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62. Johann Heinrich von Mühlenfels ein Betrieger:

Das

as Leben dieses Menschen ist merkwürdig, weil es einige der geheimsten Kunstgriffe Der gewöhnlichen Goldmacher ausdeckt, und es überdieß an einem Orte stehet, wo es wohl nur sehr wenige suchen werden *). Nach der Wiederherstellung der Wissenschaften spielte die Alchys mie eine geraume Zeit lang eine sehr wichtigeRolle, welches denn bey der noch so mangelhaf ten Kenntniß der Naturkräfte und dem dem Menschen so natürlichen Verlangen, ohne Mühe: reich zu werden, kein Wunder war. Die Chys mie, ein Zweig der Naturwissenschaft, welche das chriftliche Europa, von den Arabern empfans gen hatte, war noch ganz rohe und plumpe Ems pirie, ohne Grundsåße und vernünftige Erfah rungen, und fast ganz auf die Alchymie und ei nige medicinische Charlatanerien eingeschränket. Da die Kenntniß der Natur und besonders der Körperwelt noch so unvollkommen waren, so war es vermittelst einiger sehr einfacher chymischen Handgriffe sehr leicht, nicht allein den großen Haufen, sondern auch wohl klügere zu täuschen, und das machten sich denn Abenteurer und Bes

* In Mich. Cáspar Lyndorpit continuatio Ioann. Sleidani de ftatu religionis et reipublicae, Frankfurt, 1619, in 8, und zwar Th. 3, S. 757. bey dem Jahre 1607.

trieger trefflich zu Nuge, Fürsten und reiche Privat Personen zu hintergehen. Daher war

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die Alchymie im 16ten und 17ten Jahrhundert eine so allgemeine Krankheit; daher strichen überall Goldmacher und Adepten ohne Zahl hers um, welche sich von dieser Krankheit nåhreten; daher hielt man jeht an allen Höfen und selbst in den meisten Klöstern öffentliche und geheime Laboratoria, wo jeder dreiste Windbeutel, wenn er nur ein wenig mit den Kohlen umzugehen wußte, und die Unwissenheit dieser Zeit, mit ein Paar jest sehr gemänen, chymischen Versuchen täuschen konnte, willkommen. war: bis endlich mehrere solche Beyspiele, als uns der von Mühs Lenfels liefern wird, den Fürsten die Augen dffa neten, und ihre Habgierde aus dem Schmelz tiegel zu sicherern Quellen des Reichthumes zu rück führete, und aus der bisherigen Alchymie die bessere Chymie hervor ging, welche sich nicht über die Gränzen der bekannten Naturkräfte erhebt, und die Thorheiten ihrer Kindheit der Fantasie schwacher Köpfe überläßt.

Es ist Schade, daß Lundorp das Leben dies ses Menschen so kurz erzählet, und dem Plane feines Werkes zu Folge, so kurz erzählen mußte ;. `denn er liefert weiter nichts, als sein eigenes Bes kenntniß, welches er vor seiner Hinrichtung abz tegte. Indessen entdeckt es doch einige der ge= wöhnlichsten Kunstgriffe, wodurch damahls so viele Menschen hintergangen wurden und sich zum Theil wohl noch hintergehen lassen.

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Der Held dieser Geschichte war aus dem Elsaffischen Städtchen Wasselnheim (oppidulum Waslavienfe) bey Strasburg gebürtig, und hieß eigentlich Johann Heinrich Müller. Da der Unhold 1607 bey seiner Hinrichtung erst 28 Jahr alt war, so muß er ungefär 1579 daselbst gebo ren seyn. Daß er von einem ganz gemeinen bürgerlichen Stande gewesen seyn müsse, erhellet: daraus, daß er zu Eßtingen das, Barbiers Hands werk erlernte, und nachmahls auf seiner Wans derschaft in Breslait war, und von da nach Itas Lien gerieth, wo er sich besonders ein halbes Jahr in Florenz aufhielt. Hier will er den Rheins grafen Adolph glücklich curiret haben, pb an eis ner innern Krankheit oder einem dußern Schas den, wird nicht gemeldet. Hier ward er auch mit einem gewissen Chymiker, oder vielmehr Golds toch, Daniel Rapold bekannt, der ihm für eine gewisse Summe Geldes einige chymische Hands griffe beybrachte, und da er das Geld nicht selbst. hatte, so borgte er es bey dem Haushofmeister, des Rheingrafen Christoph von Stein, unter der Bedingung, daß er diese Summe bey ihm abverdienen sollte, (ut fuo fervitio eandem compenfaret,) woraus zu erhellen scheinet, daß er bey ihm oder dem Rheingrafen als Bedienter und Barbier in Diensten gestanden.

