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luntatem eorum" 1), denn die Wahrung des bestehenden Rechtes war überhaupt Pflicht eines Königs.

Aber Heinrich erkannte doch das Wahlrecht der Sachsen an und gab die Erklärung ab, dass er nur mit ihrer Einwilligung erschienen sei? Wenn in dem oben im Urtext mitgetheilten Satze nur nicht das Wörtchen „,quia" stünde! Man mag den ganzen Thietmar von Anfang bis zu Ende durchblättern: quia bedeutet bei ihm immer nur: weil. Will er den Accusativ mit Infinitiv umschreiben, braucht er: quod 2). Wird also demgemäss übersetzt, so kommt ein ganz anderer Sinn heraus. Das Object zu affirmo wird quomodo placet. Der König erfüllt das Begehren der Sachsen, weil sie sich ihm freiwillig unterworfen haben, keinen Widerstand leisteten 3). Er steht bereits da ,,hac regali dignitate honoratus"; er handelt also als König. Auch das „salvo honore regni" erhält nur so richtigen Sinn, wie die ganze Rede folgerechten Gedankengang zeigt.

Das Volk dankte, von irgend einer jetzt folgenden Wahlhandlung sagt Thietmar nichts. Vielmehr überreicht nunmehr ohne weiteres Herzog Bernhard die Lanze. Diese war im Besitz des Königs; Heinrich hatte sie demnach vorher dem Herzoge übergeben, damit dieser in feierlicher Form die Anerkennung darthun konnte 4).

Die Sachsen leisteten also freiwillige Anerkennung und mehr als diese ist aus Thietmar nicht zu erkennen, wenn er auch dafür den herkömmlichen Ausdruck electio" braucht.

1) Wipo c. 6.

2) Neben mehr als hundert Stellen, in denen quia unzweifelhaft ,,weil" bedeutet, findet sich eine einzige, in der es für den Accusativ mit Infinitiv steht: IV c. 28: „,per quem quia plurima deus faciat mirabilia, plures affirmant". Doch steht hier im abhängigen Satze der Conjunctiv; vielleicht klang dem Schriftsteller „,quem quod“ zu hart.

3) Es ist vielleicht der Erwähnung werth, dass der Annalista Saxo. (Scr. VI, 649) auch quia als „weil" auffasste. Er lässt aus die Sätze Thietmars: unde desidero und et ut certi affirmo, verbindet also:

et ideo vos

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libet conservare, quia non rennuentibus etc.

4) Auch Erzbischof Willigis hatte bei der Krönung in Mainz die ihm vorher vom Könige anvertraute Lanze überreicht, Scr. IV, 775.

Derselbe Hergang, wie in Sachsen, wiederholte sich nachher in Duisburg. Auch hier sagt Thietmar von den sich unterwerfenden Bischöfen: ,,eligentes fidemque sacramentis firmantes usque ad Aquasgrani eundem comitantur". Dort wird Heinrich „a primatibus Liuthariorum in regem collaudatur" und auf den Königsstuhl gesetzt 1).

Alles in Allem genommen bedeutete die Thronbesteigung Heinrichs einen Erfolg des Erbrechtes, und wenn er nicht schneller eintrat, so hing das an besonderen Ursachen.

Der Tod Ottos III. war völlig unerwartet eingetreten. So lag es nicht, dass nun Heinrich sofort allgemein als selbstverständlicher Nachfolger anzusehen war, obschon die gleichzeitigen Schriftsteller sich öfters so ausdrücken, als sei das Reich ganz erblich gewesen 2). Heinrich war zudem mit Otto III. nur entfernt verwandt, da er mit ihm in Heinrich I. einen gemeinsamen Urgrossvater hatte, und es gab noch Nachkommen Ottos I., wenn auch nur in weiblicher Linie, doch hatte von diesen der nächstberechtigte, Herzog Otto von Kärnthen, verzichtet. Wenn man auch gewöhnt war, den Sohn folgen zu sehen, so kam eine soweit darüber hinausgehende Erbtheorie gewiss nicht schnell zur allgemeinen Auffassung. Auch wurden gegen Heinrichs Persönlichkeit Einwürfe erhoben. In jedem Falle war ein Ausspruch der Fürsten nöthig. Er hatte noch bei keiner Designation gefehlt; war er auch in den letzten Jahrzehnten fast eine Formalität geworden, das Zustimmungsrecht der Grossen bestand noch.

So ist nicht zu verwundern, dass allenthalben Unsicherheit herrschte, was geschehen sollte. Merkwürdiger Weise erfolgte nicht, was uns als das nächstliegende erscheint, der Zusammentritt eines Reichstages. Denn wäre eine Reichsversammlung einberufen worden, müsste Thietmar, der alles so genau erzählt, davon berichten. In dieser Hinsicht liegt allerdings ein auffallender Unterschied gegen hundert Jahre früher, als Ludwig das Kind gestorben war. Aber vielleicht kein Rückschritt,

1) Vgl. Abschnitt XII über die Laudatio.

