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nicht genug danken können, daß er fie gefunden habe *). Vielleicht wäre es mir eben so gegangen, vb ich gleich nicht die Ehre habe, ein Heiliger zu feyn. Der Pfarrer pflegte alle Nacht von eilf bis um zwey Uhr in der Kirche zu bethen. Er führte fie daher gegen eilf Uhr dahin und nahm eine Schütte Stroh mit, daß sie darauf ruhen sollte. Ob sie gleich den ganzen Tag nichts will gegessen und ge: trunken haben, so war sie doch so entzückt, daß sie sich in einem solchen vollkommenen Zustand der Ars muth befand, und empfand nicht die geringste Liebe

*) Poiret hat es der Mühe werth gehalten, uns die fen heiligen Mann, der junge Mädchen des Nachts in seiner Kirche beherbergte, näher kennen zu leb ren. Er hieß George de Lisle und war schon einige Jahre Pfarrer zu Blatton gewesen, als ein unverz mutheter Zufall ihn auf einmahl zu einem Schwar 'mer machte. Er war mit dem Richter des Dorfes auf einem fetten Schmause gewesen, und als fie fpåt in der Nacht wohl besecht nach Hause gehen wollten, ward der Richter ihm zur Seite von einem zur Verzweifelung gebrachten Soldaten, der feines Lebens überdrüffig war, erschossen. Dadurch bekam er auf einmahl heilige Gedanken, ließ sich sechs Monathe von einem Jesuiten zu Douay einsperren, der ihn für die ehedem genossenen guten Mahlzeis ten auf das unbarmherzigste kasteyete. Nachdem er nun hier zum Heiligen war gegeißelt worden, ging er wieder auf seine Pfarre, wo er sein ganzes Leben hindurch fortfuhr, sich auf die wahnsinnigste, und oft lächerliche Art zu kasteyen, gefeßt das alles wahr ist, was Poiret davon vorgiebt. Denn daß er sieben Jahr hinter einander weder Wasser noch sonst etwas Flüffiges zu sich genommen habe, scheint eine derbe Lüge zu seyn. Aber dafür hatte er auch die Gabe Wunder zu thun und Teufel auszutrei ben, und ward endlich zu Blatton 1648 im stärksten Geruche der Heiligkeit von einem von dem Teufel beseffenen Soldaten, dem er also nicht muß seyn gewachsen gewesen, ermordet.

mehr zu ihren Aeltern, sondern lebte und webte bloß in Gott.

Den folgenden. Morgen besuchte der Pfarrer fie in der Kirche, und suchte ihr ihre nårrische Reise auszüreden, indem er ihr vorstellete, daß jedermann The Geschlecht den Augenblick entdecken würde, wels ches ihr denn täglich neue Abenteuer zuziehen müßte. Sie bestand zwar auf ihrem Entschluffe; allein da der Geistliche befürchten mußte, Verdruß zu haben, er mochte sie nun bey sich behalten, oder weiter ges hen lassen, so beredete er sie, so lange da zu bleis ben, bis er die Sache dem Erzbischof von Cambray gemeldet hätte. Er ging auch wirklich nach Mons, und erhielt von dem Erzbischofe Befehl, sie so lange bey sich zu behalten, bis er selbst sie würde vernoms men haben. Das war nun freylich ein Strich durch ihre närrische Rechnung, daher sie auch nicht umhin konnte, Gott zu fragen, warum er sie jest aufhalte, da er ihr doch befohlen gehabt, in die Wüste zu gehen. Die Antwort war ein wentg fonderbar. Sie lautete: „warte, warte, die

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Zeit ist noch nicht gekommen; denn es müssen dir „mehrere folgen." Allein sie kehrte sich nicht daran, sondern suchte heimlich zu entwischen, und ihre Reise in die Wüste fortzusehen. Zum Unglücke hatte der Pfarrer die Kirche, worein er sie gesteckt hatte, zu gut verschlossen, als daß sie entkommen fonnte. Sie ward darüber ungeduldig und gab Gott einen derben Verweis, daß er ihr nicht die Gabe Wunder zu thun verleihen wollte; allein er antwortete ihr: „du sollst thun, was ich dir gezeir

