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Eben so bald ward sie auch des wörtlichen Ge, bethes müde, denn ihre Fantasie ward nunmehr so anruhig, daß sie von derselben immer unterbrochen ward, und oft ganze Nächte zubrachte, ohne eine. Sie einzige Gebethsformel endigen zu können. fragte Gott, was das zu bedeuten hätte, und of ~er sie etwa verlassen habe, erhielt aber zur Antwort: ich bin ein Geist, rede mit mir im Geißte. Ich werde künftig im Geiste und in der Wahrheit wire

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ten. Höre auf, und ich werde alles thun." Nun verließ sie das wörtliche Gebeth ganz, überließ sich blos ihrer Empfindung, und ward dadurch, so wie die Guyon, der Einflüsse Gottes immer empfångs licher.

Kein Wunder, daß jedermann sie nunmehr für das hielt, was sie wirklich war, für eine wahns wißige Nårrinn. Selbst der Beichtvater ihrer Aels tern, ein Jesuit, war der Meinung, glaubte aber überdieß noch, daß der Teufel sie verblende, und daß sie auf dem geraden Wege zur Hölle sey, in welche sie sich mit Leib und Seele stürzen würde, Nur fie allein wußte das Ding besser und die Offens barungen, welche sie unaufhörlich hatte, bestätigten fie von Zeit zu Zeit darin. Es ist merkwürdig, daß sie immer erst ihrer Fantasie folgte, und wenn ihr dann ein Zweifel aufstieß, und sie Gott fragte, so war die Antwort immer so, wie sie selbige wünschte. So fragte sie jest Gott, ob ihre gegenwärtige Eins Jamkeit ihm nicht angenehmer wåre, als ihre voris gen guten Werke, und die Antwort war: „ungleich „angenehmer. Auf die weitere Frage, ob ihm

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denn die Einsamkeit so angenehm sey, hieß es: »ste ist mein liebstes Cabinet. In ihr wirst du jeders

jeit meine Stimme hören. In den guten Wers „ken sichest du nur dich; aber ich erhalte dich in der Einsamkeit. Gehe, gehe und verbirge dich."

Die Eingezogenheit vermehrte ihr hysterisches Uebel, und sie fühlte den: Drang zur Bewegung immer heftiger; doch war er noch nicht so stark, daß sie nicht noch einiger vernünftiger Ueberleguns gen dabey fähig gewesen wäre. Besonders fürchtete sie sich vor ihrem Vater, der sie schlechterdings nicht zu dem Erzbischofe wollte gehen lassen. Ueberdieß hatte sie sich nun schon in den Kopf geseßt, daß sie eine eigene Gemeinde errichten sollte; sie mußte also in Gesellschaft aus ihres Vaters Hause gehen, und doch wußte sie jetzt noch niemanden, der ihr håtte folgen wollen. Sie nahm ihre Zuflucht wies der zu ihrem Orakel, und das sprach: „suche nichts; Haber wuchere mit dem, was dir wird anvertrauet "werden. Verkündige nur meine Absichten." Aber zu dem leßtern war sie, wie sie sagt, noch zu schüchtern, weil sie befürchtete, man möchte sie für eitel und stolz, oder wohl gar für eine Heilige hals ten. Sie bath daher Gott, er möchte ihr so etwas nicht zumuthen, sondern sich ein anders und besseres Werkzeug wählen. Die Antwort war: „ich werde

dir alles seyn. Meine Macht ist unbegrånzt. "Willige nur ein.“ Aber, warf sie ein, warum hast du mich nicht männlich erschaffen; ich würde alsdenn fähiger seyn dir zu dienen. Das Orakel war eben nicht sehr galant, denn es erwiederte:

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ich habe dich als das unwürdigste Geschöpf erwäht „let, den Stolz der Månner zu beschämen. Ich werde dir alles verleihen, was du bedarfst. Sey „mir nur getreu.

Auf diese Art kam sie in dem innern Leben ima mer weiter, und befand sich in einem unglaublichen Vergnügen. Ihre ganze Seele war in Gott veri schlungen, und es war zwischen ihr und ihm kein Unterschied mehr. Sie lebte nicht mehr, sondern er lebte in ihr. Ihre Entzückung erstreckte sich bis auf den Körper, der oft zu ganzen Stunden Ber wußtseyn und alle Sinne verlor. So sehr sie das auch Eiselte, so stieg ihr doch einmaht der Gedanke auf, ob es nach der Etiquette der Heiligkeit auch wohl erlaubt sey, dergleichen Seligkeit schon in dem gegenwärtigen Leben zu empfinden. Sie fragte geschwinde Gott, und erhielt zur Antwort: „Das

find Schwachheiten der Natur. Sey månnlicher. „Ich bin nichts als Geist, und dem Fleische unems "pfindbar.