2) Maurenbrecher 69.

eher ein Fortschritt. Seit jener Zeit war das Königthum so erstarkt, dass ihm allein die Führung in solchen Dingen zukam, und nun wo sie fehlte, fehlte auch guter Rath. Feste und geläufige Formen für eine Wahl ohne Zuthun des Königs waren nicht vorhanden, und auf diesen Umstand möchte ich das grösste Gewicht legen. Sie hatten sich bei der zur Gewohnheit gewordenen Art der Thronfolge nicht bilden können, und was früher etwa davon bestanden hatte, war in Vergessenheit gerathen. Zwar ist die Vermuthung zulässig, dass Heinrich selbst eine allgemeine Versammlung nicht wünschte, weil er seines Erfolges nicht gewiss war, aber hätten sichere Normen vorgelegen, wäre es auch ohne ihn zu einer solchen gekommen. So blieb nun den einzelnen Reichstheilen überlassen, sich selbständig zu entscheiden, und daher konnte es geschehen, dass ehrgeizige Bewerber auftraten.

Auffallend ist, dass Heinrich sehr zögernd vorging und lange Zeit verstreichen liess, ehe er nach Mainz zog. Auch sein Mitbewerber, Herzog Hermann von Schwaben, hat sich, so weit wir wissen, von den Seinen nicht zum Könige ausrufen lassen; beide wollten es wahrscheinlich zu Anfang auf Verhandlungen und den Ausgang eines Kampfes ankommen lassen. Da hat Heinrich den Entschluss gefasst, vorläufig die Anerkennung einzelner Gebiete einzuholen und sich daraufhin krönen zu lassen. Wie die Wahl in Mainz vor sich ging, wird nicht näher erzählt; da lauter Anhänger Heinrichs dort zugegen waren, mag der Verlauf ein sehr einfacher gewesen sein. Aber die Mainzer Krönung wirkte; von diesem Augenblicke an nennt Thietmar den Baiernherzog König. Nun kam Klarheit in die Lage; schnell fand Heinrich Anerkennung in Thüringen, Sachsen und Lothringen, und auch Hermann fügte sich.

Das Erbrecht kam zum Siege. Es war freilich nicht so stark, dass es gleich den Ausschlag gegeben hätte, aber die Anerkennung, oder wenn man lieber sagen will, die Wahlen richteten sich nach ihm, sobald die anfängliche Verwirrung überwunden war. Hat man in den damaligen Vorgängen einen Beweis erblicken wollen, wie wenig fest noch das Reich gefügt war, so scheint mir eher, dass das geschichtliche Bewusstsein

des Zusammenhanges über die Unsicherheit des Rechtszustandes und über die mangelhaften Rechtsformen triumphirte.

Heinrich hat nachher in einer Urkunde gesagt: ,,ut deo praeside concors populorum et principum nobis concederetur electio et hereditaria in regnum sine aliqua divisione successio" 1). Damit wird das Verhältniss gut bezeichnet und die an sich widersprechenden Begriffe Wahl" und "Erbfolge" sind in richtige und den Sachverhalt treffende Beziehung zu einander gesetzt.

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1) Stumpf 1341. Unter ,,divisio" ist wohl nicht eine Theilung des Reiches zu verstehen, sondern die Wendung soll die,,concors electio" noch kräftiger hervorheben.

VI. Die Wahl Konrads II.

Es war natürlich, dass trotz des glücklichen Ausganges die Störung der regelmässigen Nachfolge den Einfluss der Fürsten auf die Besetzung des Thrones neu belebte. Und unglücklicherweise traf es sich, dass auch Heinrich II. keine Kinder beschieden waren, mit ihm der Mannesstamm der sächsischen Kaiser erlosch. Seine Kränklichkeit legte frühe den Gedanken an sein Abscheiden nahe; man konnte demnach mit Benutzung der gemachten Erfahrungen rechtzeitig erwägen, was nach dem Tode des Kaisers geschehen sollte, um neue Verwirrung zu vermeiden. Daher erfolgte die Bestellung eines Nachfolgers in ganz anderer und schnellerer Weise, als wie Heinrich II. die Herrschaft erlangt hatte. Nicht, weil letzterer die Reichseinheit so viel fester angezogen hätte, sondern weil sein Tod nicht so unerwartet kam, wie der Ottos III., zeigte sich jetzt eine bessere Ordnung der öffentlichen Dinge.

Mit der Wahl Konrads II. steht es ähnlich, wie mit der seines Vorgängers; auch für sie sind wir im wesentlichen auf einen einzigen Bericht angewiesen, auf den Wipos. Er ist zum litterarischen Gemeingut geworden, denn die bekannte Dichtung Uhlands „Die Kaiserwahl", ein Stück aus seinem Trauerspiel „Ernst von Schwaben", giebt zum grossen Theil eine meisterhafte Uebersetzung. Die Erzählung des Biographen Konrads trägt selbst einiges poetische Gepräge, aber entbehrt der wünschenswerthen Klarheit.

Bisher hat stets als selbstverständlich gegolten, dass Wipo Augenzeuge der Wahl Konrads gewesen sei. Aber ist das so gewiss? War der Geschichtsschreiber wirklich zugegen, so dass er eine in allen Einzelheiten sichere Schilderung geben konnte? Dass er nicht Alles, was er über den Kaiser schrieb, selber gesehen und mit erlebt hat, gesteht Wipo wiederholt in dem Widmungsbriefe und im Prolog. Allerdings sagt er im ersten

Lindner, Königswahlen.

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