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der Böhme, habe keine Kur, weil er nicht deutsch sei. Sein Gedankengang mochte demnach so sein: er hat von den Aemtern der drei Laien gesprochen, da fährt ihm durch den Sinn, auch der Böhme besitze ein solches, und um nicht die Meinung aufkommen zu lassen, dieser habe deswegen auch unter den Ersten seine Stimme zu erheben, macht er den erläuternden Zusatz. Doch dazu kam wohl noch ein anderer Grund. Eike wusste wahrscheinlich, dass Manche dem Böhmen ein Wahlrecht zuschrieben. Eine solche Meinung brauchte nicht gerade des Schenkenamtes wegen entstanden zu sein, konnte aber in ihm Bestärkung finden. Daher sollte einem solchen Irrthum gleich gründlich entgegengetreten werden.

Wenn auch der Sachsenspiegel seine Theorie nicht auf dem Grunde der Erzämter aufbaut, so ist dennoch leicht ersichtlich, wie sie mit der Wahl in Verbindung gesetzt werden konnten. Der Erzbischof von Mainz pflegte die Kur zu leiten und ihr Ergebniss zu verkündigen, der Kölner vollzog die Krönung und der Trierer leistete dabei seinen Beistand von Alters her 1). Bei der Krönung brachten die hohen Fürsten ihre Dienste dar. Die Krönung galt aber als Besiegelung und Bekräftigung der Wahl, und so ergab sich der Gedanke, Wahlrecht und Erzamt bei den gleichen Fürsten zu vereinen. So konnte derselbe Entwicklungsgang, der das besondere Wahlrecht einzelner Fürsten schuf, ihnen zugleich das Erzamt endgiltig zusprechen. Beides gehörte naturgemäss zusammen, wie die Kehrseiten einer Medaille. Als Eike schrieb, war bereits eine solche Idee vorhanden, er trug ihr Rechnung, aber er erkannte sie nicht als giltig an.

Damit stehen wir vor einer weitern Schwierigkeit. Wurden sieben Erzämter angenommen, weil man sieben Wähler für erste hielt, oder kam man auf sieben Wähler, weil es sieben Erzämter gab? Sie ist leicht zu entscheiden. Denn die Verrichtungen der Erzbischöfe bei der Krönung waren keine Erzämter und die Kanzlerschaften hat man erst nachher als

1) Vgl. oben S. 63 über die sächsische Zeit, dann oben S. 108 die Stelle der Marbacher Annalen, ferner Ottonis Frising. Chron. VII cap. 22.

solche gefasst, um den Einklang zwischen Geistlichen und Laien herzustellen. Ob aber die Erzämter der letzteren von jeher vier betrugen, ist mindestens ungewiss. Daher scheint mir, zuerst erfolgte die Auslese der bevorrechteten Fürsten und erst im Anschluss daran schrieb man ihnen die Erzämter zu, deren Zahl danach bemessen und dann für die Zukunft abgeschlossen wurde.

XXVI. Das angebliche Vorstimmrecht der Herzöge.

Die Forscher haben bisher ihre Mühe darauf gerichtet, die sieben Wähler bereits in den früheren Jahrhunderten nachzuweisen, und gerade, weil sie von dieser Voraussetzung der Sieben, und zwar bestimmter Sieben, ausgingen, gelangten sie zu falschen Deutungen. Aber lässt sich der Spiess nicht umkehren, kann man nicht die Siebenzahl als erst später entstandene Idee betrachten und demnach die Gründe aufsuchen, welche zu einer solchen Festsetzung geführt haben möchten?

Da die Auswahl der drei Erzbischöfe unschwer zu erklären ist, kann es sich nur um die Ergänzung der Zahl aus den Laienfürsten handeln. Dass die Erzämtertheorie schwerlich zu einem Ziele führt, sahen wir bereits.

Es ist hingewiesen worden auf das Kardinalkollegium, die Wählerschaft des Papstes, an deren Spitze sieben Kardinalbischöfe standen 1). Auch Innocenz III. soll seine Ansicht von der Mehrheit nach dieser Analogie gebildet haben 2), aber die Prüfung seiner Briefe liess einen solchen Gedanken nicht oder wenigstens nicht in greifbar ausgeprägter Gestalt erkennen. Die Kardinalbischöfe bildeten indessen keineswegs den gesamten Wahlkörper, da auch die zahlreichen anderen Kardinäle zu diesem gehörten 3). Das Muster, nach dem sich die Deutschen

1) Wilmanns 73, 114.

2) Schröder 457 nach Harnack 25 und Weiland 326. Was Harnack 107 zur Bestätigung anführt, geht nicht über allgemeine Worte hinaus und fällt auch in eine spätere Zeit; zudem giebt er selbst zu, dass der Hauptpunkt der deutschen Wahldekrete in den päpstlichen Schreiben sich nicht findet. Weizsäcker (in den Abhandl. Akad. Berlin 1890) Rense als Wahlort 33 will Harnack ergänzen, aber man darf nicht kirchliches und deutsches Recht zusammenbringen.

