Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

fie keine Ruhe hatte, ehe sie wieder zu dem la Combé fam, und von demselben gequälet wurde. Kurz, fle miethete sich, ohne jemanden etwas davon zú jagen, auf einmahl eine Sånfte, unter dem Vork wande, sich zur Marquise de Prunai nach Turin zu begeben. Wie sie dabey auf den nårrischen Eins fall kam, über Nizza zu gehen, welches ganz aus dem Wege lag, weiß ich nicht. Vermuthlich ger schahe es in der Absicht, daß man nicht auf den Verdacht gerathen sollte, daß es ihr nur um den la Combe, nicht aber um die Marquise zu thun sey. Als sie zu Nizza ankam, erfuhr sie, daß sie mit der Sänfte nicht über das Gebirge könnte, und nunmehr sahe sie erst ein, wie thöricht fie, bey allen vorgegebenen unaufhörlichen Offenbarungen Gottes, der nur allein in ihr dachte und wirkte, gehandelt hatte. Zu Nizza seßte sie sich auf ein kleines Fahri zeug, noch Genua zu segeln, brachte aber widrigent Windes wegen eilf Tage auf dieser kleinen Reise zu. Als fie in Genua ankam, fand sie alles wider die Franzosen aufgebracht, welche die Stadt kurz vorher bombardiret hatten. Sie verlangte eine Sånfte, die sie auf das Gut der Marquise de Prunat brins gen sollte; allein zum Unglücke wußte niemand in Genua, wo das lag. Man sollte glauben, sie würde nach Turin gegangen seyn, wo sie das Gut dieser Dame sehr leicht hätte erfragen können, wels ches ihr selbst von ihrem vorigen Aufenthalte nicht unbekannt seyn konnte. Allein, das fiel ihr nicht einmahl ein, und es erheller aus allen Umständen, daß sie von Anfange an keine andere Absicht gehabe Gesch. d. Narrh, 5. B.

hatte, als durch einen seltsamen Umschweif nach Vercelli zu reisen, welches noch zwey Tagereisen von Genua lag, dagegen der Weg nach Turin bet trächtlich kürzer war. Ihr Verlangen zu dem Monch zu kommen, war so brennend, daß sie auch den Rest ihres Geldes, welcher aus zehn Louisd'or bestand, daran wagte, sich eine Sänfte nach Vercelli miethete, und sich dabey allen den Beschim: pfungen ausseßte, welche ein Frauenzimmer, wenn es allein und ohne Beschüßer reiset, in Italien erdulden müß. Daß es auf einer solchen Reise nicht an Abenteuern gefehlet haben werde, kann man leicht denken; allein, wenn Heilige auf der irvens den Ritterschaft reisen, so darf es dabey auch nicht ohne Wunder `abgehen. Nur eines zu gedenken, fo kam sie durch einen Wald, der voll Räuber steckte, und wurde von vier derselben überfallen; allein fos bald sie selbige nur anlächelte, wurden sie so zahm, wie die Lämmer, und gingen davon, ohne ihr das geringste Leides zuzufügen. Sie macht bey dieser Gelegenheit dem lieben Gott ein sonderbares Coms pliment. Du bist," sagt sie, o göttliche Liebe, „der berüchtigte Räuber, der seinen Geliebten alles nimmt, und wenn er sie rein ausgeplündert hat, fie auf das unerbittlichste ermordet.

Endlich kam sie am Charfreytage Abends zu Vercelli an, und la Combe machte ein paar entschs liche Augen, als sie ihm ihr Daseyn melden ließ. Der göttliche Mann, der überzeugt war, daß sie keinen Schritt ohne unmittelbare Eingebung Gottes that, schnurrte sie weidlich an, sagte, jedermann

[ocr errors]

