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Die schwarze Kohle der Verdammung trug.
Allein wenn jeder Satz befriedigt ganz:
Geh! bring den Efeuzweig! den Lorbeerkranz!
Doch gingen sie, die Bühne blieb verlassen,
Packt den gemeinen Hörer schuld'ge Wut,
Sein lasterhaftes Auge muß er hassen,
Das so ihn brachte um sein letztes Gut.
Schmach, daß die Musen so zu Kauf und Heuer
Für jedes Bauernlümmels schlechten Dreier!

Da haben wir nicht nur ein interessantes, für Einzelheiten des Theaters aufschlußreiches Bild, sondern auf einen klaren Ausdruck gebracht und formuliert einige der wesentlichsten Punkte der Anklageschrift der gelehrten Welt gegen das Volkstheater. Denn mag sich immerhin die Spitze gegen Marlowes Tamerlan und seine Nachahmer richten, ihre Vorwürfe treffen seine weniger pomphaften Nachfolger und Nebenbubler gar nicht minder. Ihre Stücke sind in der Trunkenheit verfaßt, dieser Vorwurf ist nicht Halls Kopf entsprungen. Er gehört vielmehr zum eisernen Bestand der Klassizisten. Dem Renaissance-Menschen ist ja Poesie nicht ein sprudelndes Quellwasser, sondern ein durch die Maschinerie des Intellekts gegangenes und unterwegs aus dem Blumengarten antiker Kunst parfümiertes Getränk. Und deshalb würde man in jenen Tagen nicht gut tun, von sich zu sagen: „Ich singe, wie der Vogel singt“. Auch hier stellt Jonson dann das Ideal der Epoche dar, indem er mit Stolz von sich bekennt, daß er alle Verse erst in Prosa niederschriebe. Dieser Anschauung gegenüber vertreten Volksdramatiker wie Marlowe ein instinktives Schaffen, und freilich konnte man bei ihnen von einer gewissen Trunkenheit, wenn auch nicht des Weins, so doch der dichterischen Inspiration wohl reden. Mehr als das gelegentlich berauscht sich Marlowe unfraglich an seinen eigenen, wundervoll großen Worten.

n man die klassizistischen Forderungen an das Theater t zum wenigsten als eine Reaktion gegen die allzu en Ansprüche der Volksbühne an die Illusionskraft Zuschauer auffaßt. Schon Sidney hebt diesen Punkt or. „Asien auf der einen Seite, Afrika auf der andern noch dazu so viele Unterkönigreiche, daß der aufnde Schauspieler immer mit der Bemerkung been muß, wo er sich aufhält, um nur verstanden werden. Dann hören wir die Nachricht von einem ffbruch an derselben Stelle, und nun verdienen wir

Tadel, wenn wir es nicht für einen Felsen ann usw." Das ist absurd, meint der berühmte Verer, und man sollte sich lieber nach den Lösungen ten, die die Alten für diese Schwierigkeit gefunden en und die auch der Italiener angenommen hat. Wer te die gewisse Wahrheit verkennen, die in diesen ten liegt? Dem Gedanken von der Notwendigkeit der heit des Ortes hat endgültig erst die moderne Regiskunst den Garaus gemacht, die mit ihren Verwandskünsten unserer Phantasie den Weg so spielend et. Und sie auch hat erst die Shakespearesche Kunst hren letzten Wirkungen gebracht, die auf der Shakere-Bühne verloren gehen mußten. Denn es glaubt wohl nicht jemand im Ernste, wer im Globe-Theater hend auf der Vorderbühne saß, hätte wirklich vor Macbeth-Hexen, die einen Schritt weit vor ihm auf

den Brettern knieten, Grauen empfinden oder die Seligkeit der Mondnacht im Kaufmann von Venedig auskosten können. Von dem Zauber der Situation und dem Reiz der Handlung ging hier so außerordentlich viel verloren, daß das Wort allein eine dreifache Aufgabe erhielt. Da aber trat die klassizistische Tragödie auf und erklärte: wenn schon einmal die Sprache die ganze Last trägt, dann gebührt die erste Stelle der kultivierten Deklamationstragödie hohen Stils, die alle Handlung möglichst hinter die Szene zu verbannen sucht.

