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Serus inoffensum rettuleritque pedem.
At tu, Natalis multos celebrande per annos,
Candidior semper candidiorque veni!

2. (I, 10.) Krieg und Frieden.

Quis fuit, horrendos primus qui protulit enses?
Quam ferus et vere ferreus ille fuit!
Tum caedes hominum generi, tum proelia nata,
Tum brevior dirae mortis aperta via est.
At nihil ille miser meruit; nos ad mala nostra
Vertimus, in saevas quod dedit ille feras.
Divitis học vitium est auri; nec bella fuerunt,
Faginus adstabat cum scyphus ante dapes,

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63. Hier nennt der Dichter den Genius sofort Natalis, und dann in der stehenden Redensart candidior (glänzender, freudiger, glücklicher) veni wiederholt er zum Nachdruck das candidior. Auch Ovid. Trist. V, 5, 13 sagt: Optime Natalis opto candidus huc venias.

2. (I, 10.) Durch das ganze Gedicht zieht sich der Gegensatz zwischen Krieg und Frieden, nur dafs die Schrecknisse des Krieges weit kürzer geschildert werden als die Freuden und Segnungen des Friedens, wobei zugleich des Dichters Vorliebe für stilles Landleben sich wieder herrlich ausspricht. Dafs an die Teilnahme an dem Aquitanischen Feldzuge von Seiten des Dichters nicht im entferntesten zu denken ist, versteht sich von selbst, denn nichts deutet darauf hin. Tibullus hatte von Freunden oder hochgestellten Bekannten die Aufforderung erhalten, an einem Feldzuge Anteil zu nehmen, und spricht nun seine Abneigung gegen solche Teilnahme aus.

1. protulit] hervorbrachte, schuf; wie Horat. Epist. II, 3, 58 vom Ennius sagt: „nova rerum nomina protulit“, und Propert. II, 6, 31: „qui protulit arte jurgia".

2. Man beachte die Allitteration in ferus und ferreus, letzteres noch durch vere verstärkt.

4. dirae m. v.] der Weg zum grausigen, schrecklichen Tode, wie unten 4, 50: leti viae". Treffend vergleicht man Horat. Odar. I, 3, 32: „Semotique prius tarda necessitas Leti corripuit gradum“.

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5. meruit] im schlimmen Sinne, wie öfters: verschulden, was auch das folgende vitium zeigt; daher heifst der Erfinder der Schwerter miser, ein armer, unseliger, weil er an den möglichen Mifsbrauch nicht gedacht hatte. 6. quod] für id, quod, ganz allgemein, obgleich es eigentlich nur auf enses geht.

7. divitis] Davon trägt die Schuld das Gold, das reich macht, eigentlich: das ist Gebrechen, der Fehler des bereichernden Goldes; so finden wir dives gemma bei Propert. IV, 4 (5), 4 und grex dives unten 11, in der Überarbeitung Vs. 35.

8. Fag. scyphus] ein Becher (oxzúgos) aus Buchenholz, nicht, wie später, aus Silber oder Gold; also in jener früheren Einfachheit des Lebens, die auch Ovid. Metamorph. VIII, 669 schildert, vergl. mit Ovid. Fast. V, 522: ,Terra rubens crater, pocula fagus erant“.

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Non arces, non vallus erat somnumque petebat
Securus sparsas dux gregis inter oves.
Tunc mihi vita foret dulcis, nec tristia nossem

Arma nec audissem corde micante tubam.

Nunc ad bella trahor, et iam quis forsitan hostis
Haesura in nostro tela gerit latere.

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Sed patrii servate Lares! aluistis iidem,

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Cursarem vestros cum tener ante pedes.

Neu pudeat prisco vos esse e stipite factos;

Sic veteris sedes incoluistis avi.

Tunc melius tenuere fidem, cum paupere cultu
Stabat in exigua ligneus aede deus.

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Hic placatus erat, seu quis libaverat uvam

Seu dederat sanctae spicea serta comae;
Atque aliquis voti compos liba ipse ferebat

9. Damals brauchte man sein Eigentum, seine Wohnung nicht mit Mauern oder Pallisaden (Wällen) zu umgeben.

10. Statt des faden varias der Handschriften hat Baehrens einzig gut sparsas verbessert; der dux ist natürlich der Hirt.

11. tristia] Trauer, Schmerz erregend. Das foret kann man als Wunsch für fuisset gesetzt halten., Statt des albernen „vita foret, vulgi nec" der Handschriften und meisten Ausgaben hat Heinsius längst das einzig Richtige hergestellt.

