Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

100

Dich hält kaum die Amme zurück in die Tiefe zu springen · Denn ich sahe auch dies, und du betrogest mich nicht —; Doch bewirkte sie nicht, obgleich sie im Laufe dich aufhielt, Daß nicht naß dir der Fuß ward von der vordersten Fluth. Und du empfängst mich und drückst mich ans Herz mit seligen Küssen, Küssen, ihr Götter, den Weg über die Fluthen wohl werth! Und von den Schultern dir nimmst das Gewand du, um mir es zu reichen, Drückst den Regen des Meers mir aus dem triefenden Haar. 105 Weiteres weiß noch die Nacht und wir und unser vertrauter

110

Thurm und die Leuchte, die mir zeigt durch die Wellen den Weg.
Wollte die Freuden man zählen, die diese Nacht uns gewährte,
Könnt' in dem Hellespont zählen die Algen man auch.
Denn je kürzere Zeit zu verstohlnem Genuß uns vergönnt war,
Sorgten wir um so mehr, daß sie verloren nicht war.
Als zu verscheuchen die Nacht Tithónus' Gemahlin bereit war,
Und Auroren voran Lucifer ein sich gestellt;

Häusen wir Kuß auf Kuß, in Hast ohn' Ordnung fie raubend,
Klagen einander, zu kurz sei doch die Dauer der Nacht.

115 Und so zögernd noch stets, auf das bittere Mahnen der Amme

120

Steig' ich vom Thurme herab endlich zum schaurigen Strand. Weinend trennen wir uns, ich stürz' in das Meer mich der Jungfrau, Nach der Geliebten zurück blickend, so lange ich kann.

Glaubst du die Wahrheit nur, auf dem Hinweg schein' ich ein Schwim

mer,

Ein Schiffbrüchiger mir, kehre zurück ich, zu sein.

Glaubst du auch dies, zu dir scheint abwärts gehend der Weg mir,
Von dir weg ein Berg starren Gewässers zu sein.

Ungern kehr' ich zurück — wer sollt' es glauben? — zur Heimat ;
Ungern weil' ich fürwahr jezt in der heimischen Stadt.
125 Ach, warum doch scheidet das Meer verbundene Herzen,

130

Und birgt nicht ein Land zwei von demselben Gefühl?
Kann dein Sestos nicht mich, dich mein Abydos nicht nehmen?
Gleich sehr zieht dein Land mich und das meinige dich.
Warum stürmt es in mir, sobald es stürmt auf dem Meere?
Warum kann mir so leicht schaden ein nichtiger Wind?
Schon ist unsere Liebe bewußt den gekrümmten Delphinen,
Und nicht unbekannt glaub' ich den Fischen zu sein.

Iam patet attritus solitarum limes aquarum,

Non aliter, multa quam via pressa rota.

135 Quod mihi non esset nisi sic iter, ante querebar;
At nunc per ventos hoc quoque deesse queror.
Fluctibus immodicis Athamantidos aequora canent,
Vixque manet portu tuta carina suo.

140

Hoc mare, cum primum de virgine nomina mersa,
Quae tenet, est nactum, tale fuisse puto.

Et satis amissa locus hic infamis ab Helle est;
Utque mihi parcat, nomine crimen habet.
Invideo Phryxo, quem per freta tristia tutum
Aurea lanigero vellere vexit ovis.

145 Nec tamen officium pecoris navisve requiro,

150

Dummodo, quas findam corpore, dentur aquae.
Arte egeo nulla; fiat modo copia nandi,
Idem navigium, navita, vector ero.

Nec sequor aut Helicen, aut, qua Tyros utitur, Arcton:
Publica non curat sidera noster amor.

Andromeden alius spectet claramve coronam,

Quaeque micat gelido Parrhasis ursa polo;

At mihi, quod Perseus et cum Iove Liber amarunt,
Indicium dubiae non placet esse viae.

