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Crede mihi, propera; nec te iam, Phoebe! pigebit
Formosae medicas applicuisse manus.

Effice, ne macies pallentes occupet artus,
Neu notet informis candida membra color,

Et quodcumque mali est et quidquid triste timemus,
In pelagus rapidis evehat amnis aquis.
Sancte! veni tecumque feras, quicumque sapores,
Quicumque et cantus corpora fessa levant;
Neu iuvenem torque, metuit qui fata puellae
Votaque pro domina vix numeranda facit.
Interdum vovet, interdum, quod langueat illa,
Dicit in aeternos aspera verba deos.

Pone metum, Cerinthe! deus non laedit amantes.
Tu modo semper ama; salva puella tibi est.
Nil opus est fletu; lacrimis erit aptius uti,

Si quando fuerit tristior illa tibi.

At nunc tota tua est, te solum candida secum

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3. Glaube mir, traue meinen Worten; ich rufe dich nicht ohne Not an. 4. medicas] die heilenden Hände an das schöne Mädchen gelegt zu haben; auch Virgil. Georg. III, 455 sagt: „Dum medicas adhibere manus ad vulnera pastor Abnegat".

5. macies] Magerkeit, Abmagerung, Abzehrung. - pallentes] die blassen, bleichen Glieder in Besitz nehme, erfasse.

6. notet] zeichne, d. h. entstelle; informis color ist eigentlich eine ungestaltete, also eine häfsliche, widrige Farbe. Das candida aber, was schon in der geringeren Klasse der Handschriften sich findet, wird jetzt allgemein mit vollem Rechte statt des pallida der besseren Handschriften geschrieben, das jedenfalls schon früh durch die Nachlässigkeit der Abschreiber aus dem vorhergehenden pallentes entstand.

8. Der Flufs soll mit seinem reifsenden Gewässer das Übel mit sich fortführen (evehere eigentlich aus dem Körper heraus- und fortführen). Anderwärts wird den Winden diese Aufgabe zugeteilt. Beides sind sprichwörtliche Redensarten, die auch bei den Hellenen üblich waren Bá eis dwp) und eben weiter nichts bezeichnen, als dafs das Übel rasch schwinden möge.

9. quicumque] bringe mit dir herbei alle sapores (schmackhafte Sachen, Süfsigkeiten, dann wie hier) Kräutertränke und alle Gesänge, d. h. Zauberund Heilformeln, in welchem Sinne cantus öfters, besonders bei den Dichtern, vorkommt. Fessa heifsen die Glieder, insofern sie von der Krankheit angegriffen, geschwächt sind, also = aegra.

11. Aber nicht bloss dem kranken Mädchen soll Phöbus helfen, sondern, eben dadurch, auch den Jüngling von der Qual und Angst befreien (der Dichter sagt: foltere, peinige den Jüngling nicht). Fata, Schicksale, Geschicke, sagt der Dichter in mildernder Weise für mors.

13. quod lang.] weil sie durch Krankheit matt ist, also leidet und zwar, was aus dem ganzen Zusammenhange hervorgeht, länger krank ist.

18. tristior] zu traurig, finster, und hier in Bezug auf das Liebesverhältnis zu zornig gelaunt.

19. candida] heifst hier nicht: „als eine glänzende“ sondern „als eine

Cogitat, et frustra credula turba sedet.

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Phoebe! fave; laus magna tibi tribuetur in uno
Corpore servato restituisse duos.

Iam celeber, iam laetus eris, cum debita reddet
Certatim sanctis laetus uterque focis.

Tunc te felicem dicet pia turba deorum,
Optabunt artes et sibi quisque tuas.

18. (IV, 6.)

Natalis Iuno, sanctos cape turis acervos,

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aufrichtige, redliche"; für uns ist hier das Adverbium das Angemessenere: sie denkt redlich, mit ehrlicher Gesinnung nur an dich.

20. credula] die leichtgläubige Schar, d. h. eine Anzahl von Anbetern des Mädchens, die sich geliebt wähnen, sitzt, d. h. harrt vergebens auf ein Zeichen der Gunst und Erhörung ihrer Wünsche, weil sie nur dich redlich liebt und nur an dich denkt. Credulus steht gerade so bei Horat. Od. I, 5, 9: ,,qui nunc te [puella a se amata] fruitur credulus". Sedere hebt das Ausharren, das unverdrossene Warten hervor.