12. corde mic.] indem mir das Herz zittert, zuckt.

13. trahor] Die kurze Endsilbe wird, nach gewöhnlicher Ansicht, durch die Hebung im dritten Fusse verlängert, besonders wenn man sich hier vor „et" eine kleine Pause im Vortrage denkt. Es kann aber Tibullus auch: ,,trahor, nunc jam" geschrieben haben.

14. latere finden wir noch zwei Mal bei Tibullus so gestellt, nämlich 5, 62 und (in der Überarbeitung von) 8, 66. Die Seite aber erwähnt der Dichter, jedenfalls die rechte, weil diese nicht wie die Brust durch das Schild gedeckt wurde.

15. Ihr Hausgötter, ihr Schützer des Hauses, die ihr mich als zartes Kind beschütztet, helft auch jetzt.

17. Schämt euch nicht, dass ich euch in eurer alten einfachen Gestalt, aus altem Holze, gelassen und nicht in eine kostbarere Gestalt versetzt habe; ihr seid dieselben wie zur Zeit meines Grofsvaters, meiner Ahnen. 19. tenuere] natürlich die Menschen. paupere cultu] bezieht sich sowohl auf den Stoff und das Äufsere als auch auf die ganze Art der Verehrung der Lares.

20. exigua-aede] in einem kleinen, winzigen Heiligtume, gewöhnlich im Atrium; doch zugleich beziehen sich die Worte auf die überhaupt kleine Wohnung des Menschen.

21. placatus] die Lares waren versöhnt, man hatte sich ihre Gunst durch dargebotene Gaben gewonnen.

22. Oder hatte er dem heiligen Haupte des Lar Kränze von Kornähren gegeben, also den Lar mit einem einfachen Kranze geschmückt.

23. Atque al.] Ja selbst dann, wenn Jemand seinen Wunsch schon erfüllt gesehen hatte (voti compos) und so ein gröfseres, kostbareres Opfer

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Hostiaque e plena rustica porcus hara.
Hanc pura cum veste sequar myrtoque canistra
Vincta geram, myrto vinctus et ipse caput.
Sic placeam vobis; alius sit fortis in armis,
Sternat et adversos Marte favente duces,
Ut mihi potanti possit sua dicere facta

Miles et in mensa pingere castra mero.

Quis furor est atram bellis arcessere mortem?

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darzubringen sich veranlafst sah, gab er, der damaligen Einfachheit angemessen, nur Opferkuchen und die ihn begleitende kleine Tochter eine reinliche, lautere Honigscheibe.

25. At gebraucht Tibullus öfters ganz wie das Hellenische allá beim Imperativ mit konklusiver Kraft: so denn; wohlan denn. Vgl. 4, 33. aerata tela, Geschosse, Speere mit eherner Spitze. Leider fehlt in allen Handschriften der hierher gehörige Pentameter und wenigstens noch ein Hexameter, wenn nicht sogar noch Mehreres. Pontanus füllte die Lücke so aus: Neu petat hostili missa sagitta manu Neu gladio celer instet eques; prosint mihi et aris Quaeque tuli supplex munera quaeque feram. Thure pio caleantque foci pinguisque trahatur Hostia de plena etc. - Kindscher versuchte: tela: Aequum erit agricolis parcere pauperibus. Hornae jam vobis fruges cum thure dabuntur Hostiaque etc. Andere, die keine Lücke annehmen wollten, schrieben: tela: Hostia erit plena etc.

26. plena] Der kleine Stall (hara) soll, durch der Laren Segen, voller Tiere sein. Das zahme Schwein des Landmanns (meist ein Ferkel) war ein sehr gewöhnliches Opfertier, für gewählter jedoch galt das Lamm und noch höher stand ein Kalb; vgl. 4, 33.

