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IV. Die Wahlen zur Zeit der Ottonen.

So fest begründete Heinrich die Einheit des Reiches, dass sie auch nach seinem Tode nicht in Zweifel gezogen wurde. Es ist ihm zum Verdienste angerechnet worden, dass er nicht nach Karolingischem Vorbild eine Theilung des Reiches unter seine Söhne vorgenommen hat. Doch das hätte er kaum thun können. Seitdem die Herzogthümer bestanden, war eine Reichstheilung nicht mehr möglich, denn nur derjenige Sohn, welcher Sachsen bekam, würde eine wirkliche Herrschaft besessen, die anderen in der Luft geschwebt haben.

Auf einem Fürstentage zu Erfurt empfahl der König seinen ältesten ehelichen Sohn zum Nachfolger, bald darauf am 2. Juli 936 raffte ihn der Tod hinweg. Der in Erfurt gemachte Vorschlag hatte den Beifall der Anwesenden gefunden, denn die glänzende Versammlung, welche fünf Wochen nach Heinrichs Hingang in Aachen zusammentrat, stand von Anfang an unter dem Eindrucke einer fertigen Thatsache. Zwar braucht Widukind 1) die Worte, das ganze Volk der Franken und Sachsen habe den schon vom Vater designirten Otto zum Haupte gewählt (elegit) und zum Ort der allgemeinen Wahl (universalis electionis) Aachen bestimmt, doch seine weitere Erzählung zeigt, dass dort nur der letzte feierliche Vollzug erfolgte. In der Vorhalle des Aachener Münsters wurde Otto auf den Thron gesetzt und empfing die Treuschwüre der Grossen 2). So war er bereits König, als er die Kirche betrat, wo ihn der Erzbischof von Mainz mit der Geistlichkeit erwartete. In der Mitte des Heiligthums wandte sich der Erzbischof um und rief dem Volke zu: „Ich führe euch herbei den von Gott erwählten, von König

1) Lib. II c. 1. Die anderen Quellen bei Maurenbrecher 51 ff. Die Streitfrage über die Absichten der Königin Mathilde und des jüngeren Heinrich kann ich übergehen.

2) Vgl. unten Abschnitt XII.

Heinrich designirten, von allen Fürsten zum Könige gemachten Otto; wenn euch die Wahl gefällt, so erhebet die Hände zum Himmel!" Dem jubelnden Zuruf folgte die Krönung.

Die Bedenken, welche einst der Vater gehegt hatte, lagen für den Sohn nicht vor. Er durfte zurückgreifen zu der alten geheiligten Sitte. Deshalb ist nicht nöthig, Otto eine andere grundsätzliche Auffassung von der Bedeutung der Krönung und des Königthums zuzuschreiben, als sie Heinrich gehabt hatte. Nur in der Wahl des Ortes lag ein besonders tiefer Sinn.

So trafen bei Otto wieder die Bedingungen der Nachfolge zu, wie sie bei den Karolingern gewesen waren: das Erbrecht, getragen von dem Vorschlage des Vorgängers und der Zustimmung der Fürsten. Die Vereinigung dieser drei Erfordernisse gab ihm die Krone. Das Absterben des ostfränkischen Hauses und die Thronbesteigungen Konrads I. und Heinrichs I. hatten die Giltigkeit des Erbrechtes unterbrochen und die Wahl in den Vordergrund gedrängt; jetzt trat wieder ein rückläufiger Gang ein. Die Zukunft des Reiches hing daran, ob fortgesetzt in dieser Weise die Nachfolge vor sich gehen würde. Dann musste von selbst das Erbrecht immer grösseres Gewicht erhalten, besonders wenn die Thronbesetzung stets bei Lebzeiten des Vorgängers geordnet wurde, weil dadurch das Zustimmungsrecht der Fürsten allmählich zur leeren Form geworden wäre. So ist in der That auf diesem Wege Frankreich, wo anfänglich dieselben Verhältnisse bestanden wie in Deutschland, zum Erbreich geworden.

Eine Zeit lang schien es, als ob Deutschland ein solches Glück beschieden sein sollte. Otto I. liess erst Liudolf, und als dieser starb, Otto II. als Thronerben anerkennen. Er überging dabei Liudolfs hinterlassenen Knaben, denn so streng war die Erbfolge nicht, dass nicht der Vater mit Einwilligung der Fürsten hätte seinen zweiten Sohn bestimmen können. Otto III. wurde ebenfalls bei Lebzeiten des Vaters gewählt und darauf gekrönt. Doch er starb, ohne einen Sohn oder Bruder zu hinterlassen und ohne dass eine Bestimmung über die Thronfolge getroffen war.

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V. Die Wahl Heinrichs II.

Die Thronbesteigung Heinrichs II. ist vielfach und nach allen Seiten hin untersucht und geschildert worden, und doch scheint mir, dass sich eine neue Auffassung geltend machen lässt. Ich will nicht den ganzen Hergang erzählen, nur die Hauptsachen herausgreifen. Den eigentlichen Kern der Frage bildet das Verhältniss Heinrichs zu den Sachsen.

Thietmar von Merseburg erzählt die Geschichte jener Tage ausführlich 1); die anderen Quellen geben einige Ergänzung.

Als berechtigt zum Empfange der Herrschaft betrachtete sich sofort der nächste Verwandte Ottos III. von männlicher Seite, Herzog Heinrich III. von Baiern. Er zwang den Erzbischof von Köln, ihm die heilige Lanze auszuliefern. Heribert that es ungern, denn er wollte sich, wie Thietmar sagt, nicht binden, sondern abwarten, wohin sich die „,melior et maior populi tocius pars" wenden würde 2). Heinrich hatte in der That Gegner, welche lieber den Herzog Hermann von Schwaben, der auch als Bewerber auftrat, als König gesehen hätten. In Sachsen regte sich der ehrgeizige Markgraf Eckehard, doch stiess er auf Widerspruch und wurde bald ermordet.