werde glauben, daß sie um seinet willen gekommen sey, und das könne dem Rufe der Heiligkeit, worin er stehe, einen tödtlichen Stoß versehen. Auch der Bischof schüttelte anfänglich den Kopf, allein in der Folge, da er sie persönlich kennen lernte, ließ er sich ganz von ihr einnehmen, welches desto leichter war, da la Combe bey ihm ́in einem vors züglichen Ansehen stand. Sie wußte den schwachen Mann so gut zu nüßen, daß er auch zu ihrem Vors theile sogleich an die Bischöfe von Marseille und Grenoble schreiben, und viel Aufhebens von ihrer Heiligkeit machen mußte. Damit der Bischof keis nen Verdacht bekommen möchte, so gab sie vor, daß ße eigentlich zur Marquise de Prunai gewollt hätte, und nur durch Abenteuer nach Vercelli wäre verschlas gen worden. Um nun eine so theure Person in seinem Bisthume zu behalten, schickte er den la Combe nach Turin, und ließ die Marquise mit ihs rer Tochter zu sich einladen, weil er damit umging," eine Sammlung von Heiligen zu Vercelli anzulegen, und zu ihrem Behufe eine eigene Congregation zu ftiften. Der gute Mann bedachte nicht, daß sich niemahls zwey Heilige, geschweige mehrere mit eins ander vertragen; zum Glück ward ohnehin nichts daraus, und es scheint, daß die Guyon die Sache selbst nicht gewünscht, weil sie mehr Geschmack an der irrens den Ritterschaft als an einem eingezogenen Leben fand. Die Achtung, welche der Bischof ihr bezeigte, machte den Rector der Jesuiten neugierig, der Heis ligen einmahl auf den Zahn zu fühlen, daher er sie aus den schwersten Fächern der Theologie examinirte.

Sie verstand zwar von alle dem Kram nichts; allein Gott flößte ihr die Antworten auf alle seine verfänglichen Fragen auf der Stelle ein, so daß der Jesuit darüber erstaunte.

Ihre neue unbesonnene Reise zu dem la Combe brachte alle ihre Verwandte, und wer sonst auf Wohlstand und gute Sitten hielt, völlig wider sie auf. Besonders årgerte sich ihr Brüder, der P. la Mos the, Prior der Barnabiten zu Paris darüber, der bisher alles angewandt hatte, sie zur Vernunft zus rück zu führen. Da er sahe, daß alle Vorstellun: gen und glimpfliche Mittel vergebens waren, so suchte er wenigstens den Mönch von ihr zu trennen, damit doch das Aergerniß vor den Augen der Welt nicht so sehr auffallend seyn möchte. Ohne Zweifel geschahe es in dieser Absicht, daß er seinen Ordenss bruder, den la Combe, als Fastenprediger nach Pas ris zu ziehen suchte, weil er nicht glaubte, daß sie das Aergerniß so weit treiben und ihm bis in die Hauptstadt nachkommen würde. Er schrieb daher Van den General der Barnabiten, und stellete ihm vor, daß sein Qrden jest keinen einzigen guten Pres diger in Paris habe, daher ihre Kirche leer bleibe. Es sey Schade, daß man einen Mann, wie la Combe sey, an einem Orte lasse, wo er nur seine Sprache ́verderbe. Paris sey ein anständigerer Schauplaß für seine Talente, zumahl da ihr Klos ster daselbst nicht bestehen könnte, wenn sie nicht einen Mann von dieser Art håtten. Der General war dazu willig; allein da der Bischof den Mönch nicht von sich lassen wollte, so ward dießmahl nichts

1

aus der Sache, und da die Guyon versprach, daß fie in dem nächsten Frühlinge, und sobald es ihre Gesundheit nur verstatten würde, denn sie war wieder krant, nach Ger gehen wollte, so gab sich ihr Bruder, wie es scheint, zufrieden.

Um indessen ihre Zeit in Vercelli nicht unnütz zuzubringen, schrieb sie hier ihre Auslegung über die Offenbarung Johannis, welche den achten und lehten Theil ihrer Auslegung des neuen Testamentes ausmacht. Man kann leicht denken, daß sie sich hier in ihrem Elemente befand. Sie brachte es zugleich in dem Stande der Kindheit immer weis ter, und stellte die Kindheit Christi so vollkommen vor, daß jedermann dadurch bezaubert ward; zus mahl nachdem ein Bettelmönch aus Grenoble ihr ein wunderschönes Bild des Kindes Jesu von Wachs geschickt hatte, denn je långer sie dasselbe betrach; tete, desto tiefer ward ihr die Gesinnung eines Kin: des eingedrückt. Sie ward darüber so kindisch, daß sie auch ihr Bischen noch übrige Vernunft ver for. Sie klagt sehr bitterlich, daß sich selbige dessen ungeachtet von Zeit zu Zeit gereget, und sie zum Nachdenken über ihre nårrische Kindheit verleitet habe; denn sie sey dafür von Gott auf der Stelle empfindlich gestraft worden.

[ocr errors]

Indessen starb der bisherige General der Bar nabiten, und da sie keine Anstalt machte, nach Frankreich zurück zu kehren, so wiederhohlte ihr Bruder, der P. la Mothe, sein Ansuchen bey dem General Bicar, indem er doch wohl sähe, daß er feine Schwester auf keine andere Art wieder nach

« ZurückWeiter »