27. pura] mit reinlichem, neugewaschenem Gewande, wie es die Opfernden tragen mufsten; aufserdem waren sie meist selbst bekränzt und auch die Körbchen (canistra) zum Darbringen von Opfern und Speisen waren gewöhnlich mit Kränzen umflochten (vincta). Übrigens war die Myrte zunächst der Venus heilig, aber auch den Laren, wie man z. B. aus Horat. Odar. III, 23, 16 ersieht, der die „Deos parvos" (so nennt er die Laren) mit Rosmarin und zarter Myrte bekränzen läfst: ,,Parvos coronantem marino Rore deos fragilique myrto."

29. Sic] so in frommer und friedlicher Thätigkeit; in dieser frommen Beschäftigung wünsche ich zu leben; Andere mögen immerhin am Waffenspiel ihr Vergnügen finden.

30. adversos duces] die ihm gegenüberstehenden feindlichen Anführer, wodurch er sich die höchste Siegesbeute, die opima spolia, die Ehrenrüstung erwirbt.

31. potanti] Er mag mir dann beim Trinkgelage auch meinetwegen als Prahlhans seine grofsen Kriegsthaten erzählen und das Lager (wie es beschaffen) mit Wein (statt mit Kreide) auf dem Tische vorzeichnen, hinmalen. Ganz ähnlich sagt Ovid. Heroid. I, 31: „Atque aliquis posita monstrat fera proelia mensa, Pingit et exiguo Pergama tota mero."

33. Ich finde, dafs ein solches Leben an Raserei grenzt, da es den Tod herausfordert, der doch so schon jedem droht und unbemerkt herbei

Imminet et tacito clam venit illa pede.

Non seges est infra, non vinea culta, sed atrox

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Cerberus et Stygiae navita turpis aquae;

Illic exustisque genis ustoque capillo

Errat ad obscuros pallida turba lacus.

Quam potius laudandus hic est, quem prole parata
Occupat in parva pigra senecta casa!

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Ipse suas sectatur oves, ac filius agnos,

Et calidam fesso comparat uxor aquam.

Sic ego sim, liceatque caput candescere canis,
Temporis et prisci facta referre senem.

Interea pax arva colat. Pax candida primum

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kommt mit allen Schrecknissen, die ein gemütliches Leben nicht aufkommen lassen.

35. infra] in der Unterwelt, apud inferos.

atrox hat Baehrens sehr

sinnig für das unpassende audax der Handschriften verbessert.

36. Der navita turpis ist der dem lebensfrohen Jünglinge nur hässlich erscheinende Charon, der Fährmann der Unterwelt, den auch Virgilius Aeneid. VI, 299 ein Wesen „terribili squalore“ nennt, dem „sordidus ex humeris nodo dependet amictus".

37. Die bleiche, fahle Schar der Gestorbenen irrt an den mit Dunkel bedeckten Seeen in der Unterwelt mit vom Feuer verzehrten Wangen und Haupthaare umher, in welchem Zustande sie nach der Verbrennung auf der Oberwelt erscheint. Statt exustisque haben die Handschriften teils percussisque teils perculsisque, eine wohl perscissisque, was Alles unpassend ist und nur durch haarsträubende Erklärungen zu einigem Sinne gebracht werden kann. Rigler vermutete pertostis, ohne das Wort anderwärts nachweisen zu können.

40. pigra] wenn es überhaupt von Tibullus herrührt, kann nur auf das hohe Alter bezogen werden, in dem der Mensch nicht mehr so flink und ruhig ist wie in dem Jünglings- und Mannesalter. Gerade so sagt die Amme der Myrrha bei Ovid. Metamorph. X, 396: „non est mea pigra senectus." Pigra aber mit Einigen als Prädikat zu „occupare" aufzufassen ist doch zu abgeschmackt.

41. Ipse] Wie oben Vs. 23 der ipse (Hausherr) der filia, so steht er hier dem filius und der uxor gegenüber. Sectari haben wir hier in seiner ursprünglichen Bedeutung: überall und mit Eifer begleiten, immer nachgehen.

42. calidam] und wenn er von seiner Arbeit auf dem Felde heimgekehrt ist, bereitet ihm sein Weib ein erquickendes warmes Bad.

