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Auf diese Art brachte er seine Zeit zu Seng) zu und schweifte außer der Rechtswissenschaft, welcher er eigentlich gewidmet war, in dem ganzen Gebiethe der menschlichen Kenntniffe ohne Führersumher, daher es denn kein Wunder war, daß er auf uns zählige Abwege gerathen mußte, zumahl da er jeßt schon die theosophische Grille hegte, daß alle, Wif fenschaften durch unmittelbare Eingebung des heit. Geistes müßten erlanget werden, und glücklich wäre er gewesen, wenn er nur bey solchen Spielwerken, als fein Wechselkuß und fein Wechselrad: waren, wåre stehen geblieben; allein die Zeit nahete heran da sein Hang zur Schwärmerey eine weit gefähr lichere Richtung bekommen sollte.,.8) 65 ***Kuhlmann glaubte nach einem drevjährigen Aufs fenthalte in Jena; durch eigenen Fleiß, oder viel mehr durch unmittelbare Offenbarung, so viele Kennt nisse erlanget zu haben, daß er mit Ehren Doctor werden könnte; allein er wollte diese Würde nicht in Jena, sondern in Holland annehmen. Er hatte schon lange eine geheime Neigung für dieses Land empfunden, und ohne Zweifel waren es die vielen Schwärmer, mit welchen dasselbe damals angefüt let war, welche diesen Trieb in ihm erweckten, Sein Kopf war bisher mit einzelnen mystischen Grillen angefüllet; allein da sie nur verworren waren, und noch kein System ausmachten, iso sehnte er sich nach einem völligen Aufschlusse, und diesen hoffte er nun in Holland zu finden, und hoffte auch in der That nicht vergebens. Er ging 1673, vermuthlich über Hamburg, nach Amsterdam,

Wó er den 3ten Sept. drey Tage vor der Erobes rung der Stadt Naerden landete, und sich wenig Tage, darauf nach Leyden begab Seine Ab

ficht war eigentlich, hier Doctor zu werden, und zugleich das Corpus Juris, welches alle Rechtsgel lehrte bisher nicht verstanden, auf eine ganz neue Art heraus zu gebell allein zum Unglück ward er hier mit Johann Rothen, einem, berüchtigter prophetischen Schwärmer bekannt, und gerieth das ben zugleich über Jacob Böhmens Schriften und Drabicii Prophezeihungen, wodurch sein ohnehin schon verschobener Kopf auf einmahl völlig verrückt wurde, so daß ihm nunmehr vor aller weltlichen Wissenschaft ckelte, und aus dem Sonderlinge nun? mehr ein erklärter Fantast der erßten. Größe ward. Ich will die Geschichte seiner Veränderung zuvor derst mit seinen eigenen Worten **) erzählen, weil daraus die Aufgeblasenheit, welche Leuten seines Gelichters so gewöhnlich ist, am deutlichsten erhels

Ich bin, heißt es, ein drey und zwanzig

*) Prodromus quinquennii mirabilis, S. 38. Juben Unschuld. Llachr. 1711, S. 758 with versichert, er sen von Jena nach Leipzig gegangen, und habe durch sein ungereimtes Disputiren gegen etliche Theologos den verworrenen Zustand feines Gemü thes deutlich an den Tag gelegt. Er habe

rühmt, daß auf beiden Universitäten niemand eine
Fragen beantworten können, welches aber dager
gerühret, habe, weil niemand, und vielleicht er
felbft nicht, fie verftanden habe. Er fich das
her nach Holland gewandt u f. f Allein ich
finde von diesem Auffenthalte zu Leipzig
andern Schriftsteller etwas

dahin gestellet seyn laffen.