3) Das hat gegen Wilmanns schon Langhans 52 ff. bemerkt.

hätten richten können, war also gar nicht so beschaffen, dass man die Sieben sklavisch nachbilden konnte. Wird das Vorbild auf kirchlichem Gebiete gesucht, liesse sich eher an die symbolische Bedeutung der Siebenzahl denken, wie sie z. B. in der Woche, der Zahl der Sakramente hervortritt. Sieben ist überhaupt fast bei allen Völkern eine heilige Zahl, und wie auch der Sachsenspiegel in ihrem Banne stand, zeigt deutlich genug der Anfang seines ersten Buches 1). Aber gerade die Kurfürsten berechnet er und der Auctor vetus auf sechs.

Viel eher liesse sich denken, dass die vier Laienfürsten den vier Stämmen entsprechen sollten. Der erste Blick zeigt allerdings, dass in der Auswahl der Kurfürsten die Stämme nicht gleichmässig berücksichtigt sind. Die drei Erzbischöfe müssten sämtlich zu den Franken gerechnet werden, doch sind sie als Geistliche gewissermassen international. Sonst zählt der Pfälzer für Franken, Sachsen und Brandenburg für Sachsen, der Böhme gehört keinem der Stämme an, Baiern und Schwaben sind gar nicht vertreten. Doch könnte diese ungleiche Vertheilung erst allmählich durch Verschiebung erfolgt, das ursprüngliche Grundschema dennoch in Rücksichtnahme auf die Stämme entstanden sein.

An solche Vermuthungen streifen diejenigen dicht heran, welche die weltlichen Wähler aus einem ehemaligen Vorrechte der Herzöge ableiten, das dann verkümmert und umgewandelt wurde. Es ist die Mehrzahl der Forscher, welche diese Weise der Erklärung versucht haben 2).

Schon früher führte ich aus, wie fest die Anschauung von den vier Stämmen wurzelte 3). Im Sachsenspiegel ist sie die herrschende; nach ihr gliedert sich die Bevölkerung des Reiches. Er bringt sogar eine historische Begründung: „Jewelk düdesch lant hevet sinen palenzgreven: Sassen, Beieren, Vranken unde Svaven. Dit waren alle koningrike, seder wandelde man in den namen unde hiet sie herthogen, seder sie die Romere be

1) Von sechs werlden. Von herschilden. Von sibbe. Wer das erbe zu voren nimt; Art. 3.

2) Mit besonderem Eifer Quidde.

3) Abschnitt XV.

dungen" 1). Auch sonst werden dort die vier Stämme neben einander gestellt, so in der Bestimmung über das Erbrecht: ,,Jewelk inkomen man untveit erve binnen deme lande to Sassen na des landes rechte unde nicht na des mannes, he si Beier, Svaf oder Vranke" 2). Die Schriftsteller sprechen gleichfalls von den vier Stämmen. Die Lautersberger Chronik nennt bei der Wahl Philipps die Fürsten von Sachsen, Schwaben und Baiern im Gegensatz zu denen vom Rhein. Die Ursperger bezeichnet als seine Wähler Schwaben, Sachsen, Baiern und rheinische Fürsten, fügt allerdings auch die Böhmen ein 3). Arnold von Lübeck sagt ebenso, Philipp habe Anhänger gefunden bei den Sachsen, Franken, Schwaben und Baiern; zu dem in Halberstadt von den Sachsen anerkannten Otto IV. kommen in Frankfurt die Fürsten Frankoniens, Baierns und Schwabens 4).

Diese Eintheilung in die vier Stämme ist eine lebendig gebliebene Vorstellung alter Zeiten. Sie behielt ihre Bedeutung für das Recht, nicht aber für das Staatsleben und die Politik. Die geschichtliche Entwicklung hob die Einheit der Stämme auf und so entstanden allmählich weit mehr Herzogthümer. Das Herzogthum selbst veränderte darüber seinen Charakter; es wurde zu einer Rangstufe, schliesslich zu einem Titel, dessen Träger von recht verschiedenem Ansehen waren. Aber wenn ein Herzogthum trotz aller Loslösungen den alten Glanz und die Vertretung eines einheitlichen Volksthums bewahrte, so war es das baierische; selbst die ohnehin nicht lange dauernde Herrlichkeit der Meranier that ihm in der öffentlichen Meinung wenig Eintrag. Und dennoch, gerade dieses Herzogthum ging bei der Entstehung der Kurfürstenwürde leer aus. Wie hätte ihm ein Vorstimmrecht entwunden werden können, wenn es ein solches wirklich besessen hätte? So zersplittert ferner der fränkische Stamm war, wie soll es gekommen sein, dass der Herzog von Lothringen und noch mehr der von Bra

1) Landrecht III, Art. 53.

2) Landrecht I, Art. 30.

3) Scr. XXIII, 167; 366. Vgl. Winkelmann Philipp 500 f.
4) VI cap. 2; VII cap. 13.

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