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eines der stärksten Gifte bekommen haben müsse, und nun wußte sie auch, daß ein Bedienter von ihren Feinden wär bestochen worden, ihr Gift béy: zubringen. Da das Bad keine Wirkung that, so ging sie wieder nach Paris und litte von dem Gifte noch achthalb Jahre lang, während welcher Zeit man ihr noch drey bis vier Mahl Gift beybrachte. *Man siehet ohne mein Erinnern, wie sehr die ganze Geschichte die albernste und plumpeste Erdichtung verråth. Eine so schwächliche Person wie sie bes kommt startes Gift, und stirbt nicht davon, sons! dern giebt nach geraumer Zeit Wasser von sich, wel: ches wie Spiritus Vini brennt. Nun das mag mir doch ein Gift gewesen seyn! Ift etwas an der. ganzen Sache, so hat ein Schalk sich einen Spaß mit ihr gemacht, und ihr Brantwein statt Waffer zu trinten gegeben.

Eine andere Geschichte, welche sich um eben dieselbe Zeit zugetragen haben soll, ist nicht viel flüger ausgedacht. Hr. Fouquet, der Onkel ihres Schwiegersohnes und auch ein Anhänger der Mys ftit, hatte einen Kammerdiener, in welchen sich ein gewisses Mädchen verliebte, und da er ihr kein Gehör geben wollte, so ergab sie sich dem Teufel, mit der Bedingung, daß er sie zu ihrem Geliebten verhelfen sollte. Sie gestand es ihm selbst, undTM dieser erschrat so darüber, daß er auch sogleich in den Lazarus Orben trat, wo der Teufel teine Ges walt mehr über ihn hatte. Allein er ward bald darauf krank und starb, nachdem er seinen ehemahs ligen Herrn auf das dringendste gebethen hatte,

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fich des Mäbchens anzunehmen. Fouquet brachte fie zur Guyon, die denn den Teufel sogleich roch, und vermöge ihrer göttlichen Kraft das Mädchen. auf ein paar Minuten in die Freuden des Paradies ses verseßte, damit sie den Unterschied dieser von dem Vergnügen sollte einsehen lernen, welches ihr der Teufel verschaffte. Warum sie ihn nicht völlig vertrieben, weiß ich nicht; genug, sie überließ das Mädchen den Geistlichen, welche aber nicht Herr über den Argen werden konnten, der zweyen ders felben den Hals brach, das Mädchen in seinen Klauen behielt, der Guyon allen Tort und Dampf anzu: thun drohete, und sein Wort als ein ehrlicher Mann auch richtig hielt

Mit andern Worten, der Samen des Quie tismus, welchen sie unaufhörlich auszustreuen be mühet, war, und der manchen weiblichen und manns lichen Querkopf schwindelnd machte, verursachte immer mehr Aufsehen. Viele, welche von ihr was ren angesteckt worden, kamen nach und nach wit der zu Verstande, und gaben in den Beichtstühlen die Guyon als ihre Verführerinn an. Selbst unter den vornehmsten Personen fanden sich viele, welche sich von ihr hinreissen ließen, worunter die Herze ginnen von Charost, Chevreuse, Beauvilliers und Mortemart bekannt sind. Es fand sich auch ein gewisses Frauenzimmer in Paris ein, welche für eine Andächtige galt, und die Guyon vorherin der Provinz gekannt hatte, welche viel Aergerliches von ihr aussagte, und unter andern auch versicherte, daß ihre Anweisung zum Gebeth nicht einmahl

von ihr sey, sondern daß sie selbige aus dem Vie & conduite spirituelle de la Demoiselle Ma delline Vigneron, Rouen, 1679, ausgeschrieben habe. Alles das öffnete allen Bernünftigen die Augen, und man fing überall an, fie für eine ge fährliche Heuchlerinn zu halten. Sie suchte dem Ungewitter dadurch auszuweichen, daß sie vorgab, fie wollte auf das Land gehen, und ihr Leben in der Einsamkeit beschließen, aber nach ein paar Tagen in der Stille wieder nach Paris zurück tam, und fich daselbst verborgen hielt; ein Kniff, welcher mit der Heiligkeit gar wohl bestehen kann. Allein, da sïerdabey nicht aufhdrete, ihre Schwärmerey wo sie nur konnte, an den Mann zu bringen, so wurde sie sehr bald verrathen, und man ging damit um, sie auf das neue einzusperren. Besonders

suchte der Bischoff von Chartres die Maintenon und übrigen Personen am Hofe, die sich durch ihre scheinbare Andacht hatten blenden laffen, zu übers zeugen, daß sie selbiger ihren Schuß entziehen müßt ten, weil sie die gefährlichsten Lehren verbreite.