155 Est aliud lumen multo mihi certius istis,

160

Non erit in tenebris quo duce noster amor.
Hoc ego dum spectem, Colchos et in ultima Ponti,
Quaque viam fecit Thessala pinus, eam;

Et iuvenem possim superare Palaemona nando,
Miraque quem subito reddidit herba deum.
Saepe per assiduos languent mihi brachia motus,
Vixque per immensas fessa trahuntur aquas.
His ego cum dixi, Pretium non vile laboris
lam dominae vobis colla tenenda dabo;

165 Protinus illa valent atque ad sua praemia tendunt,
Ut celer Eleo carcere missus equus.

Ipse meos igitur servo, quibus uror, amores,
Teque, magis coelo digna puella, sequor.

Schon stellt dar sich getreten ein Pfad der gewohnten Gewässer,

Wie ein Weg von dem Druck häufiger Räder gebahnt.
135 Daß nur so mir der Weg sich ermöglichte, klagte ich früher;
Doch jezt klag' ich, auch der sei durch die Winde versperrt.
Schäumt doch in mächtigen Wogen das Meer der Athamantide,
Und kaum bleibt ein Schiff selber im Hafen geschüßt.
So wohl war dies Meer, als von der versunkenen Jungfrau
Selbes den Namen erhielt, welchen es eben noch hat.
Und berüchtigt genug schon ist's vom Verluste der Helle;

140

Sei's, daß meiner es schont, zeigt es im Namen die Schuld.
Phryrus beneid' ich; es trug hin über die traurigen Wogen
Ihn auf wolligem Vließ sicher das goldene Schaaf.

145 Doch nicht wünsch' ich den Dienst des Widders mir oder des Schiffes,
Ist mir zu theilen die Fluth nur mit dem Körper vergönnt.
Mittel bedarf ich mit nichten; mir sei nur möglich zu schwimmen,
Werde zugleich Fahrzeug, Schiffer und Fahrer ich sein.

150

Hélices acht' und der Bärin ich nicht, die Tyrus benuget;

Unsere Liebe verschmäht Sterne gemeinen Gebrauchs.
Schaut auf die strahlende Krone und auf die Parrhasische Bärin,
Flimmernd am eisigen Pol, schaut auf Andrómeda nur;
Nichts, was Perseus einst und Liber und Jupiter liebten,
Sagt als Leitstern mir zu auf der schwankenden Bahn.

155 Mir erglänzt ein anderes Licht, das sicherer leitet,

Das auf dunkelem Pfad wandeln die Liebe nicht läßt. Schau' ich nur dies, so könnte nach Colchis, zum äußersten Pontus, Wo der Thessalische Kiel Bahn sich gebrochen, ich gehn; Könnte im Schwimmen besiegen den jugendlich starken Palämon 160 Und den Wunderkraut plöglich zum Gotte gemacht.

Häufig erschlaffen mir wohl durch die stete Bewegung die Arme; In der gewaltigen Fluth lassen sie kaum sich erziehn. Sprech' ich zu ihnen jedoch: Nicht schlechte Belohnung der Arbeit Sag' ich, zu faffen den Hals bald der Geliebten, euch zu; 165 Alsbald sind sie voll Kraft und streben dem Preise entgegen, Wie in Elis das Roß, das man der Schranke entläßt. So die Geliebte, für die ich glühe, nur hab' ich im Auge,

Dich, o Mädchen, die weit mehr du den Himmel verdienst.

170

Digna quidem coelo, sed adhuc tellure morare,
Aut dic ad superos et mihi qua sit iter.
Hic es, et exiguum misero contingis amanti,

Cumque mea fiunt turbida mente freta.

Quid mihi, quod lato non separor aequore, prodest? Num minus hoc nobis tam brevis obstat aqua? 175 An malim dubito toto procul orbe remotus

180

Cum domina longe spem quoque habere mea.
Quo propius nunc es, flamma propiore calesco ;
Et res non semper, spes mihi semper adest.
Paene manu, quod amo, tanta est vicinia, tango:
Saepe sed heu, lacrimas hoc mihi paene movet.
Velle quid est aliud fugientia prendere poma,

Spemque suo refugi fluminis ore sequi?

