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Sie ward hier sehr leidlich gehalten und hatte eine ihrer Bedienten zu ihrer Aufwartung bey sich, daher ihr außer der Freyheit nichts abging. Da sie von ihrer Selbstverlåugnung, von ihrem Hasse gegen die Welt, und von ihrem großen Hange zur Einsamkeit in ihrem Leben bey aller Gelegenheit so vieles Geschrey macht, so sollte man glauben, daß ihr dieser Verhaft sehr willkommen gewesen seyn würde, weil sie dadurch auf einmahl von der Welt geschieden wurde. Allein dessen ungeachtet wims mert sie sehr darüber, und nennt denselben das größte unter allen Leiden, welche ihr nur widerfahs ren wären. Von der einen Seite läßt es sich dens ten, weil für einen Schwärmer wohl nichts peins licher seyn kann, als wenn er seine Visionen für fich behalten soll; zumahl wenn sie ein Mittel seyn follen, Aufsehen zu erregen, und sich den Weg zum Kirchenhimmel zu bahnen, wie bey der Guyon gewiß der Fall war.

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Ob sie nun gleich war zur Ruhe gebracht wors den, so ward doch der Streit über den Quietismus in der Französischen Kirche erst recht lebhaft, bes sonders zwischen den beyden berühmten: Männern, dem Bossuet und Fenelon, von welchen der leßtere gleich nach den Conferenzen zu Issy Erzbischof zu Cambray geworden war. Fenelon ließ sich bey allen seinen vorzüglichen Fähigkeiten auch in dieser Sache zu sehr von seiner Einbildungskraft beherrschen, und ob er gleich nicht alle verworrene Bilder und schwülstige Ausbrücke der Guyon billigen wollte, so war er doch in Ansehung ihrer Grundsåße von

dem innern Leben, von der reinen uneigennüßigen Liebe gegen Gott ohne Rücksicht auf Himmel, Hölle und Fegefeuer, ganz ihrer Meinung, und hatte das rin den Beyfall seiner Kirche für sich, welche von jeher so viele tausend Träumer von ähnlichen übers spannten Begriffen kanonisiret hatte. Die Mystik selöst konnte daher sein Gegner Bossuet nicht vers werfen, sondern er eiferte nur wider die Uebertreis bung derselben, und schien in so ferne Vernunft und Billigkeit für sich zu haben. Allein da die ganze Mystik blöß ein Werk der Einbildungskraft ist, wels ches nichts so sehr als die Vernunft hasset, so gibt es auch in dem ganzen Dinge keine vernünftige Mittelstraße, oder vielmehr, es lassen sich die Grån zen, wo sich die wahre Mystik von der falschen scheiden soll, nicht nach und aus Gründen bestim men, sondern es kommt dabey alles auf die stårkere und schwächere Einbildungskraft, auf den feinern oder gröbern Geschmack, auf die größere oder ges ringere Gelehrsamkeit jeder einzelnen Person an, wie weit sie darin gehen will oder kann; welches schon allein den Ungrund des ganzen Gebäudes verråth. Der ganze Streit läuft also in einem solt chen Falle auf einen bloßen Wortstreit, und auf Luftstreiche hinaus. Und so gieng es auch hier, und obgleich der Römische: Hof “den Knoten mit dem Schwerte zerhieb, und des Fenelon Meinungen und Schriften verdammte, so was doch das keine Auflösung, sondern die Sache ward dadurch vers wickelter als jemahls, weil diese Verdämmung ein sehr auffallender Widerspruch des Ndmischen Stuh:

les mit sich selbst war, der vorher so viele andere mystische Fantasten, welche es wohl noch årger als die Guyon gemacht, kanonisirerhatte. Allein man wußte auch, daß der Papst diesen Schritt nicht anë vers als gezwungen und auf dringendes Anhalten Ludwigs 14 oder vielmehr der Frau von Mainter non that, welche darum wider den Fenelon aufs gebracht war, weil er ihre Heirath-mit dem Könige widerrathen hattel.::: Jch kann mich in die weitläufs fige Geschichte diesës Streites hier nicht einlassen, sondernTM muß in Ansehung desselben auf die bekannt tew. Verfasser der Kirchengeschichte verweisen, ‹ tos mit man noch die Hiftoire de la Vie & des Out vrages de Mr. de Fenelon, Amsterdam, 1727, 12, serbinden kany wo doch der ganze Streit sehr zu dessen Vortheil und mit ausdrücklicher Billigung seiner mystischen Träume erzähler wied