Ob er sein Wort gehalten, weiß ich nicht; so viel ist gewiß, daß er nur sechs Monathe in Floreng war, den Scherbeutel an den Nagel hing

und mit den von dem Rapold erlernten Kunst

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stücken und Handgriffen wieder nach Deutschland wanderte. Er begab sich zuerst an den Würs tembergischen Hof, wo er aber jeßt noch keinen Eindruck gemacht zu haben scheinet, aber doch feinen Lehrmeister zu Florenz, den Daniel Raz pold, dem Herzoge als einen wichtigen geheims nißvollen Mann empfahl. Der Herzog war leichtgläubig genug, den Wundermann kommen zu lassen; allein dieser spielte seine Betriegereyen so plump und grob, daß der Herzog ihm bald darauf den Staubbesen geben und des Landes verweisen ließ.

Müller ließ sich dadurch nicht abschrecken, fondern irrete auf gut Glück in Deutschland here um. Unter andern kam er auch nach Prag, wo sich Kaiser Rudolph 2 damahls aufhielt. Man weiß, daß dieser Herr die Wissenschaften schätzte und belohnte, und in manche selbst pfusche te. Allein, da er mehr Liebhaber als Kenner war, so ward er unaufhörlich von Charlatans und Marktschreyern angeführet, weil man ihm nur etwas ihm Unbegreifliches vormachen durfte, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Müller ließ sich ihm vorstellen, und wußte sich durch allerley jezt sehr gemeine Taschenspieler künfte ein wichtiges Ansehen zu geben. Unter andern gab er vor, daß er eine Kunst besäße, fich gegen alle Geschosse fest und unverwundbar zu machen, ließ auch von seinem Bedienten in Gegenwart des Kaisers mehrmahls auf sich schießen. Er gestand nochmahls in Würtemberg,

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daß er statt der bleyernen Kugeln, welche er dem Kaiser gezeigt, papierne in das Gewehr zu pras eticiren gewußt. Unsere heutigen Taschenspieler wissen diese Kunst, denn sie ist jetzt sehr gemein, mit ein wenig mehr Täuschung zu machen, ins dem sie, wenn ich nicht irre, unter den bleyernen Kugeln, welche sie vorzeigen, Kugeln von Reißs bley haben, welche den ersteren sehr ähnlich ses hen, und bey dem Laden Statt ihrer in den Lauf practiciret werden, da sie denn bey dem Abfeuern in der Luft verfliegen, ohne Schaden zu thun. So plump auch Müllers Kunstgriff war, so ließ sich der Kaiser doch dadurch hintergehen, bez schenkte den Künstler, und erhob ihn unter dem Nahmen von Mühlenfels in den Adelstand.

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Nachdem er dieses Angeld seiner Geschicks lichkeit erschlichen hatte, ging er sogleich auf größere und wichtigere Abenteuer aus. Der ers ste Gegenstand derselben war der schon gedachte Christoph von Stein, vielleicht weil er Vermös gen und ungefår so viel Leichtgläubigkeit besaß, als der Betrieger verlangte. Dieser hielt sich damahls zu Nürnberg auf, daher der nunmeh rige Herr von Mühlenfels sich zu ihm begab, und ihm weiß machte, daß er den Stein der Weisen an der Pohlnischen Gränze von einem großen und berühmten Alchymisten erlernet habe. (Viels leicht war er wirklich bey dem Sendivog gewes fen, und hatte ihm einige gemeine chymische Handgriffe abgelernet.) Er gab ferner vor, er habe zu Breslau Gold gemacht, und den dasigen

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