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hören, und sie befriedigte sie alle auf die bewuns bernswürdigste Art, ohne daß sie je einen vernünft tigen Gedanken dabey gehabt håtte, weil es wieder Gott war, der unmittelbar aus ihr redete. Dai bey that sie Wunder über Wunder, sowohl an den Leibern als an den Seelen derer, die zu ihr kamen, so daß sie in der Geschwindigkeit eine Menge Men: schen bekehrte, die sie alle mit dem Nahmen einer Mutter beehrten. Sie zeigte auch hier ihre unbe gränzte Gewalt über den Teufel, denn eines von den Mädchen, welche sie besuchten, war von ihm besessen, indem er ihr einen beståndigen Widerwik Jen gegen die Mutter Guyon einflößte; allein es kostete ihr nur ein Wort, ihn zu vertreiben, ob er sich gleich einen Succurs von sechzehn der mächtig ften Teufel gehohlt hatte.

Es muß damahls ein großer Hang zur Schwärz merey in Grenoble geherrscht haben, wenn auch nur der zehnte Theil von den vielen Bekehrungen wahr seyn sollte, welche sie hier will gewirkt haben, und wovon ihr die meisten nur wenige Worte kostei ten. Mönche von allen Farben und Uniformen, Nonnen aller Art, Prålaten, Aebte, Weiber und Mädchen, Soldaten, Ritter und Priester, kurz fie will hier eine unzählige Menge Menschen ger bohren haben; aber es befanden sich nur wenige darunter, welche es in der Vollkommenheit so weit brachten, als der P. la Combe, so, daß sie, wenn fie die Sprache der Engei reden wollten, zugleich empfingen und gaben; die meisten empfingen nur, waren aber zu ungeschickt zu geben. Da sie bey

diesen Umständen den ganzen Tag zu schwagen hatte, so ward ihre Einbildungskraft immer mehr erhißt, und sie fühlte einen neuen Drang zu schreis ben, daher sie 1684 zu Grenoble ihre Auslegung der heil. Schrift aufsehte, gerade so wie sie schon die Ströme geschrieben hatte, und wie ihr mündi licher Vortrag eingerichtet war, d. i. ohne daß sie wußte, was sie schrieb, und ohne dabey einen vers nünftigen Gedanken zu haben. - Sie schrieb sogar viele Dinge, von welchen sie vorher keinen Buche staben gewußt hatte, und das war denn kein Wuns der, weil die ganze Fülle der Gottheit in ihr dachs te, aus ihr sprach, und mit ihr schrieb. Auch um die Parallel: Stellen durfte sie sich nicht bemühen, denn die wurden ihr zugleich mit eingegeben. Das bey schrieb sie mit einer unglaublichen Geschwindigs keit, so, daß der fertigste Copißt das kaum in fünf Tagen abschreiben konnte, was sie in einer einzigen Nacht ausgehecket hatte; denn ob sie gleich den gans zen Tag zu reden und zu predigen hatte, und also nur des Nachts schreiben konnte, so schrieb sie doch in kurzer Zeit zwanzig Duødez - Bånde zusammen, und das noch dazu zu einer Zeit, da sie das vierz tägige Fieber hatte, deffen Frost und Hike in ihrem Geschreibe endlich sichtbar genug ist. Da das hohe Lied ein vorzügliches Wasser auf ihre schwärmerische Mühle war, so schrieb sie ihre Auss legungen darüber in anderthalb Tagen zusammen, ungeachtet sie während der Zeit häufige Besuche ans nehmen mußte, und schrieb dabey so geschwinde, daß ihr auch der Arm heftig aufschwoll, der aber

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gleich darauf auf eine wunderthåtige Art geheilet ward, und zwar von einer armen Seele, die sie im Traume aus dem Fegefeuer erbethen hatte. Ein anderes Wunder ist nicht viel kleiner. Ein Theil shrer Auslegung über das Buch der Richter ging verloren, und man bath sie, den Verlust zu erse: hen. Sie that es, und schrieb die fehlenden Stels Ien von neuen. Lange Zeit darauf fand man das Verlorne, und siehe da, das alte und das neue Ge schreibe war sich bis auf den geringsten Buchstab gleich. Ein fanatischer Mönch und Anhänger von ihr, der sich ein Verdienst daraus machte, ihre Par piere aßzuschreiben, es aber nur in der Nacht thun konnte, bekam, weil es in der strengsten Kålte war, und er mit-bloßen Beinen ging, geschwollene Füße; aber ein einziges Wort von ihr war hinreichend, ihn zu heilen; kein Wunder, daß dem Gott sey ben uns! endlich die Geduld ausriß, und er viele Personen, welche zu ihr kamen, mißhandelte. Uns ær andern brach er einem Mädchen, welche im Stande der Gnade lebte, zwey Zähne aus, und gab ihr noch dazu eine Ohrfeige, daß ihr der Bat en aufschwoll. Aber der. Wicht war ihr zu vers ächtlich, daher sie nur dem Mädchen sagte, daß sie in ihrem Nahmen den Teufel befehlen sollte, zu weichen, und sogleich wich er. Wie ich diese thre unbegränzte Gewalt über den Teufel mit den Vert folgungen reimen soll, die er jeßt wider sie ans Stiftete, weiß ich nicht.