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Feinemt

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daher

**) In der Zuschrift, feines begeisterten Böhme., Gesch. d. Narth. 5.B.

ist recht göttlich, ihre Worte sind wunderbar, die Hoheit unaussprechlich, ihre Redverdoppelungent unendlich, und scheinet unweislich andere Aus: länder Zungen mit ihr zuvergleichen, weil si mit teiner andern, als nur mit ihr selbsten übereins stimmet. Die Gottesmajestät hat auch deren Ents deckung unser Weltzeit vorbehalten, um desto auz genscheinlicher den Unterschied zu erkennen, der zwischen ihr und ihren Vorgängerinnen ist gewez sen u. f. f. Bald darauf, §. 15 klagt er über Bie vielen Neuerungen in der Orthographie zu seis ner Zeit. „Nichts ist, sagt er, heutiges Tages in der Hochteutschen Sprache verwirrter als die Rechtschreibung; nichts wird auch mehr gefoltert, durchhenkert und erfährt grausamere Neronen, dann die Buchstaben. Bald spricht diser so, bald ein ander so; bald schreiber ein Sprachgelährter auf solche Weise, bald auf eine andere: bald will wider einer die eckeln Buchstaben beurtheilen, verz bessern, theils erheben, theils ernidrigen, verstez het aber nicht, daß er von solchen so vil als Nichts „verstehet“ u. s. f. : Und doch ist auch er einer dieser Buchstabenhenker und Neuerer, indem er keine andere Sprachgründe für die Orthographie erken: nen will, als die Aussprache, aber dabey seiner schlesischen Aussprache folget, wie man aus dent obigen Stellen ersehen kann, in welchen ich ihm seine Orthographie gelassen habe. Er verspricht zugleich, mit der Zeit selbst eine ausführliche Lehr: art der deutschen Sprache auszuarbeiten; aber seine nachfolgenden Ausschweifungen brachten ihn sehr

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Bald von der Sprache eben so weit ab, als von ans dern Entwürfen. In eben derselben Vorrede gez denckt er noch §. 19 seines obigen Wechselkusses aus zwölf Reimzeilen, mit dessen Verseßung jemand 1200 Jahre zubringen könne, wenn er auch alle Tage tausend Reimzeilen schriebe, und versichert, daß er ein Wechselrad erfunden habe, vermittelst dessen man diese Verseßung tausend; und mehrfältig auf einmal verrichten könne, und verspricht sich da: von große Vortheile, nicht allein für die Sprache und Poesie, weil man nicht nur auf diese Art durch bloße mechanische Verseßung der Wörter und Buch: ftaben unzählige Gedichte machen, unzählige Bikk cher schreiben, und eine unendliche Menge neuer Wörter erfinden, sondern auch alle Weisheit in der Natur damit ergründen könne, weil ja in der Na tur ein ewiger Wechsel vorgehe, der sich durch sein Wechselrad eben so geschwinde auflösen und entlars ven laffe, als die Wörter in seinem Wechselkusse. Ich übergehe seinen Geschichtherold selbst, welcher in zwey Theilen achtzehn Erzählungen mit unters mischten moralischen Betrachtungen und Versen enthält. Diese seine Beschäftigung mit der deut fchen Dichtung erwarb ihm noch 1671 den Titek eines taiserlichen gekrönten Dichters *), ob ich gleich nicht sagen kann, von wem er den Lorber zunächst bekommen habe.

* Am Ende feines Geschichtberoldes befindet fich ein Schreiben Samuel Domarii zu Eperies vom 13 ten Jun. 1672, worin derselbe ihm zu demerlang ten adelichen kaiserlichen Dichternahmen Glück wünschet.

jähriger Jüngling, im Lutherthum gebohren und auferzogen, durch viel Krankheiten, Zufälle, „Trübsalen, und allerhand Unglück von Kindheit auf ziemlich geschwächet, und doch Gottlob! nie abgeschwächer. Meine Jugend ist im Studiren zugebracht, habe viel gearbeitet, gelesen, geschries ben, Bibliotheken besucht, die wahre Weißheit in manch tausend Büchern vergebens gesucher, ,, und aus Wissenschaftsliebe wenig Zeit gehabt mich um das Weltwesen viel zu bekümmern.

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Die Ursache meiner Reise nach Holland wat vers „gangnen Jahrs die Studirens: Fortseßung,

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gedachte ich das Justinianeische Rechts Corpus „sowohl Teutsch als Lateinisch in dessen eignen Lehrs art, welche in bilen hundert Jahren von allen Juristen nicht verstanden, heraus zu geben, um „den Juristen ihre Blindheit zu weisen in throng eigenen Rechts Corpus, ehe ich aus dem ewigen Rechtsgrunde die Rechtsweißheit ausarbeitete. Der Mensch denkts, Gott lenfts. Denn wie ich in dieser Bemüßigung mühsam war, so wis ‚derstund mir der: Herr gewaltsamdlich. Ein eins siges Jahr hatte ich dieser Arbeit bey mir zuges theilet, welche in so viel hundert Jahren alle Jus riften nie auszuarbeiten vermögend gewesen. Je mehr ich aber meinen Vorsatz fortseßte, je mehs „rern Widersaß empfand ich, daß auch die heilige „Lichtwelt, mit deren Licht ich umleuchtet war, sich „in ihrem Licht schattete, wenn ich fortführ.

Die Hauptverursachung war so heftiger Abs„haltung, weil allbereits der Tag inner wenig

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