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Kopf so verrückt, daß keine Warnung mehr etwas verfangen wollte. Ohne Geld und Kleider, selbst ohne Müße, wie er gestehet, begab er sich auf ein kleines Türkisches Schiff, auf welchem er unter freyen Himmel liegen mußte, und so lange die Reise dauerte, keine warme Speise genoß. Endlich langte er nach 16 Tagen um die Mitte des Julit glücklich in Constantinopel an.

Seine Absicht war, sich dem Kaiser vorstellen zu lassen, demselben Gottes Befehl zu verkündigen, ihn und sein ganzes Reich zu bekehren, und ihm widrigenfalls mit dessen gänzlichen Untergange zu bedrohen. Zu dem Ende hatte er Comenii berüch tigtes Buch Lux e tenebris in einem blauen Bande mit goldenem Schnitte bey sich, welches er dem Kaiser zu seiner Belehrung überreichen, und ihm die darin befindlichen Prophezeihungen der Fantas ften Drabicii und Kotters vorpredigen wollte *). Zugleich setzte er im Auguft die Schrift de Conver fione Turcarum auf, welche an den` Türkischen Kaiser Mahomed 4, gerichtet war, worin er ihm andeutete, daß der Komet, welcher in dem vorigen Winter erschienen sey, die Bekehrung aller Völker bedeute, besonders aber der Türken und Tartarn, welche sogar unter seiner, des Kuhlmann Anfüh; rung, das Reich des Antichristes zerstören sollten, wenn die Christen sich dessen zu ihrer Schande weis gern würden. Allein, es widerfuhr ihm ein måchs

*) S. fein Myfterium XXI Septimanarum Kotteriana-
rum gleich nach dem Titulblatte.
Gesch. d. Narch, 5 B.

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tiger Strich nach dem andern durch seine Rechnung, In Constantinopel herrschte die Pest, und der Kais ser war daher abwesend, Kuhlmann aber befand fich in einem fremden Lande unter rohen Türken ohne Geld und in dem armseligsten Aufzuge. Als lein, für einen Schwärmer sind das unbedeutende Kleinigkeiten, und es scheinet, daß er dessen unges achtet darauf gedrungen, zu dem Kaiser geschicket und demselben vorgestellet zu werden. Alle seine Lebensbeschreiber versichern, daß er mit hundert Prügeln, (vermuthlich auf die Fußsolen) abgefers tiget worden, und wer die Türken, die in solchen Fällen teinen Scherz verstehen, nur einiger Mas ßen kennt, wird das nicht nur sehr wahrscheinlich finden, sondern sich noch verwundern, daß er noch fo wohlfeil davon gekommen, und nicht vielmehr ein wenig gespießet worden. Er selbst übergeher diesen Umstand mit Stillschweigen, und spricht nur in allgemeinen Ausdrücken von den großen Drang? falen, welche er in Constantinopel erlitten *). Int *) In dem Briefe an die Magdalena von Lindau in den Lutetier Schreiben führet er S. 96 Stels len aus einem Briefe, welchen er von Constantis nopel aus an die Seinigen nach Smyrna erlassen, aber abgebrochen, an. Sie lauten so: „Ach mein „Volk! mein Volk! die Noth, die eure Sünden mir verursacht, ist groß, und habe noch nicht Gez legenheit euch abzuhohlen, weil die Zeit zu kurz, und meine Freundschaft hier klein, die Stadt aber groß, darzu sich wegen der Best wenig auszumas chen. Nun ist der fibende Tag meines hiesigen Ortes, und der allerbetrübteste, weil ich mit „den Teufeln, nicht nur mit euch zu thun gehabt. Sage euch traurige Botschaft - - - Hiobs Stand ist mir nun bekannt; Josephs kommt dars „bey So lang ich gelebt, so lange ist so vil

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der Folge sagt er, Gott habe mit seinem guten Wil, len vorlieb genommen, und ihm den Zug gegeben, wieder nach Norden zurück zu kehren, schiebt aber doch die ganze Schuld seiner mißlungenen Unters nehmung auf die Sünden der Seinigen, besons ders auf die Trauergeschichte zu Waltha, welche ihit vornehmlich um alles Gedeihen gebracht habe.

