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muß zu seyn. Was sie am meisten kränkte, war, daß sie nicht wußte, was sie nun anfangen sollte; denn Gott offenbarete ihr nichts, und la Combe wollte ihrentwegen auch keine nåhere Offenbarung gehabt haben. Sie klaget bey dieser Gelegenheit gar sehr, daß dieser Mensch, der gegen jedermann gefällig und fanft gewesen, fie oft mit der dußersten Härte behandelt habe; vermuthlich wenn er ihrer überdrüssig war, ob sie gleich alles das Gott zus schreibt. Und doch gestehet sie, daß je hårter er ihr begegnet sey, desto mehr sey sie von ihm einges nommen, und deßto näher mit ihm verbunden wors den. Man kann sich alles das ganz natürlich ers Klåren, obgleich sie es als einen Beweis anführet, daß ihre Verbindung nicht sinnlich oder fleischlich gewesen.

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Die üblen Gerüchte, welche ihre Abenteuer in Turin veranlaßten, machten endlich, daß auch der Marquise de Prunai die Augen über ihr "aufgin=" gen, und daß sie einsehen lernte, daß diejenige, welche sie in der Ferne als eine Heilige verehret hats 'te, weiter nichts als eine scheinheilige Wollüstige war. Sie ward ihrer daher gar bald fatt, und um ihrer auf eine gute Art loszuwerden, so nahm sie eine Reise auf ihre Güter vor. Die Guyon bes fand sich nunmehr in einer neuen Verlegenheit, und obgleich der Bischof von Vercelli, den la Combe für sie eingenommen hatte, um dadurch allen Vers dacht wegen seines Umganges mit ihr zu heben, an fie schrieb, und sie zu sich einlud, mit dem Verspres chen, fie als seine Schwester zu halten, so hatte

fie doch noch so viele Behutsamkeit, daß fie seine Eine Jadung ablehnte, damit die Welt nicht sagen möchs te, daß sie dem la Combe überall nachgelaufen seys Sie sagt zwar, daß sie und der Mönch deßhalb noch keinen Befehl von Gott gehabt hätten, denn wenn dieser erfolgt wåre, so würden sie sich leicht über alle Betrachtungen hinweg gefeßt haben; als lein die wahre Ursache mochte wohl seyn, daß la Combe selbst sie nicht in der Nähe haben mochte, ob er gleich sonst seine Verbindung mit ihr, da sie bereits so weit gegangen war, nicht aufheben konn te. Sie blieb also zu Turin, und zankte, sich mit ihrem geistlichen Ritter in Briefen, weil er immer noch nicht auf dem Wege des nackten Glaubens war, und daher ihren vorgegebenen Offenbarungen nicht trauen, sondern alles besser wissen wollte, als sie; welches denn ihr größtes Kreuß ausmachte, besonders, wenn er eine oder die andere Andach£ tige ihr vorzog. Sie erzähler selbst ein merkwürdi ges Beyspiel von einer Wittwe, welche er in dem Beichtstuhle hatte kennen lernen, und von deren Heiligkeit er so eingenommen war, daß er, wie er sich ausdrückte, von ihr ganz sey parfumiret work. den, dagegen fie, die Guyon, bloß als ein tods ter Körper auf ihn wirke. Das war nun freis lich nicht galant; fie empfand es daher auch sehr hoch, und bekam gleich darauf eine Offens barung, in welcher ihr entdeckt ward, daß alles an der Wittwe bloße Sinnlichkeit sey, und daß eben diese Sinnlichkeit den tiefen Einf druck auf den verliebten Gewissensführer gemacht

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habe. Man kann leicht denken, daß das einen lebhaften Zwist zwischen beyden veranlaßte, der fich bis in den Beichtstuhl erstreckte, wo ihr der Mönch über ihren Stolz den Text las, aber das durch nur machte, daß sie eine Ohnmacht bekam, welche nicht eher aufhörte, als bis er sich zu glaus ben stellte, daß alles was sie sage und thue aus uns mittelbarem Eingeben Gottes herrühre. Wenn das nicht Eifersucht, Grimassen und Betrug vers rath, so weiß ich nicht, wo man sie sonst suchen foll.

