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zählt, er habe vom König Heinrich III. selbst im März 1257 die Namen der Fürsten erfahren, „,ad quos spectat eleccio" 1). Unter der Ueberschrift:,,Primates Alemanie. Hii sunt maximi in Alemannia, ad quorum nutum pendet eleccio ipsius regni, quod est quasi arra imperii Romanorum", zählt er auf die drei rheinischen Erzbischöfe und vierzehn Fürsten, den König von Böhmen, den Pfalzgrafen, den Herzog von Oesterreich, den Herzog von Schwaben, der zugleich Graf von Baiern sei, den Herzog von Polen, die Markgrafen von „,Miche" und Brandenburg, die Herzöge von Sachsen, Braunschweig, Kärnthen, Meran und Brabant, den Landgrafen von Thüringen und den Markgrafen von Meissen 2).

Dieses Verzeichniss nennt manche Häuser, die 1257 ausgestorben waren, wie Oesterreich, Thüringen und Meran). Da Matthaeus aber sich auf bestimmte, auch von ihm der Zeit nach genau bezeichnete mündliche Mittheilungen des englischen Königs beruft, so ist anzunehmen, dass dieser ein Verzeichniss aus älterer Zeit benutzte und es noch für zutreffend hielt. Im Grossen und Ganzen ist es nichts als eine Aufzählung der bedeutendsten deutschen Herren. Aber das merkwürdigste ist, dass demnach König Heinrich selbst noch nichts von den sieben Kurfürsten gewusst haben kann.

Dagegen giebt ein späterer englischer Schriftsteller über die Kurfürsten guten Bescheid. Thomas Wikes erklärt:

,,Sunt autem septem principes Alemannie, ad quos potestas eligendi regem specialiter pertinere dinoscitur, videlicet tres ecclesiastici et quatuor seculares. Primus ecclesiasticorum archiepiscopus Maguntii, secundus archiepiscopus Colonie, tertius archiepiscopus Treverii; primus saecularium dux Bavarie, secundus dux Saxonie, tercius dux Austrie, quartus marchio Brandenburgie").

1) A. a. O. 369.

2) A. a. O. 367. Die Namensdeutungen sind nicht alle sicher. 3) Ficker in Mitth. Oest. Inst. III, 58 hat darauf hingewiesen. Die Ansicht von Quidde 23, Matthaeus wolle hier gar nicht die bevorzugten Wähler namhaft machen, ist gegenüber dessen späterer Erklärung nicht zutreffend.

4) Böhmer Fontes II, 451. In dem folgenden Satze sagt er von

Da Thomas Wikes erst viel später sein Werk schrieb, so ist ungewiss, wann er diese Kunde erhielt, aber wahrscheinlich stammt sie aus der Zeit Richards. Trotzdem ist damit noch nicht gesagt, dass er unter Baiern den Pfalzgrafen, unter dem Oesterreicher den Böhmenkönig verstand 1). Wie aus der Glosse bei Matthaeus ist vorsichtigerweise bei ihm nur die Kenntniss, dass sieben Kurfürsten vorhanden seien, zu entnehmen. Ueber den genauern Bestand konnte ein Engländer leicht in Irrthum oder Unkenntniss sein. Aber es genügt auch, dass eben die Siebenzahl dorthin gedrungen war.

Die Rechtsbelehrung über die Königswahl, welche Richard dem päpstlichen Hofe mittheilen liess, kennen wir ausreichend 2); sie ist entstanden zwischen 1257 und 1263, wahrscheinlich nicht lange vor letzterem Jahre.

Eine eigenartige Ansicht stellt der Kardinal Heinrich de Segusia auf in einer Glosse zu dem Decretale Innocenz III. Venerabilem vom März 1202, indem er die Worte: „illis principibus ius et potestatem eligendi regem - recognoscimus" 3) erläutert:,,scil. Maguntino, Coloniensi, Treverensi archiepiscopis, comiti Rheni, duci Saxoniae, marchioni Brandenburgensi. Et septimus est dux Bohemiae, qui modo est rex. Sed iste secundum quosdam non est necessarius, nisi quando illi discordarent, nec istud habuit de antiquo, sed de facto hoc hodie tenet" 4).

