Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Wohlthat theilhaftig gemacht hätte, so hatte doch auch der keine Lust zum zweyten Mahle auf Geras thewohl anzubeissen, und antwortete daher gar nicht. Da nun seine Verlegenheit indessen immer größer ward, indem die Seinigen um Brot, die Gläubiger aber um Bezahlung schrieen, so sezte er noch einmal bey Wernern an, und verlangte von demselben, um seinen Glauben zum leßten Male zu prüfen, nur 300 Rthl. Allein dieser hielt ihn unter allerley Entschuldigungen auf, und that endlich gar eine Handelsreise nach Dänemark. Eben so fruchtlos lief ein Versuch ab, den er bey einem bekannten Kaufmanne zu Middelburg in Sees land that, der zwar sein Möglichstes versprach, aber auch nichts hielt. Da nun alle ausgeschriebene Brandbriefe vergebens waren, so sahe er wohl, daß in Lübeck für ihn weiter nichts zu thun sey, daher er sich so gut zu helfen suchte, als er konnte, und im Anfange des Jahres 1676 mit den Seinis gen nach Hamburg reisete, um von da auf einem Schiffe nach England zu segeln. In Hamburg erfuhr er, daß der Lüneburger Kaufmann den Tag tach seiner Abreise in Lübeck gewesen, tausend Thas er bey sich gehabt habe, und mit ihm wegen des erlangten Vorschusses habe contrahtren wollen. Im diesen fetten Bissen nicht zu verliehren, reisete e sogleich von Hamburg nach Lüneburg, das Geld it Person zu heben; allein dem Kaufmanne war inLübeck ein Licht aufgegangen, daher er sein Geld belelt, für den Goldjåger in Lüneburg nicht zu Hase war, und ihn mit einem leeren Briefe abs

[ocr errors]

Speisete. Nun war Holland wieder in Noth; es fehlte ihm in Hamburg an nicht mehr als an allem, und so sehr er auch über das Irrdische hinweg zu feyn glaubte, so ward er doch vor Gram und Vers druß frank. Wie er sich geholfen, weiß ich nicht, genug er segelte gegen Ostern von Hamburg ab, und tam glücklich in London an," So arm er auch war, denn sein lehtes Geld bekam der Bootsmann, so mußte der Windbeutel doch auf der Reise einen Samintrock tragen, welche Tracht damals noch weit seltener war, als jest, und er thut sich nichts geringes darauf zu Gute, daß ihn jedermann für "eine fürstliche oder doch gräfliche Person angesehen; woraus denn unter andern auch erhellet, theils daß er vorseßlich auf Betrug ausgegangen, theils daß die Demuth, welche die theosophischen Glaus "benshelden immer in dem Munde führen, nichts als Verkleisterung des gröbsten Stolzes ist *9.

Ich habe seine Abenteuer zu Lübeck aus seiner vierten Lutetier Schreiben an Johann Bathut entlehnet. So sehr er auch darin alles zu seinen Vortheile erzählet, so verråth sich doch nicht bl der verrückte Fautaft, sondern felbft der vorseglice Betrieger überall. Ich bemerke noch, daß ebn damahls Samuel Pomarius Superintendentin Lübeck war, der als Profeffor der Theologie zu Ees ries in Ungarn einige schmeichelhafte Briefein den Ruhlmann nach Breslau und Jena gefchies ben hatte, aber seitdem aus Ungarn war verfies ben worden. Allein da Pomarius, der ein sens ger Orthodox way, sahe, wie tief der Mensch its dem gefallen war, so that er, als wenn er ihnicht kennete. Seine folgende Geschichte bis 1681and besonders seine abenteuerliche Reise nach Cotans tinopel hat er in seinem fünften Lutetier Streis ben an seine sogenannte Frau, Niagdalenwon

[ocr errors][merged small]

Von seinen Begebenheiten in England sagt ́er selbst sehr wenig; aus den Unterschriften einiger seiner Briefe erhellet, daß er sich den 7 May 1676 in York, an eben dem Tage des folgenden Jahres aber zu Bromley bey Bod befand. Allein daß er sich im October 1676 wieder in London müsse befüns den haben, erhellet aus einem Briefe zweyer Quås ter, Hilarii Prachii und J. 'C. Materni*), vom

ten Oct. 1676, worin es heißt, daß Kuhlmann in London damit umgehe, eine neue Uebersetzung der Bibel in allen Sprachen zu schmieden, damit sie nicht verlohren und verfälscht werden könne, und daß er in kurzem 3 mal 70 Bücher schreiben wolle. Er gebe unter andern seltsamen Dingen vor, daß täglich zwey Engel auf ihn bestellt wären, wodurch er bey vielen schon alles Ansehen verlohren habe.

