellen geringerer und größerer Empfindlichkeit. Ja man könnte den Saßz ohne Vedenken auch umkehren und könnte nicht ohne guten Grund sagen: es gibt keine einzige Stelle am ganzen menschlichen Körper, die in gleichem Maße odisch reizbar wäre, wie irgend eine andere. Der. Grund ist leicht einzusehen, er liegt in der durchweg ungleichen Vertheilung unserer

Nerven und zwar besonders der Cutaneen mit ihren unendlich wechselnden Veczweigungen auf der Haut. Die Belehrungen, die uns Hr. E. H. Weber über lette Nervenzerfaserungen in der Haut ertheilt, zeigen, daß es Hautgegenden gibt, wo die Nervenenden, welche das Gefühl bedingen, nur sparsam vorhanden sind, während sie an andern Stellen unendlich gehäuft auftreten. Sie sind dann bald rechtläufig, bald rückläufig, bald querläufig, bald gemengt: alles das bedingt verschiedene Sensitivität der Art und der Größe nach, wie ich dicß theilweise schon früher gezeigt habe. Man kann nun diese örtlichen Reizbarkeiten abtheilen in beständige und in zufällige.

aaj Beständige örtliche färkere Reizbarkeiten.

§. 1540. Solche Punkte sind zunächst die Fingerspißen. Von ihnen wissen wir aber, wie sehr zahlreich die Nervenpinsel sind, welche sich in ihnen zusammendrängen und hier endigen. Ju meinen älteren Versuchen bediente ich mich der flachen Hand der Sensitiven zu den Prüfungen, z. B. bei Frl. Nowotny (6), Reichel, Sturmann. Bald aber ward ich gewahr, um wie viel feiner die bloßen Fingerspißen fühlten. Endlich empfing ich von Hrn. Delhez (1) (October 1847) die Beobachtung, die er ohne mein Zuthun gemacht hatte, daß die Reizbarkeit noch ungleich mehr entfaltet werde, wenn man nicht bloß die zusammengeballten Fingerspißen über den Gegenstand der Prüfungen führte, sondern die gesammte, aber hängende Hand, an welcher die Finger lose und ungezwungen von einander abstanden. Die Spißen derselben kamen auf die Weise dem darüber befindlichen Gegenstand am nächsten, aber seine odische Emanation strömte dabei frei an den ganzen Fingern hinauf, zwischen sie hinein, und umspülte die ganze Oberfläche der prüfenden Hand, die dabei von jeder Muskelanstrengung und von jedem Zwang frei blieb. So empfand er sie am feinsten, am deutlichsten und am fichersten. Wiederholungen bei Frl. Zinkel (876), Beher (259), Hrn. Gustav Anschüß (223) über Magneten, Krystallen, Händen und Stoffen mancherlei Art, namentlich über Schwefel, zerfallenden Kalk, bestätigten dieß vielfältig.

§. 1541. Nächst den Fingerspigen sind es die Nagelränder, die sogenannten Nagelwurzeln, die einen ganz ausgezeichneten Siz sensitiver Reizbarkeit ausmachen. Dort erzeugt die vegetative Lebensthätigkeit den Nagel. Es sind viele feine Nervenfasern versammelt und es ist da ein beständiger Herb von Stoffwechsel und organischer Bildungsthätigkeit. Ein solcher Ort ist jedesmal ein Sig odischer Wirksamkeit. Frl. Zinkel (1087) fühlte bei Fortreichen über den Arm und die Hände herab die kühle Reaction vorzugsweise stark auf die Nagelwurzeln. Ein leichter Luftftrich über die Nagelwurzeln auf oder abwärts war das schnellste und wirksamste Reagens auf die Sensitivität dieses reizbaren Mädchens (1568). Auch bei jeder andern unmittelbaren Einwirkung auf

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die Hände, z. B. bei Prüfungen auf Anziehung und Abstoßung, äußert sich bei ihr (1089) diese Neizung insbesondere auf den Nagelwurzeln. Frl. Josephine Geraldini (78) erzeugten positive Reactionen auf die Linke neben Läue in der Hand eine so starke Reaction auf die Nagelwurzeln, daß sie ihr wie heiß vorkamen. — Gab ich ihr (282) Glasstäbe in die linke Hand und wirkte ich mit meinen Fingern der einen oder der andern Hand darauf, so fühlte fie die Reaction von Lauwärme aus meiner Linken und von Kühle aus meiner Rechten nirgends so stark, wie auf den Nagelwurzeln. Frl. Beyer (272) kannte längst ihre Nagelwurzeln als ganz besonders empfindlich; aber nicht bloß die eigene Reizbarkeit war es, die ihr auffiel, sondern auch die Einwirkung fremder Nagelwurzeln auf ste wurde ihr bemerklich. Wenn ich verschiedene Lagen der gegenseitigen Hände mit ihr durchprüfte, so erschienen ihr meine Nazelränder immer, als ob sie sich und brennend in ihre Handweichen einäßen wollten. Ein paar Striche mit einem einzigen meiner Finger auf oder ab über ihre Nagelwurzeln gas eine höchst kompendiöse Sensitivitätsprobe ab. — Theilstriche vom Ellbogen bis zur Handwurzel des Herrn Klein (205) brachten ihm brennende Hiße in die Nagelwurzeln. Frl. ZinkelBaier (108) fühlte über ihre Handrücken geführte Striche bei weitem am lebhaftesten auf den Nagelwurzeln. - Hr. Schiller (42) und Sartorius (22) fühlten Luftstriche, die ich über ihre Nagelwurzeln führte, von ungleichnamiger Hand abwärts kühl, aufwärts lauwidrig so start, daß ste Letzterem bis auf die Magengrube unangenehm wurden. - Frau Preinreich (6) kannte schon von Kinderjahren her die Empfindlichkeit ihrer Nagelwurzeln; sowohl an Zehen als an Händen fühlt sie jeden odischen Reiz am stärksten an den Nagelwurzeln.

§. 1542. Die Magengrube ist ein wichtiger Punkt der sensitiven Reizbarkeit und seine Bedeutung längst bekannt. Frl. Nather (10) gewahrte, baß wenn ich ihr allerlei Stoffe zur Prüfung von deren Polarität vorlegte, und ihre Finger nicht deutlich Antwort geben wollten, die Magengrube gerne und leicht diesen Dienst übernahm. Sie durfte nur die Stoffe rechts ober links auf diesen Fleck legen, so wußte sie bald deren odischen Werth zu hestimmen. - Max Krüger (5) bediente sich bei demselben Geschäfte nur wenig seiner Finger, sondern brachte Alles sogleich auf die Magengrube, mit der er viel sicherer und feiner unterschied als mit den Fingern. Bei Frl. Zinkel (1832) sprachen Vergleichung der Fingerspigen und der Magengrube sich sehr zum Vortheile der Lettern aus. Ein Stückchen Reisblei z. B. an dem sie in der linken Hand kaum noch eine Spur von Lau erkannte, fühlte sie auf der Magengrube sogleich deutlich warm. Die meisten Sensitiven befinden sich in gleichem Falle und ich habe davon kaum mehr Vormerk genommen. Schon oben habe ich es ausgesprochen, daß ich die Magenreizbarkeit auf Rechnung des Sonnengeflechts seße.

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