get habe." Aber, fragte sie weiter, was haft du mir denn gezeiget? Einen Mann, einen Weins stock, und einen Habit; aber ich verstehe von dem allen nichts. Die Antwort war sehr ausführlich: du sollst meinen evangelischen Geist in den Mönchss und Nonnenklöstern wieder herstellen, welche wie „die ersten Christen von allen Menschen abgesondert leben sollen. Das wird in meiner Kirche gute „Früchte bringen. Aber so bald sie nachlassen wers den, soll das allgemeine Gericht kommen; denn das ist meine letzte Barmherzigkeit." Da ihr der Ausdruck in der ersten Antwort: es müssen dir mehrere folgen, anstößig war, weil sie bes fürchtete, dadurch in dem einsamen Genusse Gottes ́ gestdret zu werden, so sagte sie: aber warum wilist bu mich denn, Herr, mit andern verwickeln, die mich nur von dir abziehen könnten? Die Antwort konnte nicht tröstlicher seyn. Sie werden, hieß es, eben ‚dasselbe genießen; ich werde ganz der Deinige seyn, denn dazu bist du geschaffen." Das Ger spräch gehet noch weiter; aber es ist ganz in dem vorigen Tone gestimmt, daher ich mich nicht dabey aufhalte.

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Bey den vorgegebenen Offenbarungen und Ers scheinungen andrer Schwärmer läßt sich vieles, wo nicht alles aus einer zügellosen oder überspannten Einbildungskraft erklären. Aber die Offenbaruns gen der Bourignon haben auch das nicht einmahl vor sich, sondern verrathen eine vorseßliche und faltblütige Erdichtung, besonders diese, welche inss gesammt darauf abzielen, fie als die Stiftering

einer fünftigen großen Kirche anzukündigen; die doch nie entstanden ist, ob es gleich von Zeit zu Zeit nicht an einzelnen Fantasten gefehlet hat, welche ihr nachgelaufen sind.

Nachdem sie sich zehn oder zwölf Tage bey dem Heiligen Pfarrer zu Blatton aufgehalten hatte, kam der Erzbischof van der Burg daselbst an, das Abenteuer in Person zu untersuchen. Er ließ sich in die Kirche führen, und da die Bourignon ihm. in ihrer Tracht von ihrer Strohschütte entgegen kam, machte er eine Menge Kreuße, weil er sie vermuthlich für eine Besessene hielt. Allein nachs dem er sie befragt hatte, fand er, daß sie zwar keine Besessene, aber doch eine Närrinn war, suchte ihr die Reise in die Wüste auszureden, und that ihr den Vorschlag, daß sie lieber auf eine andere Art einsam leben und Gott dienen möchte. Der dienstfertige Pfarrer war sogleich bey der Hand, und erboth sich, ein Häuschen auf seinem Gottes acker zu bauen, in welchem sie als eine Verschloss fene leben könnte, welches denn auch von beyden Theilen bewilliget ward.

Indessen war ihr Vater über ihre Flucht uns tröstlich, zumahl da er den Verdacht hegte, daß fie sich etwa selbst möchte entleibet haben. Er schickte überall Leute aus, die sich nach ihr erkundigen muß: ten, ließ die Flüsse in der Stadt durchsuchen, und wollte sich auf teine Weise zufrieden geben. Ihre Mutter, welche auch einen kleinen frommen Schuß hatte, war geseßter, weil sie versichert war, daß kich ihre Tochter bloß darum entfernet habe, um

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Goft in der Einsamkeit zu dienen. Endlich erführ the Vater durch seine Emissarien, daß ein verklei detes junges Mädchen zu Bassec von Soldaten sey angehalten worden, sich aber jetzt zu Blatron bes finde. Er begab sich sogleich mit seiner ganzen Familie dahin, und kam gerade an dem Tage an, da der Erzbischof daselbst gewesen war. Als der Pfarrer ihr solches meldete, blieb sie verhärtet, und wollte von ihren Weltern nichts wissen, ja sie nicht einmahl sehen. Ihr Vater war untröstlich und bewegte endlich den Pfarrer, daß er ihn wider thren Willen zu ihr führte. Die Freude, sie leben dig wieder gefünden zu haben, war bey ihm so groß, daß er ihr den nårrischen Streich sehr gern vergab. und sie nur zur Rückkehr zu bewegen sucht, wobey er ihr angelobte, sie zu nichts zu zwingen, sondern ihr in allen Stücken ihren Willen zu lassen. •Allein sie blieb unbeweglich, und entschuldigte sich damit, daß sie Gott, dem sie zu dienen willent sey, mehr Verbindlichkeit habe, als ihrem Vater. Er stellete ihr vor, wie vieler Gefahr ihre Ehre in einem so kleinen wehrlosen Dörfchen, als Blatten war, ausgesetzt sey; allein sie verließ sich auf den Schuß Gottes und des heiligen Pfarrers. Sle `weiß sich sehr viel damit, daß sie gegen alles Bit ten und Flehen ihres Vaters, ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihres Schwagers fühllos geblieben.

Da ihr Vater sahe, deß alle seine Beredsam Leit nichts über sie vermochte, so fuhr er nach S. Gillain, wohin sich der Erzbischof von Blatton begeben hatte, und bewegte denselben, daß er den

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