Heinrich wurde endlich am 7. Juni in Mainz gewählt und von Erzbischof Willigis gekrönt. Die Franken, ein Theil der Lothringer und jedenfalls auch seine Baiern huldigten ihm dort. Nach einem erfolglosen Streifzuge gegen Hermann wandte sich darauf der neue König nach Sachsen und empfing unter

dux

ctabat.

1) Ich führe ihn an nach der neuen Ausgabe von Fr. Kurze 1889. 2) Lib. IV c. 30; ähnlich V c. 3: Theodericus vero Liuthariorum -, quo se pars populi maior et melior inclinaret, securus exspe

wegs die Huldigung der Thüringer, denen er einen von altersher schuldigen Schweinezins erliess.

Es ist erforderlich, die Erzählung Thietmars genau zu verfolgen, weil aus ihr weittragende Schlüsse gezogen worden sind.

Gleich zu Anfang hatten die in Werl versammelten Sachsen Heinrichs Erbrecht anerkannt und gelobt, dafür einzutreten 1); doch tand eine Wahl damals noch nicht statt. In Merseburg erschienen nunmehr die Bischöfe und Grossen Sachsens und nahmen den König ehrfurchtsvoll auf.

Am folgenden Tage war grosse Versammlung. Herzog Bernhard ergriff im Auftrage Aller in Gegenwart des Königs das Wort, verkündete den Willen des versammelten Volkes, setzte ,,omnium necessitatem ac legem specialiter" auseinander und frug ihn, welche Wohlthat (quid misericordiae) er ihnen versprechen oder durch die That erweisen wolle. Heinrich erklärte, ihnen nicht genug danken zu können, daher wolle er eröffnen, was er zu gewähren beabsichtige. Er wisse, wie getreu sie bisher ihren Königen gehorcht hätten, daher wünsche er, sie zu ehren und zu seinem und des Reiches Nutzen zu erhalten. „Et ut certi de hiis sitis, quomodo vobis placet, salvo honore regni affirmo, quia non rennuentibus nec contradicentibus vobis, set potius quasi applaudentibus et huc me invitantibus hac regali dignitate honoratus appareo“. Daher verspricht er, ihr Gesetz zu halten und ihre vernünftigen Wünsche nach Möglichkeit zu erfüllen 2).

Mit lautem Jubel stattet das Volk seinen Dank ab; darauf ergreift der Herzog die heilige Lanze und indem er sie überreicht, „ex parte omnium regni curam illi fideliter committit".

Was ergiebt sich aus dieser Darstellung?

„Heinrich räumte den Sachsen ein, dass nur durch ihre Wahl er das Herrscherrecht über Sachsen zu erlangen be

1) Thietmar V c. 3.

2) Thietmar V c. 15-17. Da Thietmar wahrscheinlich Augenzeuge war, so ist auf die Rede, wie er sie mittheilt, vielleicht einiges Gewicht zu legen. Die Worte Heinrichs stimmen auch gut zu der gesamten übrigen Darstellung.

rechtigt gewesen; er bestätigte ihnen das alte Recht und Herkommen ihres Stammes. Und er ging in seiner Unterwerfung unter das Sondergefühl der Sachsen, in seiner Nachgiebigkeit gegenüber dem sächsischen Particularismus so weit, dass er eine neue Wahl durch die Sachsen sich gefallen liess und damit erkaufte er Huldigung und Lehnseid der Sachsen. Erst nach jener Zusicherung Heinrichs huldigte ihm Herzog Bernhard von Sachsen, indem er die heilige Lanze ihm darbot. Es war gewiss ein sehr bedenklicher Vorgang, diese Anerkennung, die der schon gekrönte und gesalbte König von den Sachsen nachsuchte und nur unter schwerwiegenden Zugeständnissen von ihnen bewilligt erhielt“.

So Maurenbrecher, doch er sagt nur, was vor ihm auch die anderen Forscher in ähnlicher Weise ausgesprochen haben. Dennoch möchte ich die Richtigkeit dieses Urtheils bestreiten. Vergegenwärtigen wir uns die einzelnen Züge.

Heinrich kommt nach Merseburg, von den Sachsen eingeladen und ehrenvoll empfangen. So heisst es auch in dem Rythmus auf ihn: pugnax currit Saxonia ad subjectum obvia 1). Die Quedlinburger Annalen sagen gar: es hätte sich das Gerücht verbreitet, Heinrich werde nach Merseburg kommen. Dort versammeln sich der Herzog und die Primaten: „,benigne ab eo suscepti sunt moxque dominum sibi illum ac regem elegerunt“ 2). Also die Sachsen sind die Entgegenkommenden, nicht Heinrich; er erscheint bereits mindestens als der zur Herrschaft bestimmte. Am folgenden Tage findet die Versammlung in seiner Gegenwart statt; eine Wahlberathung oder ähnliche Vorgänge erfolgten demnach wenigstens an diesem Tage nicht. Vielmehr trägt Herzog Bernhard die Bedürfnisse und das Recht des Volkes vor und erfrägt seine ,,misericordia" darüber. Heinrich spricht als ein rechtmässiger König und sagt Bestätigung des Rechtes und Wohlwollen zu. Darin lag kein demütigendes Zugeständniss; auch Konrad II. bestätigte später legem crudelissimam Saxonum secundum vo

1) Archiv für Oesterreich. Gesch. Q. XII, 317.

2) Scr. III, 78.

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