Zu diesem hohen Stil nun gehört das, was Hall bei der Tragödie der Volksbühne so vermißt, die Einheit des tragischen Charakters. Diese Forderung hatte der Klassizismus von jeher gestellt, auch Sidney und Whetstone sprechen sie aus. Die Mischung von Tragödie und Komödie, von Held und Clown ist absurd und beleidigt den gebildeten Geschmack. Was hat der Narr in der „Tragoedia cothurnata“ zu suchen? Gewiß richtete sich dieser Angriff auch noch gegen die Shakespearesche Art der Verwendung des Clowns in Trauerspielen Scoloker's eigentümlicher Hinweis auf die Mischung der Stile bei ihm legt dafür interessantes Zeugnis ab, mehr Grund aber gaben ihm offenbar die ziemlich zusammenhangslos eingeschobenen Clownszenen in den älteren Volkstragödien. Darf man doch übrigens nicht aus dem Auge verlieren, daß auch Marlowe deren auf der Bühne mehr bot, als z. B. in der Ausgabe seines Tamerlan zu lesen stand. Wie die gebildete Welt es empfand, daß der Clown sich in jedes Stück eindrängte, zeigt eine köstliche Parodie dieser Gepflogenheit in der berühmten Pilgerschaft zum Parnaß“. Da wird der fünfte Akt gegen Ende plötzlich durch folgenden ganz unvermittelten Auftritt unterbrochen:

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(Es tritt auf Dromo, er zerrt einen Clown mit einem Seil herein.)

Clown: Was ist los? Was soll das heißen, einen Mann hereinschleppen, er mag wollen oder nicht! Was zum Teufel soll ich denn hier?

Dromo: Du bist ein Kamel! Weißt du denn nicht, daß es kein Stück ohne Clown gibt? Clowns hat man bei den Haaren herbeigezogen, solange Kempe gemeine Fratzen schneiden kann; wenn's nicht anders geht, mußt du mit 'nem Wagenseil hereingezogen werden. Clown: Was soll ich denn hier nur machen?

Dromo: Ach, zieh nur ein schiefes Maul, leg dein Bein über deinen Stock, säg ein Stück Käse mit dem Messer auseinander, leck einen Trunk von der Erde auf und pak nur auf, sie bersten vor Lachen. So, nun will ich dich mal auf sie loslassen: entweder sag jetzt selbst etwas oder häng dich auf und sei des Teufels!

Clown: Das ist ja wirklich großartig! Also wenn sie niemand mehr auf der Bühne zu verwenden haben, so schleppen sie mich her, und das beste ist, niemand gibt mir an, was ich sagen soll. Ihr Herren! Ihr erwartet gewiß etwas sehr Vergnügtes. Ich will Euch deshalb mit einem selbstverfaßten ganz neuen Liebesbrief von mir erfreuen, zu singen nach der Melodie von „Zieh an das Montagshemde", geschrieben im Feuer meiner Liebe, es beginnt folgendermaßen: O allerentzückendste Nigra, habe Mitleid mit den Schmerzen meines Innern. Cupido, der kleine Galgenschwengel, hat mich mit seiner großen Nadel in die Hose gestochen und mit seinem Vogelbolzen mich, dein Vögelchen, beinah umgebracht. Du hast eine reizend gefurchte Stirn, ein schönes wollüstiges Auge, mich dünkt, ich sehe Venus, die Kupplerin, ein Bordell in deinen Zügen halten und Cupido wie einen Zuhälter an dem Tore deiner Lippen stehen.

Wie gefällt Euch das, ihr Herren? Verlangt nicht einen der jungen Leute danach, dies abzuschreiben? Wenn ich jetzt nur eine schöne Fratze machen könnte, wär'

ich fein heraus. Himmel, warum bin ich auch so ein hübscher Kerl!

Dromo. Gebt uns einen Korb, um den Narren wegzupacken. Hörst du wohl? Du mußt jetzt fort; andere Leute sind da, die hereinwollen.

Clown. Was, ich soll nicht mal meine Melodie bis zu Ende blasen? Dann adieu, liebe Leute, paßt nur auf, nächstesmal mach' ich Euch mehr Spaß!

Und nun setzt wieder die eigentliche Handlung ein. Man sieht, daß es im wesentlichen dieselben Dinge waren, daran die gelehrten und studierten Zeitgenossen Anstoß nahmen. Sie stimmten auch wohl in dem Punkte ursprünglich überein, daß der Blankvers ein gar zu billiges, kunstloses Versmaß sei. Sagt doch auch Hall in der vierten Satire von der tragischen Poesie im Volkstheater:

„Auf ungereimte Jamben muß sie treten,

Dem Kopf entsprungen achtlos, ungebeten“.

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Wenn sich der dreiundzwanzigjährige Student Hall so über die Volksbühne äußerte, was Wunder, daß die gelehrten Geheimräte jener Tage ohne weiteres mit ihrem Urteil über sie fertig waren. An der Universität Oxford nämlich brach 1591 ein heftiger Streit zwischen den Professoren Gager und Rainolds über Theatervorstellungen an den Hochschulen aus. Einer der meistumstrittenen Punkte war dabei wiederum das angebliche Verbot des Alten Testaments für Männer, die Kleider von Weibern zu tragen, und der rabiate Rainolds erklärte schließlich, nicht einmal wenn damit ein Menschenleben zu retten wäre, dürfe man sich in Weiberröcke stecken. (Unzweifelhaft ist dies übrigens auch der Grund, daß in den früher besprochenen, berühmten drei Cambridger Parnassusstücken keine Frauenfigur vorkommt.)

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