Dazu kommt denn nun noch ein unerträglicher Stolz, der sich in allen Stellen ihres Lebens äußert, ob sie ihn gleich dadurch zu bemånteln sucht, daß fie sagt, fie fey nichts mehr, sondern alles was sie denke, sage und thue, denke sage und thue Gott in und aus ihr, dem folglich alles zugeschrieben wers den müsse. So hatte sie die Gabe Wunder zu thun, wenn und wie sie wollte; sagte sie zu einem Kranken, werde gesund, so ward er es; wollte sie einem andern Unruhe und Gewissensangst machen, so kostete es ihr wieder nur ein Wort. Sie hatte ein Mädchen um sich, welches ihre Schwester mit sich nach Tonon gebracht hatte, und welche gleichzi falls auf dem Wege war, eine Heilige zu werden.. Allein sie lebte, so wie la Combe, auch nur noch im Stande des Lichts, und da Gott beschlossen hats te, fie ganz zu tödten, um sie in den Stand des nackten Glaubens zu verseßen, so ward der unsris gen offenbaret, daß das nicht anders als durch sie geschehen könnte, daß sie nehmlich für das Måds

chen eben sowohl leiden müsse, als für ihren Liebs haber, wenn Gott beyde auf die höchste Staffel der mystischen Vollkommenheit erheben sollte. Sogleich bekam sie ein unbeschreibliches Leiden, welches sie drey ganzer Jahre ausstehen mußte, und welches darin bestand, daß wenn das Mädchen um ihr war, oder sie anrührte, se ein Brennen empfand, welches sich nur mit dem Brennen des höllischen Feuers vergleichen ließ, und was dergleichen Poss sen mehr waren, wodurch sie denn beweisen will, daß fie eben so gut für andere Menschen håtte leis den müssen, als Chriftus für die Sünden der Welt gelitten hatte. Wenn ich recht rathe, so mochte la Combe das Mädchen auch lieber sehen, als ihre Ge bietherinn, welches ihr denn alle die närrischen. Martern verursachte, welche so weit gingen, daß sie sich auch einmal in den Arm biß, als das Måda: chen sie nur angegriffen hatte. Wer die Wirkuns gen der Eifersucht bey hysterischen Nårrinnen von einer brausenden Einbildungskraft kennet, wird sich das sehr leicht erklären können.

Indessen machte ihre Verbindung mit dem la Combe in der ganzen Gegend so vieles Aufsehen, daß dieser kein anderes Mittel sahe, seinen guten Namen zu erhalten, als sie wieder nach Frankreich zu schicken. Ohne ihr etwas von seiner Absicht zu sagen, kam er einmahl unvermuchet nach Turin, und sagte ihr, daß sie schlechterdings den Augens, blick nach Paris abreisen müßte. Ohne Zweifel war das ein Donnerschlag für sie, weil sie in Pas ris im höchsten Grade lächerlich geworden war, und

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ihre Verwandte, die sie für nichts geringers als für eine`Rasende hielten, in der Nähe waren. Allein la Combe wollte sie einmahl los seyn, und vielleicht mochte man auch zu Turin damit umgehen, fie in Verwahrung zu bringen, genug fie mußte sich ents schließen, abzureisen; aber die Abreise gab der Spötterey eben so vielen Stoff, als ihre Herreise, weil der Mönch die Gefälligkeit hatte, sie bis nach Grenoble zu begleiten. Als sie daselbst ankam, ward sie mit einer Dame bekannt, welche im Ger ruche der Heiligkeit lebte, und ihr sagte, daß sie daselbst bleiben müsse, indem sich Gott hier durch. fie verherrlichen wollte. Da la Combe auch mit einstimmte, so sahe sie das als einen Befehl Got? tes an, that ihre Tochter in ein Nonnenkloster, und blieb da. Das Gerücht von ihren Abenteuern verbreitete sich bald durch die ganze Stadt, und es kamen täglich eine Menge Personen von allerley Denkungsarten, sie zu sehen, welches denn ein Balsam für ihre Eitelkeit war, zumahl da sie bey dieser Gelegenheit in den apostolischen Zustand vers sezt ward, so, daß sie eine Person- nur ansehen durfte, um sogleich den ganzen Zustand ihres Hers zens weg zu haben. Jedermann erstaunte, daß fie einem jeden in wenig Worten gerade das sagte, was sich für ihn schickte, und der Zulauf war so greß, daß sie von sechs Uhr des Morgens bis Abends acht Uhr nichts anders zu thun hatte, als von Gott zu reden. Es kamen aus entlegenen Ger genden Personen aus allen Stånden und Ger müthsartén an, die Wunderheilige zu sehen und zu

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