Ergo ego te nunquam, nisi cum volet unda, tenebo?
Et me felicem nulla videbit hiems?

185 Cumque minus firmum nil sit, quam ventus et unda,
In ventis et aqua spes mea semper erit?

190

Aestus adhuc tamen est: quid, cum mihi laeserit aequor
Plias et Arctophylax Oleniumque pecus?

Aut ego non novi, quam sit temerarius, aut me

In freta non cautum tum quoque mittet Amor.
Neve putes id me, quod abest, promittere tempus:
Pignora polliciti non tibi tarda dabo.

Sit tumidum paucis etiam nunc noctibus aequor,
Ire per invitas experiemur aquas.

195 Aut mihi continget felix audacia salvo,
Aut mors solliciti finis amoris erit.

200

Optabo tamen, ut partes expellar in illas,
Et teneant portus naufraga membra tuos.
Flebis enim tactuque meum dignabere corpus,
Et, Mortis, dices, huic ego causa fui.
Scilicet interitus offenderis omine nostri,
Literaque invisa est hac mea parte tibi.
Desino; parce queri. sed et ut mare finiat iram,
Accedant, quaeso, fac tua vota meis.

170

Ja, den Himmel verdienst. Doch weile annoch auf der Erde,
Oder verkünde auch mir, wie zu den Göttern man kommt.
Hier wohl bist du, doch wirst du zu Theil nur wenig dem Armen,

Und mir stürmt's in der Brust, wie auf dem Meere es stürmt.
Daß mich ein breites Meer nicht trennt, was hat es für Nußen?
Steht ein Wasser so schmal minder darum uns im Weg?
175 Fast wär's besser, uns schiede ein Raum so groß wie die Erde,
Und mit der Herrin zugleich läg' auch die Hoffnung mir fern.
Denn je näher du bist, je näher versehrt mich die Flamme;
Selten nur ist der Genuß, Hoffnung vorhanden nur stets.
Was ich liebe, berühr' ich beinah, so nahe mir ist es ;
Doch ach, Thränen erregt dieses beinahe mir oft.
Was wär's Anderes wohl, wenn fliehende Früchte erhaschen

180

Und die entweichende Fluth wollte erreichen der Mund ?
Also werd' ich umarmen dich nicht, als wenn es das Meer will?
Wird kein Sturm mich sehn glücklich in deinem Besiß?

185 Und da minder gewiß Nichts ist als Wellen und Winde,

190

Wird auf Wellen und Wind immer mein Hoffen beruhn?
Stürmt es schon jegt, wie, wann mir das Meer der Hüter der Bärin
Und die Plejade empört und das Olenische Thier?

Nicht mir bekannt entweder ist Amors Verwegenheit, oder

Unvorsichtig auch dann wird er mich treiben ins Meer.

Glaube auch nicht, das fagt' ich nur zu, weil fern noch die Zeit ist.
Spät nicht sollst du empfahn meines Versprechens Beweis.

Seien durch einige Nächte nur noch die Wellen in Aufruhr,
Werd' ich versuchen den Weg durch die erbitterte Fluth.
195 Und ausschlagen mir wird entweder zum Glücke das Wagstück,
Oder der Liebespein machen ein Ende der Tod.

200

Wünschen werd' ich jedoch dort ausgeworfen zu werden,
Daß schiffbrüchig mein Leib finde den Hafen bei dir.
Weinen wirst du und sagen, indem du mich deiner Berührung
Würdigest: Dem bin ich Quelle gewesen des Tods.
Doch es betrübt, ich fühl's, der Gedanke dich meines Verlustes,
Und in diesem Betracht ist dir zuwider mein Brief.

Klage nur nicht, ich schließe; doch daß auch die Wogen sich legen,
Möge sich meinem Gebet schließen das deinige an.

« ZurückWeiter »