Goethes Werke: Vollstandige Ausgabe letzter Hand, Band 5

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Seite 119 - Ach, um deine feuchten Schwingen, West, wie sehr ich dich beneide! Denn du kannst ihm Kunde bringen, Was ich in der Trennung leide. Die Bewegung deiner Flügel Weckt im Busen stilles Sehnen; Blumen, Augen, Wald und Hügel Stehn bei deinem Hauch in Tränen. Doch dein mildes sanftes Wehen Kühlt die wunden Augenlider; Ach, für Leid müßt ich vergehen, Hofft ich nicht zu sehn ihn wieder.
Seite 119 - Ist es möglich! Stern der Sterne, drück' ich wieder dich ans Herz! Ach, was ist die Nacht der Ferne für ein Abgrund, für ein Schmerz! Ja, du bist es, meiner Freuden süßer, lieber Widerpart! Eingedenk vergangner Leiden, schaudr' ich vor der Gegenwart. Als die Welt im tiefsten Grunde lag an Gottes ew'ger Brust, ordnet er die erste Stunde mit erhabner Schöpfungslust.
Seite 114 - Was bedeutet die Bewegung? Bringt der Ost mir frohe Kunde? Seiner Schwingen frische Regung Kühlt des Herzens tiefe Wunde. Kosend spielt er mit dem Staube, Jagt ihn auf in leichten Wölkchen, Treibt zur sichern Rebenlaube Der Insekten frohes Völkchen. Lindert sanft der Sonne Glühen, Kühlt auch mir die heißen Wangen, Küßt die Reben noch im Fliehen, Die auf Feld und Hügel prangen. Und mir bringt sein leises Flüstern Von dem Freunde tausend Grüße; Eh noch diese Hügel düstern Grüßen mich...
Seite 97 - Dieses Baums Blatt, der von Osten Meinem Garten anvertraut, Gibt geheimen Sinn zu kosten, Wie's den Wissenden erbaut. Ist es Ein lebendig Wesen, Das sich in sich selbst getrennt? Sind es zwei, die sich erlesen, Daß man sie als Eines kennt? Solche Frage zu erwidern, Fand ich wohl den rechten Sinn: Fühlst du nicht an meinen Liedern, Daß ich Eins und doppelt bin?
Seite 3 - Und sich nicht den Kopf zerbrachen; Wo sie Väter hoch verehrten, Jeden fremden Dienst verwehrten. Will mich freun der Jugendschranke: Glaube weit, eng der Gedanke, Wie das Wort so wichtig dort war, Weil es ein gesprochen Wort war.
Seite 8 - Irdsches denk und sinne, Das gereicht zu höherem Gewinne. Mit dem Staube nicht der Geist zerstoben, Dringet, in sich selbst gedrängt, nach oben. Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: Die Luft einziehen, sich ihrer entladen; Jenes bedrängt, dieses erfrischt; So wunderbar ist das Leben gemischt. Du danke Gott, wenn er dich preßt, Und dank ihm, wenn er dich wieder entläßt.
Seite 53 - Verweilst du in der Welt, sie flieht als Traum; Du reisest, ein Geschick bestimmt den Raum; Nicht Hitze, Kälte nicht vermagst du fest zu halten, Und was dir blüht, sogleich wird es veralten. Suleika spricht Der Spiegel sagt mir ich bin schön! Ihr sagt: zu altern sei auch mein Geschick. Vor Gott muß alles ewig stehn, In mir liebt Ihn, für diesen Augenblick.
Seite 103 - Locken, haltet mich gefangen In dem Kreise des Gesichts! Euch geliebten braunen Schlangen Zu erwidern hab ich nichts. Nur dies Herz, es ist von Dauer, Schwillt in jugendlichstem Flor; Unter Schnee und Nebelschauer Rast ein Ätna dir hervor. Du beschämst wie Morgenröte Jener Gipfel ernste Wand, Und noch einmal fühlet Hatem Frühlingshauch und Sommerbrand. Schenke, her! Noch eine Flasche! Diesen Becher bring ich ihr!
Seite 9 - Gleich steht ein Bogenrand Farbig beschattet. Im Nebel gleichen Kreis Seh ich gezogen, Zwar ist der Bogen weiß, Doch Himmelsbogen. So sollst du, muntrer Greis, Dich nicht betrüben, Sind gleich die Haare weiß, Doch wirst du lieben.
Seite 17 - Daß du nicht enden kannst, das macht dich groß. Und daß du nie beginnst, das ist dein Los. Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe, Anfang und Ende immerfort dasselbe, Und was die Mitte bringt, ist offenbar Das, was zu Ende bleibt und anfangs war.

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