43. cand. canis] das Haupt beginnt weifslich zu glänzen von den grauen Haaren des Greises, der gern von den vergangenen Tagen den Seinen erzählt. Übrigens finden wir wie hier so auch anderwärts licet absolut (ohne den Dativ der Person) mit dem Accusat. c. Infinit. verbunden, so Virgil. Eclog. 1, 40: „Neque servitio me exire licebat Nec tam praesentes alibi cognoscere divos;" und bei Cicero Epist. ad Famil. VI, 21, 2: „Utinam liceat aliquando aliquo rei publicae statu nos frui.“

45. Interea] Während der Zeit des so geführten Landlebens pflege (erquicke) die Fluren der Frieden, der dann candida ein glänzender, d. h.

Duxit araturos sub iuga panda boves,
Pace bidens vomerque vigent, at tristia duri
Militis in tenebris occupat arma situs.
Pax aluit vites et sucos condidit uvae,
Funderet ut nato testa paterna merum.
Rusticus e luco revehit, male sobrius ipse,
Uxorem plaustro progeniemque domum.

Sed Veneris tunc bella calent, scissosque capillos
Femina perfractas conqueriturque fores;

Flet teneras subtusa genas, sed victor et ipse

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freudiger, glücklicher genannt wird. Nach des Dichters Ausdruck thut der Frieden selbst das, was im Frieden durch seine Einwirkung geschieht; er führt die Rinder zum Pflügen unter das gekrümmte Joch.

47. Dieses Distichon steht in den Handschriften und meisten Ausgaben nach dem nächstfolgenden, gehört aber hierher, wie schon mehrere Gelehrte gesehen haben. Wer das nicht billigt, nimmt eine Lücke nach „occupat arma situs“ an, hilft aber damit wenig und ohne Not. vigent] während die zweizackige Hacke (Karst) und die Pflugschar sich im Frieden regen, blühen (d. h. in voller Thätigkeit und somit blank sind), nimmt das (ruhige) Liegen, d. h. Rost, Moder die Waffen des rauhen Kriegers in Besitz und verunstaltet sie.

49. condidit] In Friedenszeit kann der Weinbau gedeihen und der Landwirt der Rebe Saft in Fässern bergen (condidit, nämlich,,testis“), aus denen noch die Kinder trinken können.

50. Den Gedankengang der folgenden Verse giebt am einfachsten und richtigsten F. W. Richter also: „Die segensvolle Thätigkeit des Friedens läfst den Dichter jener Feste gedenken, welche die Landleute nach den Mühen ihres Tageswerkes in Hainen, d. h. Bezirken der Götterwohnungen, mit behaglicher Fröhlichkeit nicht ohne Wein zu feiern pflegten. Nach solchen Festen wurden wohl auch so manches Mal Kriege, Kämpfe geführt, aber andere als die, welche der Dichter verabscheut; da entbrennen, sagt er, zwischen Liebenden Kriege vom Bacchus erzeugt und von Amor genährt; da werden nicht Festen erstürmt und zerstört oder Blut vergossen, sondern Haarschmuck zerrauft, Thüren erbrochen und Mädchenwangen geschlagen; aber kein Sieger triumphiert, sondern wer solche Frevel im Bacchischen Taumel verübte, beweint seine Raserei aus Reue. Und ein hartherziger Sünder ist auch, fügt der Dichter noch bei, ein Jeder, welchen die Wut verleiten kann, seine Geliebte zu schlagen".

Statt

51. e luco rev.] Der Landmann fährt selbst nicht ganz nüchtern (das ist eben male, für das prosaische minus, non admodum, wie bei Ovid. Fast. VI, 785 und bei Horat. Satir. II, 5, 45: „filius male validus" = parum firma valetudine) aus einem Haine, wo er das Fest irgend eines ländlichen Gottes gefeiert hat, sein Weib und seine Kinder nach Hause. revehit, was Carrio mit Recht schrieb, liest man gewöhnlich „lucoque vehit“. 53. Allerdings fehlt es an Kriegen auch im Frieden nicht ganz, aber sie sind anderer Art als jene verabscheuten; es sind Liebeshändel, wie sie die Eifersucht erzeugt. calent] glühen, entglühen, d. h. werden hitzig betrieben; vom Wein erhitzt läfst man sich zum Streite verleiten. Auch Cicero in den Epist. ad Attic. IV, 16, 11 (IV, 18, 3) sagt: „Hoc tamen agitur severius, itaque judicia calent". Man vergl. noch oben Vs. 47 „vigent“.

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