Es war sehr natürlich), daß der Zulauf, welchen fie hier bekam, und die Schwärmerey, welche sie

verbreitete, Aufsehen machen mußte, zumahl da es in Grenoble an Geistlichen aller Art nicht fehlte, welche einmahl zur Gewissensführung anderer ́pris vilegiret waren, und ihr daher das Handwerk zu legen suchten. Ohne Zweifel wurden auch ihre biss herigen Auftritte an den Gränzen Frankreichs bès kannt, welche denn ihre vorgegebene Heiligkeit eben in tein vortheilhaftes Licht seßten, und ihren Gegs nern hinlängliche Waffen wider sie in die Hånde gaben. So weirschweifig sie in andern Fällen bey den ihr widerfahrnen Verfolgungen ist, so kurz bricht sie hier ab. Sie sagt bloß, es wåren von allen Seiten Pasquille wider sie bekannt geworden, worin sie als eine Here und falsche Münzerinn wåre angegeben worden, und das habe denn ein folches Ungewitter wider sie erregt, daß ihre Freunde ihr gerathen hätten, sich auf einige Zeit zu entfers nen. Der Almosenier des Bischofs von Grenoble, welcher Geschmack an ihr gefunden hatte, schlug ihr S. Baume und Marseille vor, wo es an Mys stikern ihrer Art nicht fehle, und erboth sich sogar, fie dahin zu begleiten. Da sie nichts ohne des la Combe Erlaubniß that, so schrieb sie vorher an ihn, und da sie dessen Einwilligung erhalten hatte, so reisete sie mit dem Almosenier und noch einem Geists lichen nach Marseille ab, nachdem sie ihre Tochter zu Grenoble in ein Nonnenkloster gethan hatte.

Ich gestehe gern, daß ich mich in diesen und den nächst folgenden Theil ihrer Geschichte nicht fins den kann, und daß mir ihre Aufrichtigkeit hier gar sehr verdächtig wird. · Sie sagt, sie hätte nach Vers

celli und Turin gehen können, wohin sie auf das dringendste sey eingeladen worden; allein sie habe den Berdacht vermeiden wollen, als wenn sie dem la Combe nachreise, und doch ging sie in der Folge wirklich zu ihm, obgleich mit manchen Grimassen, und allerley vorgespiegelten Schicksalen. Mir scheint es, daß sie schon in Grenoble den Vorsatz gefaßt, wieder zu dem Mönch zu gehen, ohne den sie nicht leben konnte. Da sie in Grenoble so viele Perfor nen bekehrt haben wollte, so glaubte sie ohne Zweis fel, sich dadurch einen höhern Werth in seinen Aus gen erworben zu haben. Ueberdieß hatte sie es auch in der Mystik jest schon um einen Schritt weis ter gebracht, denn sie war nunmehr im Stande, sich vermittelst der Engelsprache mit allen Heiligen im Himmel zu unterhalten. Sie legte ihr Meis sterstück mit dem Könige David ab, mit dem sie in einem unaussprechlichen Stillschweigen, aber doch auf eine vollkommen wirkliche Art umging, so daß die süßesten Empfindungen aus dessen Herz in das ihrige, und aus dem ihrigen wieder in das seinige ftrömten.

Was diese Vermuthung noch wahrscheinlicher macht, ist, daß sie sich nur acht Tage zu Marsellie aufs hielt, ungeachtet sie daselbst viele Eingeweihete in der Schwärmerey fand, und auch dem dasigen Bir schof, wie sie vorgibt, zum Freunden hatte. Der Almosenier des Bischofs von Grenoble, der sie hiers her begleitet hatte, hatte ihr diesen Ort zum Aufent halte vorgeschlagen, bis sich der Sturm wider sie in Grenoble legen würde; allein es scheint, daß

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