Sie hatte bereits mehrere Versuche gemacht, außer dem Fenelon noch einen oder den andern berühmten Geistlichen zu Paris in ihr Neß zù zięs han, um unter dessen Schuhe vor allen Verfolguns gen sicher zu seyn. Da es ihr bisher bey keinem hatte gelingen wollen; so, wandte sie sich jest an ten berühmten Jac. Benignus Bossuet, Bischof ton Meaux, von dem man ihr sagte, daß er kein Feind des innern Lebens oder der Mystik sey. Der Herzog von Chevreuse führte sie zu ihm, und em

pfahl sie ihm auf das dringendste, und es kann seyn, daß der Bischof laus Achtung für den Herzog sich anfänglich gefällig gegen fie bezeigte. Die Guyon ward dadurch so muthig, daß sie ihm alle ihre Schriften und selbst die noch ungedruckten, z. B. ihre Auslegung über die Bibel, zur Prüfung übers gab. Nachdem er sie durchgegangen war, zog er die ihm anstößigen Säße heraus, und legte fie ihr zu Anfange des Jahres 1694 zur Beantwortung vor, und sie gestehet selbst, daß sie dem Bischofe keine Genüge thun können, weil er sehr heftig ges wesen, und sie nicht habe zum Worte kommen lass fen. Sie ließ sich darauf mit ihm in einen Briefs wechsel ein; allein Bossuet håtte bey aller seiner Vorliebe für eine vernünftigere Mystik, der gelehrte und aufgeklärte Mann nicht seyn können, der er wirklich war, wenn er an den verworrenen Tråw men einer solchen Nårrinn håtte Geschmack finden follen. Es war ihr auch eigentlich nicht darum zu thun, die Meinung desBischofes über ihr Geschreibe zu hören, und von ihm belehret zu werden; fcns dern sie hatte gehoffet, er würde alles, was fie aus vorgegebener Eingebung Gottes niedergeschrie: ben haben wollte, für baare Münze annehmen, und durch sein Ansehen verfechten. Allein, da das nicht geschahe, so machte sie ihre ohnehin faule Sache nur noch årger, so sehr sie auch alle seine Einwürfe damit abzuweisen suchte, daß sie sage, fie wisse nicht, was sie geschrieben habe, sie stehe auch für nichts; sie wisse nur so viel, daß sie nich's geschrieben habe, was ihr nicht von Gott sey bes

fohlen und eingegeben worden, und dergleichen Dinge müßten nicht mit der Vernunft, sondern mit dem Herzen beurtheilt werden.

Zum Unglück wollte Boffuet diesen Weg nicht einschlagen, und da er die Guyon entweder aus elgener Güte des Herzens oder aus Achtung gegen den Herzog von Chevreuse, der sie auf das harts nåckigste vertrat, mehr für eine aberwißige Närs rinn, als für eine Betriegerinn und "vorseßliche Heuchlerinn hielt, so gab er ihr den Rath, sich in der Stille zu halten, und ihre Träume nicht weiter zu verbreiten. Da sie sahe, daß sie alles wider sich hatte, daß auch die Maintenon die hand von ihr abgezogen hatte, und daß die årgerlichen Geschichs ten, welche ihren Sitten keine Ehre brachten, se ben jedermann verhaßt machten, so beschloß sie noch einmahl, sich in Paris verborgen zu halten, und schrieb indessen Briefe an die Maintenon und andere Vornehme bey Höfe und suchte sie wieder für sich einzunehmen. Indessen starb einer ihrer Gönner, der Hr. von Fouquet, der Onkel ihres Schwiegersohnes, nachdem ste ihn die Stunde sei: nes Todes vorher gesagt hatte, er ihr auch in eben dem Augenblicke, da er starb, erschienen war. →

Sie vollzog den Entschluß, sich zu verbergen, mit so vielem Geräusche, indem sie an alle ihre Freunde und Bekannte die kläglichsten Abschiedss briefe schrieb, daß man wohl sicher, daß es ihr damit kein Ernst war. Sie wagte einen neuen Versuch bey der Frau von Maintenon, der aber nicht glücklicher ablief, dagegen der Abt Fenelon,

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