1. Sie ist in ihrer sonst weitläufigen Lebensbeschrei bung von ihrem lehten Verhafte an überaus kurz, und selbst von ihrem innern Zustande sagt sie sehr wenig, ob sie gleich bis an ihr Ende in ihrer Schwarz merey beharrete, theils, weil ihr dieselbe endlich fur andern Natur ward, theils auch des Wohlftandes wegen, um nicht durch eine endliche Rückkehr zür Vernunft ihr ganzes vorhergehendes Leben Lüs gen zu strafen. Sie blieb mehrere Jahre im Vers hafte, indem sie von Vincennes erst nach Vaugi rard, und herkach nach der Bastille gebracht ward., Nach ihrer eigenen Versicherung hat ihre Gefans genschaft zehn Jahre, folglich bis 1705 gedaureth andere Schriftsteller hingegen versichern, daß fie Gesch. d. Narrh. 5. B.

bereits 1702 wieder auf freyen Fuß geseht worden. Es scheinet daß sie zugleich nach Blois, verwiesen worden, wo sie nunmehr vermuthlich in der Stille lebte, bis sie den 9ten Jun. 1767 daselbst starb.:

Nach einem ihrem Leben vorgedruckten Briefe:

starb fie an einer langwierigen schmerzhaften Kranks heit, und behauptete ihren bisherigen Charakter, bis an ihr Ende. Als man sie öffnete, fand man alle innere Theile anbrüchig und entzünder, bis auf das Gehirn, welches aber doch mehr wäfferig als gewöhnlich war. Auch das Herz warangegant gen, und die Galle war völlig versteinert, so wie bey dem heil. Franciscus von Sales.n

Von ihrem Charakter darf ich nun wohl nichts weiter hinzusehen, indem aus dem vorigen zur Gnüge erhellet, daß eine lebhafte Einbildungskraft, heftige Begierden, und besonders ein unbegrånzs ter Ehrgeiz am Kirchenhimmel zu glänzen, die Hauptzüge in demselben waren. Man verpflanze diese zin einen schwächlichen hysterischen Körper, und gebe ihnen zur Leitung eine gute Dose vorseßlichen Betruges, so werden sich alle die seltsamen Erscheis nungen in ihrem Leben sehr leicht erklären lassen. Ihr Ehrgeiz ftrebte, nach nichts geringerm, als, wo nicht bey ihrem Leben, doch wenigstens nach ihrem Tode auf den Altar gehoben zu werden, und sie würde auch ihre Absicht gewiß erreicht haben, wenn sie selbige nicht zu sehr verrathen, und zugleich so viele Blößen in Ansehung ihrer Sitten gegeben hätte.

Ihre Schriften, welche, einige kleinere frühere ausgenommen, sämmtlich von Poiret, dem Gdns ner und Anhänger aller Mystiker heraus gegeben worden, sind folgende:

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Torrens fpirituels, Explication de la Canti que und Moyen court & trés-facile de faire oraifon, sind ihre drey ersten Schriften, welche von 1684 an zu Lyon, Grenoble und vielleicht an noch andern Orten mehrmahls zusammen. gedruckt worden. Sie erschienen auch unter dem Titel: Recueil de divers Traités de Théologie mystique, von Poiret heraus gegeben, Coln, (vielmehr Amsterdam bey Wetstein) 1699, 12; und unter dem Titel:" Opufcules fpirituelles, Cöln, (Amsterdam,) 1704, 1712, 1720, 12. Eine deutsche Uebersehung von Arnold kam unter dem Tis tel: geheime Gottesgelehrtheit, 1701, und ⚫ unter der Aufschrift: etliche vortrefliche Tracs tåtlein, zu Frankfurth und Leipzig, 1707, 8 heraus. Das kurze und sehr leichte Mits tel zu bethen erschien besonders, Leipzig, 1727, 8.

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La S. Bible avec des explications & reflexions qui regardent la vie interieure. Côln, (Amsterdam), 1713, 1715, zwanzig Theile in 8, wovon acht das neue, zwölf aber das alte Testament betreffen. S. Baumg. Hall. Bibl. Th. 7, S. 7. Das Cantique war schon vorher zu Lyon, 1688, 8, besonders heraus gekommen, und von Arnold zu Frankfurth

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