21. tribuetur] dir wird das grofse Lob erteilt werden, man wird von dir rühmen, dafs du durch den (eigentlich: in dem) einen erhaltenen Körper zwei erhalten (restituisse, in die frühere Lage versetzt) habest, indem du dem Mädchen die Gesundheit, dem Geliebten derselben Seelenruhe und Freude verliehest. Mit dieser Stelle hat man schon längst Ovid. Amor. II, 13, 15 verglichen, wo Isis angefleht wird: „Huc adhibe vultus et in una parce duobus; Nam vitam dominae tu dabis, illa mihi“. Das Gegenteil haben wir bei Horat. Od. II, 17, 8: ille dies utramque ducet ruinam", d. h. wenn du Mäcenas stirbst, so sterbe ich mit dir. Nach diesem Distichon folgt in den Handschriften das schon von der zweiten Aldina nach dem achten Distichon eingefügte: „Nil opus est etc."

23. celeber] steht hier wie 8, 65 in der Bedeutung,celebratus", gefeiert; du wirst von beiden Liebenden mit Gebeten und Öpfern gefeiert werden, und du wirst fröhlich sein, wenn etc.; denn nach der Vorstellung der Römer wie Hellenen freuten sich die Götter über die Lobpreisungen ihrer Verdienste. debita] das Schuldige, den schuldigen Dank abstatten werden deinen heiligen Altären certatim, um die Wette, mit allem Eifer, und zwar laetus, mit treffender Rücksicht auf das Vorhergehende.

25. Sogar die anderen Götter (turba deorum, die Schar der Götter, ein Ausdruck, der nur vereinzelt von den Göttern vorkommt) werden dich glücklich preisen wegen dieser Rettung zweier Liebenden und wünschen, dafs auch sie deine Heilkunst besäfsen.

18. (IV, 6.) Der Dichter feiert den Geburtstag der Sulpicia dadurch, dafs er sich bittend an die Juno wendet, sie möge das liebende Mädchen beschützen und ihr, selbst gegen den Willen der Mutter derselben, den innig geliebten Jüngling in treuer Liebe erhalten und zum Gatten geben.

1. Juno, sagt Preller, eine weibliche Macht des Himmels und des himmlischen Lichtes, spezieller des neuerscheinenden Mondes, ist zugleich Geburtsgöttin und die weibliche Göttin schlechthin, als himmlische Matrone und Königin, in welcher Bedeutung sie neben dem ,, Juppiter rex als ,, regina" verehrt wurde. Die Geburt des Lichtes aus dem Dunkel ward den Alten immer zur Allegorie der Geburt und der Entbindung überhaupt.

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Quos tibi dat tenera docta puella manu.
Culta tibi est hodie, tibi se laetissima compsit,
Staret ut ante tuos conspicienda focos.
Illa quidem ornandi causas tibi, diva! relegat;
Est tamen, occulte cui placuisse velit.
At tu, sancta! fave, ne quis divellat amantes,
Sed iuveni quaeso mutua vincla para.
Sic bene compones; ullae non ille puellae
Servire aut cuiquam dignior illa viro.

Nec possit cupidos vigilans deprendere custos,
Fallendique vias mille ministret Amor.
Annue purpureaque veni perlucida palla;

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Vergl. 29, 11. Daher hatte jede Frau und jedes Mädchen so gut ihre Juno wie jeder Mann seinen Genius, opferte am Geburtstage derselben und schwur bei ihr. sancti heifsen die Haufen (acervi) des Weihrauchs (der massenhaft auf den Altar zum Verbrennen gelegte Weihrauch), weil diese Gaben der Gottheit dargebracht werden. Auch bei Tibullus 11, 6 hiefs es: „Dum cumulant aras“. Jedenfalls hat der Dichter nicht honores, wie einige interpolierte junge Handschriften haben, geschrieben, sondern absichtlich das seltenere acervus gewählt, um die Gröfse der Opfergabe, die das liebende Mädchen darbrachte, nachdrücklich hervorzuheben.

2. docta] haben die neueren Erklärer mit vollem Rechte auf die geistige Begabung der Sulpicia, die auch selbst dichtete, bezogen, und Gruppe erklärt es daher durch: „eine gelehrte Dame". Ihr gehören die nachfolgenden fünf Liebesbriefchen.