Heinrich verfasste seinen Decretalencommentar zwischen 1262 und 12715). Nun war er als Erzbischof von Embrun im Gefolge des Kardinallegaten Hugo 1252 in Braunschweig zugegen, als die sächsischen Fürsten dem Könige Wilhelm huldigten. Mehrfach galt daher sein Satz über Böhmen als ein Niederschlag der dortigen Verhandlungen. Heinrich habe damals erfahren, wie bestritten bis dahin das böhmische Wahlrecht war,

dem Mainzer Erzbischofe: „,ad cuius preeminentiam pertinet prima vox in electione".

1) Wie Harnack 57 ohne weiteres annimmt.

2) Oben S. 155. 3) Oben S. 103.

4) Vgl. Waitz in Forschungen XIII, 208 und Schroeder 459.

5) Schuster in Mitth. Oest. Inst. III, 404; Schroeder 459.

aber auch gesehen, wie es zugelassen wurde 1). Damit stimmt jedoch der thatsächliche Gang der Dinge nicht überein. Es drängt sich vielmehr der entgegengesetzte Schluss auf. Heinrich erlebte nachher die Doppelwahl 1257, bei welcher beide Parteien sich auf die Theilnahme Böhmens beriefen, und er wird gewiss auch die Akten darüber, wie sie in dem päpstlichen Entwurfe von 1263 zusammengestellt wurden, gekannt haben. Daraus ersah er, wie es mit Böhmen stand, während er früher in Sachsen nichts von dessen Berechtigung gehört hatte. So konnte er von selbst auf seinen Vermittlungsversuch verfallen.

Dieselbe Ansicht über Böhmens Entscheidungsrecht bei zwiespältiger Wahl findet sich bei mehreren anderen Schriftstellern der späteren Zeit 2).

Wahrscheinlich vor 1273 sind auch entstanden die bekannten lateinischen Verse über die Kurfürsten:

,,Maguntinensis, Treverensis, Coloniensis

Et palatinus dapifer, dux portitor ensis,

Marchio praepositus camere, pincerna Boemus,

Hi statuunt dominum cunctis per secula summum“ 3).

Auch die bildende Kunst hat Zeugenschaft über die Kurfürsten ablegen müssen. Die Stirnmauer des älteren Rathhauses in Aachen ist verziert mit den Statuen der sieben Kurfürsten, und dieser Schmuck rührt bereits aus Richards Regierung her 4). Dagegen möchte ich ein Relief in Monza, welches nur sechs Fürsten zeigt, wobei der König von Böhmen fehlt und statt des Pfalzgrafen Landegavus" vermerkt wird, der Tracht nach erst in das 14. Jahrhundert setzen.

1) Schirrmacher 95, Weiland 309. Dagegen mit Berufung auf die späte Niederschrift Schuster a. a. O., Hinze 54, Schröder 459.

2) Waitz a. a. 0. 209 ff.

3) Zuerst bei Martin von Troppau, Scr. XXII, 466; vgl. Scr. XX, 329. Scheffer-Boichorst in Sitzungsberichte München 1884, 502 hat bemerkt, dass der gewöhnlich mitangeführte zweite Vers:,,quilibet imperii fit cancellarius horum" eine Einschiebung ist.

4) Loersch in Forschungen XIII, 379.

5) Abbildungen bei Frisi Memorie storiche di Monza I, 172 und Muratori Scr. rer. It. I, 509; angeführt von Harnack 50, vgl. Tannert in Mitth. Oest. Inst. V, 646.

Gross genug ist also der Bestand an Nachrichten über die Kurfürsten, aber leider entspricht der Zahl nicht der Werth. Lassen wir zunächst Roger von Hoveden und das Baseler Verzeichniss bei Seite, so ergiebt sich allerdings manche Uebereinstimmung, aber auch manche Verschiedenheit.