Er kam also auf einem Türkischen Schiffe im October wieder zu den Seinigen nach Smyrna, deren sich indessen der Holländische Consul angenome men hatte, und sie an seinem Tische speisen ließ, da er doch vorher dem Kuhlmann einen Trunk Wassers versagt hatte. Es scheinet, daß solches nicht so wohl um des Fantasten, als um seiner Pflegetschter willén geschehen, denn er giebt sö ets was nicht undeutlich zu verstehen. Genug, er ward immer mehr ein Gespört der Seinigen, welche sich nun, da sie einen so mächtigen Beschüßer hatten, eine unumschränkte Gewalt über ihn anmaßten. Doch alles das ertrug er mit theosophischer Gedult, aber daß sie in seiner Abwesenheit eine sie betreffens de Stelle in seinen Kuhlpfalmen, deren ich im folgenden gedenken werde, ausgestrichen hätten, ging ihm über alles, denn das schmerzte seine Eis gentiebe so sehr, daß er es nicht vergessen könnte. Nachdem er mit dem Consul der Seinigen wegen hoch einen heftigen Streit gehabt hatte, der aber D 2

„mir nicht zugestoßen, und habe vil Unfals, wie wohl ich hun stark mit Gott ringe, noch vielleicht zu erwarten. Darzu ist der Kaiser inner zwey „Monathe kaum zu erwarten u. f. f.

beygeleget ward, daher er ihm auch das Exemplar von Comenii Luxe tenebris, welches er dem Türs tischen Kaiser zugedacht hatte, zum (Heschenk machs te *), segelte er auf einem Französischen Schiffe wieder aus der Levante ab, und muste den Seinis gen unter Weges wieder zu einem unaufhörlichen Gespotte dienen, welche indessen mit dem Capitain des Schiffes in eine mehr als gewöhnliche Bekants schaft gerathen waren. Es zeigte sich dieses befonts ders, als sie im Februar 1679 vor Cadix ankamen, da sie in Gesellschaft des Capitains am Lande spas zieren gingen. Seine Pflegetöchter wurden üneins und zankten sich; ihr Mentor wollte sich darein les gen, aber nun fiel alles über ihn her, und selbst der Capitain ging mit bloßem Dolche und Degen auf ihn los, und würde ihn erstochen haben, wenn er nicht wäre abgehalten worden. Nach diesem kleinen Abenteuer kamen sie zu Anfang des Aprils glücklich in Amsterdam an.

*) Wie verrückt der Mensch war, erhellet unter and dern auch aus dem Unsinne, welchen er in das Buch schrieb, als er es dem Consul übergab: Liber hic triunus fpecialior Apocalypfis eft, & feptem mundi ecclefias docens & illuminans. Quisquis igitur membrum genuinum unius e VII ecclefiis eft, munus ipfius erit, hoc munus coelefte, quod epiftola eft ad totum orbem terrarum ipfius Dei, pro fua poffibilitate publicare cunctis, ut fiat divina volunManeat ergo in Oriente ad Orientem muncris loco, ut fiat tandem hoc triunum munus univerfale munus totius Orientis. Smyrna 27 (17) Octobr. 1678. Er hat diese wichtigen Worte in feinem Myfterio XXI feptimanarum Kotterianarum selbst aufbehalten.

tas.

Seine angenommene Familie hatte es ihm biss her so bunt gemacht, daß seine Gedult, so zähe sie auch seyn mochte, endlich völlig ausgeriffen war, daher er nunmehr den Entschluß faßte, sich völlig und auf immer von ihr zu trennen. Aber was ihn noch mehr, als alle Mißhandlungen von ihrer Seite dazu bewog, war, daß Kotter, auch ein Fantast der ersten Größe, von ihm geweissaget hatte, daß seine Ehe ohne Ehe nur 42 Monden dauern sollte, und vom 9ten Oct. 1675 bis zum 9ten April 1679 waren gerade 42 Monate verfloss fen, daher er von diesem Tage an der Magdalena son Lindau auch nicht mehr beywohnte, sondern fe mit ihren Töchtern in Holland ihrem eigenen Schicksale überließ *).

Er schweifte von dieser Zeit an beständig in der Frre herum, und lebte dabey auf andrer Unkosten, die thörigt genug waren, sich entweder durch seine vorgegebene alchymistische. Geheimnisse oder durch seine göttliche Sendung zur Zerstörung des Antis christes bey der Nase herum führen zu lassen. Er ging von Amsterdam nach London, begab sich aber nach einem Aufenthalte von 21 Wochen wieder nach Paris, wo seine Narrheit vermögende Freun de gefunden haben muß, weil er sich hier mehr:

*) Ben diesem Zeitpuncte endigen fich seine Lutetiers oder Pariser Schreiben, daher ich seine folgenden Abenteuer nicht so umständlich liefern kann. Ohne Zweifel kommen in den Londoner-Schreiben, dem Kühlpsalter und andern seiner Schriften, welche ich nicht habe nuhen können, noch manche Umfånde vor, meine Nachricht zu ergänzen.

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