Kein Wunder, daß der Teufel alle Kräfte aufbot, einer so heiligen Seele das Spiel zu vers derben, daher er tausend Hokus Pokus ersann, fie irre zu machen. Bald polterte es in ihrer Stube; bald fuhren die Fenster auf, und alles Geråth in ihrem Zimmer bewegte sich. Anfänglich fürchtete sie sich; aber sie ward des Dinges bald gewohnt, und mächte sich nichts mehr daraus. Einmahl hdrte sie in der Nacht éin ähnliches Geräusch, und es war ihr, als wenn jemand mit großen Schritten in ihrem Zimmer auf und ab ging. Als sie aufsahe,

erblickte sie einen großen starken Mann von der Farbe des Schattens, der sich vor ihr stellte, und sie nicht. in ihre künstliche Wüste lassen wollte. Aber sie

faßte ein Herz, stieß ihn so heftig, daß er der Långe nach zu Boden fiel, worauf sie ihm auf den Kopf trat, und in ihre Wüste gieng.

Aus ihrer eigenen Nachricht ist der Stufengang so wohl ihrer zerrütteten Einbildungskraft, als auch ihrer törperlichen Krankheit nicht zu verkennen, und so wie diese wuchs, so ward auch ihr Drang zu dem Erzbischofe immer stårter. Sie entdeckte ihn ihrem Beichtvater, der denn den Willen Gottes auch nicht verkannte, ihr aber rieth, die Einwilligung ihres Vaters vermittelst einiger seiner Freunde zu suchen. Sie wandte sich an den Gardian der Cas puciner und an den Pfarrer zu Blatton, in deren Gegenwart sie ihren Vater ernstlich um Erlaubniß bat, nach Mons zu dem Erzbischofe zu gehen, weil Gott sie aus der Welt rufe. Der Vater, der wohl fahe, daß sie einen neuen nårrischen Streich von der ersten Größe auf dem Korne hatte, versagfe ihr dieselbe schlechterdings, und bedrohete sie mit feinem Fluche, wenn sie wider seinen Willen dahin gehen würde. Aber er wurde von den beyden Pfaf fen überschrien, welche ihn weidlich aushunzten, ihm sagten, daß er einer solchen Tochter nicht würs dig sey, und sie in ihrem Vorhaben bestårkten. Der Auftritt ging 1640 in dem Capuciner: Kloster vor, wo sie von Stunde an blieb, und den betrübs ten Water allein nach Hause gehen ließ.

Sie stellte ihre Reise doch dießmal ein wenig gescheiter an, indem sie selbige nicht zu Fuße that, sondern mit einer ehrbaren Wittwe nach Mons fuhr. Der Erzbischof machte große Augen, als sie vor ihm erschien, und ihn an sein Versprechen erinnerte, daß er Vaters Stelle bey ihr vertreten wollte, im Falle sie um des Dienstes Gottes willen von neuem beunrus higet werden sollte. Gott, sagte sie, habe sie berufen, ein von allen Gütern der Erde, von aller Kreatur und von aller Selbstliebe abgesondertes Leben zu führen. Sie sey versichert, daß ihr mehrere nachfolgen würden, daher der Erzbischof ihr einen wüsten Plat in seiner Discese anweisen möchte, wo sie damit den Anfang machen könnte. Der Erzbischof fragte sie, wie sie das verstehe, daß sie von allen irdischen Eid: tern afgesondert bleiben wolle; von nichts könne man doch einmahl nicht leben. Sie antwortete, sie und ihre Nachfolger wollten das Feld bauen, und sich dadurch ihren Unterhalt erwerben, ohne von irgend jemanden Geld zu betteln. Der Erzbis schof schüttelte den Kopf und sagte, die Sache müsse reiflich überlegt werden, und schickte sie indessen zu ben Nonnen von Notre Dame.

Er trug hierauf dem P. du Bois, Superior von dem Oratorio zu Maubeuge, welcher sich eben damals zu Mons befand, auf, sie zu prüfen und fie zu beobachten, und, wenn sie die Wahrheit spricht, so wurde so wohl dieser, als der Erzbischöf und die Nonnen überzeugt, daß sie völlig auf Ans trieb des heil. Geistes handle, ja vier Nonnen ers bothen fich sogar, ihr zu folgen, wohin Gott fie

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