Der Sachsenspiegel mit seiner Gruppe anerkennt nur sechs Wähler, aber er steht damit ganz allein, denn die anderen Quellen zählen sieben Wähler und unter ihnen sind einige, die möglicherweise vor 1257 fallen, und die letzte Abzweigung, der Schwabenspiegel, geht sogar mit den Gegnern. Dazwischen stellt Kardinal Heinrich sechs Wähler, aber noch einen siebenten für die Entscheidung einer Zwiekur auf.

Die Bezeichnung der zur Kur Berechtigten schwankt sehr, doch nur durch die englischen Berichte. Besser ist, aus ihnen nur die Hauptsumme zu entnehmen und ihre anderen Angaben als aus mangelhafter Kenntniss stammend auf sich beruhen zu lassen, statt durch künstliche Interpretation ihnen unsicher bleibende Aufschlüsse abzuzwingen. Dann ergiebt sich über sechs Fürsten: Mainz, Köln, Trier, Pfalz, Sachsen, Brandenburg erfreuliche Gleichheit der Angaben, und auch die Frage nach dem siebenten spitzt sich auf den einen, den Böhmen zu. Denn selbst der Sachsenspiegel gedenkt seiner in diesem Zusammenhange, obschon ablehnender Weise.

Eine Besonderheit eigener Art liegt darin, dass die Sachsenspiegelgruppe, der Kurfürstenspruch und der lateinische Kurfürstenvers die Erzämter der Laienfürsten heranziehen. Die anderen thun das nicht, und selbst das Lehnrecht des Sachsenspiegels und der Auctor vetus schweigen davon.

Auch die Thätigkeit der Wahlfürsten wird nicht gleichartig geschildert. Nach dem Sachsen- und Deutschen-Spiegel, mit denen das Baseler Verzeichniss übereinstimmt, sind sie nur die Ersten an der Kur, nach den Anderen kommt ihnen die eigentliche, ja die gesamte Wahl zu.

Ueber die schwierigste und interessanteste Frage, Ursprung und allmähliche Entwicklung des Kurfürstenamtes endlich giebt keine einzige dieser Aufzeichnungen irgendwelchen Aufschluss.

Lindner, Königswahlen.

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XXV. Die Erzämter.

Wie das Kurfürstenthum entstanden sei, haben die Forscher in verschiedener Weise zu erklären versucht. In der Hauptsache kommen sie jedoch so ziemlich überein, schon vor dem dreizehnten Jahrhundert hätten gewisse Fürsten ein Vorwahloder Vorstimmrecht besessen. Dann sei Papst Innocenz III. bemüht gewesen, einen engern Kreis bevorrechtigter Wähler zu schaffen, und so habe unter dem Einfluss der deutschen Reichszustände der ursprüngliche Ehrenvorzug sich in ein Gewohnheitsrecht umgewandelt.

Dieses Vorstimmrecht wird abgeleitet theils aus dem naturgemässen Vorrange der grossen Kirchenfürsten und der Stammesherzöge, theils aus der auch von der Kanzlei beobachteten Rangordnung, die allerdings auf jene hohen Persönlichkeiten eine gewisse Rücksicht nahm. Auch die Ausübung der Erzämter ist als Ausgangspunkt der kurfürstlichen Würde angesehen worden.

Ich hoffe, in den beiden ersten Büchern aus der Geschichte der Wahlen erwiesen zu haben, dass ein solches Vorstimmrecht nicht bestanden hat, dass alle Quellenstellen, welche dafür in Anspruch genommen wurden, zwanglos anders gedeutet werden können. Welche Mühewaltung ist aufgeboten worden, um aus den Zeugenlisten der Urkunden Schlüsse zu ermöglichen! Die ganze lange Reihe der Kaiserdiplome wurde durchforscht 1), aber die Arbeit führte zu keinem entsprechenden Ergebniss. Gar zu viele Ausnahmen sprachen gegen die Festigkeit der Regel; gewagte Vermuthungen mussten die Lücken ergänzen und versagten

1) Namentlich von Tannert, vgl. dort 13 ff. über die leitenden Gesichtspunkte.

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