3. Culta t. e.] schrieb Baehrens statt Tota tibi est der Handschriften; vergl. 15, 1. Canterus wollte „Lota t. e." und Guiet schrieb: Tota tua est. Also: sie hat ihr Festgewand dir zu Ehren (tibi) angelegt und auch ihr Haupthaar in ihrer freudigen Erregung zierlichst geordnet.

4. conspic.] als eine, die die Blicke der Umstehenden auf sich zieht; gerade so bei Tibull. 6, 70; ähnlich ist auch „veneranda" 15, 10. Focus ist der Opferherd, also

=

Altar.

5. ornandi cau.] die Veranlassung zu ihrer Schmückung relegat tibi, schiebt sie dir zu, trägt sie auf dich über, d. h. sie giebt vor, dafs sie nur deinetwegen sich so geschmückt habe. Relegare nur hier dichterisch mit dem Dativ, sonst in gleicher Bedeutung mit ad oder in aliquem, aliquid. 6. Es giebt jedoch Jemanden, dem sie im Verborgenen, hier ihrem Herzen, zu gefallen (placuisse aoristisch) wünscht. Dies zeigen

Vs. 15-16 noch deutlicher.

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in

8. Aber thue noch mehr, verhüte nicht blos die Trennung der Liebenden, sondern mache auch die Liebe zu einer gegenseitigen (mutua).

9. Und thust du das, so ordnest du Alles trefflich, denn etc. ist ältere Form für ulli.

ullae

11. cupidus bezeichnet öfters den, welcher von heftiger Liebe zu Jemandem entbrannt ist; vergl. z. B. 29, 51 und Ovid. de art. amandi III, 88: ,Gaudia nec cupidis vestra (i. e. feminarum) negate viris“. Juno soll also dafür sorgen, dafs nicht der wachsame Hüter (des Mädchens) die Verliebten ertappe.

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13. Die Göttin soll in purpurfarbenem, weitem und faltenreichem Obergewande, der palla, erscheinen, welche die Römischen Frauen trugen, wenn

Ter tibi fit libo, ter, dea casta! mero.
Praecipit en natae mater studiosa, quod optat;
Illa aliud tacita, iam tua, mente rogat.

Uritur, ut celeres urunt altaria flammae,

Nec, liceat quamvis, sana fuisse velit.

Diva! veni grata, ut vertet cum proximus annus,
Hic idem votis iam ratus exstet amor.

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sie ausgingen. Mit diesem mantelartigen Gewande sehen wir die Frauen auf Bildnissen in der mannigfachsten Art bekleidet. In diesem Gewande soll Juno als perlucida (pellucida) erscheinen, als sehr glänzende, strahlende (das per verstärkt das lucidus), nicht aber, wie es die Meisten verstehen, durchsichtig oder durchschimmernd, was hier wenigstens sehr abgeschmackt wäre.

14. libo-mero] dreimal wird dir mit Kuchen (Fladen), dreimal mit lauterem Weine geopfert, drei Kuchen und drei Weinspenden beim Opfer dargebracht. Fit, nämlich sacrum, aliqua re ist stehende Redensart vom Darbringen eines Opfers.

15. Um diese Worte richtig zu verstehen, mufs man sich vergegenwärtigen, wie der Dichter die Opfernde darstellt. Sie bringt nach heiliger Sitte das gebührende Geburtstagsopfer der Juno und neben ihr steht die Mutter, die ebenfalls an diesem Tage der Juno ihre Gebete darbringt. Deshalb mufs das Mädchen ihr Gebet allerdings nach den Wünschen der Mutter einrichten; der Dichter sagt: Siehe! die sorgsame, eifrige Mutter gebietet ihr, schreibt oder sagt ihr vor, was sie von der Göttin sich als Gnade erbitten soll (mater praecipit filiae id, quod ipsa [mater] optat). Aber die Tochter, die der Dichter jam tua (wie Baehrens statt des matten „sua" schrieb) d. h. eine ganz dir, dem Geliebten, angehörige nennt, erfleht von der Göttin „tacita mente" (oben Vs. 6 sagt er,,occulte"), also im Geiste, ohne es laut auszusprechen, etwas Anderes.

17. Uritur] sie wird gebrannt, ist entflammt, glüht in Liebe, so heftig und leidenschaftlich, wie die schnellen Flammen die Altäre verbrennen, d. h. wie die Flamme schnell die auf dem Altare dargebrachten Opfergaben verzehrt.