Die Absicht seiner Reise nach Engeland war das große Werk seiner Sendung zu vollenden, nach Constantinopel zu gehen, und dem türkischen Kais ser in Person das Evangelium oder vielmehr Jacob Böhmen zu predigen, und ihm im Falle des Unges. horsams den Untergang seinės ganzen Reiches ans zukündigen. Er suchte nur jemanden, der reich und Fantast genug war, die Kosten zu dieser abenteuers lichen Unternehmung herzugeben. Einen solchen fand er nun an einem reichen Englischen Ritter, Nahmens Johann Bathurst, der ein Gut zu Bromley bey Boo hatte, und zuweilen auch der

Lindau am umständlichsten beschrieben, indem er ihr darin allen Berdruß vorwirft, welchen sie und ihre Tochter ihm während dieser Reise gemacht. *In den Unschuld. Nachr. 1706, .432.

blindeEdelmann genannt wird, daher er wenigs stens ein blödes Gesicht gehabt zu haben scheinet. Dieser spielte unter den Fantasten dieser Zeit keine geringe Rolle, und wird in dieser Geschichte noch mehrmals vorkommen, ob ich gleich keine zusams menhängende Nachricht von ihm zu geben weiß. Bathurst nahm den Narren zu Bromley willig auf, versahe ihn mit dem nöthigen Gelde, und versprach, ihn zu der Ausführung seines großen Werkes jährs lich tausend Thaler zu geben. Kuhlmann schwamm nunmehr oben, bewohnte in Bromley ein eigenes großes Haus, und fing das beschlossene Geschäft damit an, daß er seine Familie, welche ihn schlechs terdings begleiten wollte, zu der morgenländischen Reise vorbereitete. Er führte daher Daniels Art zu beten bey ihnen ein, indem er sich für nichts geringers als den zweyten Daniel hielt. Sie mus ften alle Tage, Morgens, Mittags und Abends, drey Stunden auf den Knien im Gebete zubringen; er sehte ihnen ein Lebens Abc auf, welches unter Den güldenen Abceen nunmehr das sechste war, dess sen Buchstaben sie nach Tauleri Lehrart erlernen musten, damit sie die Oberhand über das Fleisch bekommen, und wahre Kinder Christi nach dem inwendigen Menschen im äußern Menschen werden möchten. So oft sie die Glocke schlagen hörten, musten sie den allgemeinen Seufzer, der sich in seiz nem Kühlpsalter befindet, einander zurufen; karz Gottes Lob sollte unaufhörlich in ihrem Munde feyn. Eine Zeitlang ließen sie sich das Ding ges fallen, allein sie wurden der Gaukeley bald müde,

besonders nachdem seine älteste Stieftochter beinahe ein Jahr lang in Hamburg abwesend gewesen war, wo sie gelernet haben mochte, daß man in der Welt noch etwas anders thun könne, als ewig fasten und beten. Das machte ihm denn vieles Haustreuß und seine christliche und theosophische Gedult brach nicht selten in laute Flüche und Verwünschungen aus.

Dessen ungeachtet hielt er jeht in London seine vorgegebene Ehe mit der Magdalena, die er bisher verschwiegen gehalten hatte, nicht länger verborgen, so viele Ursachen er, wie er sagt, auch hatte, sich ganz von dieser widerspenstigen Familie zu trennen. Allein er machte das Uebel dadurch nnr årger, denn da sie ihn dadurch gefesselt zu has ben glaubten, so wurden sie in ihrem Betragen nunmehr völlig zügellos und verursachten ihm zaus send Krånkungen *).

Während seines Aufenthaltes in England ward des obigen Christian Werner in Lübeck - Sohn, Isaac Werner in London erstochen, und es scheint, daß Kuhlmann dieser Sache wegen Verdruß bekoms men, ob ich gleich nicht sagen kann, worin derselbe bestanden **). Hatte dieser Isaac Werner etwa

),,Von der Stunde an find solche Ungeregelheiten, „Ungehorsamkeiten, Auslaufungen, und was ich felbft nicht weiß auszusprechen, won ihnen allen fo häufig mir zugeflossen und zugeschossen, daß mein Herze, wenn es steinern und stählern gewes „sen, hätte sich müssen bewegen, um Gottes Ehre fie zu laffen; geschweige, da ich um Gottes Ehre wegen sie empfangen. Lutetier: Schreiben, S. 81. **) Wie schrecklich zog die Weltfigur Werners in feis nem gefangenen Sohne Isaac? I näher die Welts

[ocr errors]
« ZurückWeiter »