18. sana, gesund, d. h. von dieser Liebesglut befreit; fuisse aoristisch. 19. In dieser Stelle, wo die Handschriften nur Sinnloses geben, nämlich: Si juveni grata veniet c. pr. an" oder „Sis juveni grata etc." und Ähnliches, haben die Kritiker mancherlei versucht; ich habe die Verbesserung von Baehrens aufgenommen, auch das in den Handschriften fehlende „ut“ (während Gruppe et oder ac wünschte) und im folgenden Verse mit demselben Gelehrten „ratus exstet" statt vetus esset" oder „vetus adsit“ der Handschriften. vertet, sich dreht, wendet, vom Kreislaufe der Jahre, also schliesslich gleich mit „redibit“.

20. ratus ist der „amor", unabänderlich, zuverlässig, nicht mehr, wie jetzt, ein unsicherer, weil heimlicher; und das ist er votis, für die Gelübde und Gebete beim Beginne des folgenden Jahres.

Anhang.

19. (IV, 7.) Fünf Liebesbriefchen der Sulpicia an Cerinthus nebst Einleitung.

Tandem venit amor, qualem texisse pudore
Quam nudasse alicui sit mihi fama minor.
Exorata meis illum Cytherea Camenis

Attulit in nostrum deposuitque sinum.
Exsolvit promissa Venus; mea gaudia narret,
Dicetur si quis non habuisse sua.

Non ego signatis quicquam mandare tabellis,

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19. (IV, 7.) Dieses kleine Gedicht bildet die Einleitung zu den folgenden Liebesbriefchen der Sulpicia. Das Mädchen sagt, dafs sie endlich einen Geliebten gefunden habe, der ihrer ganz würdig sei und den geliebt zu haben und noch zu lieben sie sich nicht schäme.

1. Das erste Distichon bietet in den Handschriften „fama magis", was die Italienischen Kritiker in „fama minor" verbesserten, um einen passenden Sinn zu erhalten. Einige nahmen „pudori_(sc. sit)“ in den Text auf und glaubten so Schöneres gegeben zu haben. Da das Gedichtchen, wie gesagt, eine Art Einleitung zu den folgenden bildet, so kann es nur am Schlusse des ganzen Ganges dieses Liebesverhältnisses gedichtet sein und damit ist auch der Gedanke des ersten Distichons bestimmt. Sie hat endlich einen Geliebten gefunden, dessen sie sich nicht zu schämen braucht, und das, was sie immer wünschte, ist geschehen, der Geliebte ist ihr eigen geworden; das Band der Liebe ist ein dauerndes (man könnte das Gedichtchen mithin auch als Schlufs der vorhergehenden Elegien fassen). Sulpicia sagt also: die fama, amorem suum propter pudorem texisse, sei minor für sie als die fama, amorem aliis narrasse. Endlich ist Amor so hold mir genaht, dafs scheu ihn verdecken minder geschähe mit Ruhm, als ihn verhüllen der Welt" übersetzt Richter. Durch die voranstehenden Worte erhält „fama“ die Bedeutung von „cura“, es macht mir geringere Sorge. nudare mit dem Dativ der Person ist sehr selten; Rigler führt dafür an Ovid. Amor. II, 5, 5: „Non mihi deceptae nudant tua facta tabellae".

3. illum] d. h. den geliebten Jüngling, wie das Folgende zeigt. Diesen hat Venus, die hier von der ihrem Kultus besonders huldigenden Insel Cythera (im Süden der Peleponnesos) Cytherea genannt wird wie bei Horat. Od. I, 4, 5 durch meine Camenae (wie die Musen, die zum Gesange begeistern, oft genannt werden) d. h. hier: durch meine Gesänge, Gedichte, Gebete erbeten (bewogen) mir gebracht (attulit) und in unseren Schofs gelegt, d. h. mir ganz übergeben.

5. narret] d. h. Anderen mitteilen und somit bekanntmachen.

6. sua (was die bessere Schreibung ist statt suam oder gar suum), nämlich „gaudia“.

7. Nicht wünsche ich Etwas (meine Gedanken) versiegelten Täfelchen (meistens von Wachs, durch den aufgedrückten Siegelring verschlossen) anzuvertrauen, damit es ja Niemand (ne-nemo nicht bejahend sondern stark

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